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Auszug aus dem Urteil vom 28. Januar 2005 i.S. X (staatenlose Kurden syrischer Herkunft)

Art. 3 Abs. 1 und Art. 7 AsylG: Begründete Furcht vor Verfolgung bei aktiver Mitgliedschaft in der Yekiti-Partei.

1. Wird eine asylsuchende Person bereits kurz nach ihrer Einreise in die Schweiz in ausgeprägtem Masse politisch aktiv und vertritt ihre Organisation (vorliegend die Yekiti-Partei) auch gegenüber offiziellen Stellen, kann dies ein Indiz für die Glaubhaftigkeit eines politischen Engagements im Heimatland darstellen (Erw. 6.1.2.).

2. Zwar ist in Syrien auch nach den kurdischen Unruhen im März 2004 keine systematische Verfolgung von Mitgliedern der Yekiti-Partei allein wegen ihrer Parteimitgliedschaft festzustellen; aktive Mitglieder der Partei müssen aber weiterhin mit Verhaftungen und längeren Inhaftierungen rechnen (Erw. 7.2.1.).

Art. 3 al. 1 et art. 7 LAsi : crainte fondée de persécution pour un membre actif du parti Yekiti.

1. Le fait que, presque sitôt après son arrivée en Suisse, un demandeur d’asile soit devenu particulièrement actif au plan politique et qu’il ait représenté son organisation (in casu, le parti Yekiti) auprès d’instances officielles, peut être considéré comme un indice de son engagement politique dans son pays d’origine (consid. 6.1.2.).

2. Même après les troubles de mars 2004 relatifs à la question kurde, on ne peut réellement constater, en Syrie, une persécution systématique des membres du parti Yekiti au seul motif de leur affiliation à ce parti. En revanche, les membres actifs risquent l’arrestation et l’emprisonnement pour une longue durée (consid. 7.2.1.).


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Art. 3 cpv. 1 e art. 7 LAsi: timore fondato d’esposizione a persecuzioni per un membro attivo del partito Yekiti.

1. Il fatto che un richiedente l’asilo sia divenuto particolarmente attivo politicamente non appena giunto in Svizzera ed abbia segnatamente rappresentato la propria organizzazione - in casu, il partito Yekiti - dinanzi ad istanze ufficiali, può costituire un indizio dell’allegato coinvolgimento politico nel Paese d’origine (consid. 6.1.2.).

2. Nonostante i disordini del mese di marzo del 2004, connessi alla questione curda, non sussiste in Siria una persecuzione sistematica dei membri del partito Yekiti, a motivo della sola appartenenza al partito medesimo. Per contro, i membri attivi corrono il rischio di un arresto e di una detenzione di lunga durata (consid. 7.2.1.).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die Beschwerdeführer stellten am 17. Februar 2000 ein Asylgesuch. Der Beschwerdeführer machte zur Begründung seines Asylgesuchs im Wesentlichen Folgendes geltend: Er sei ein Ajnabi und gehöre damit zu jenen Kurden, die in Syrien als „Ausländer“ betrachtet würden und in verschiedener Hinsicht Diskriminierungen ausgesetzt seien. Er habe im Jahre 1985 begonnen, sich politisch zu betätigen, indem er der „Demokratischen Partei der Kurden in Syrien“ beigetreten sei, die sich im Jahre 1993 mit zwei anderen Parteien zur Yekiti-Partei (Partîya Yekîtî ya Demokrat a Kurd li Sûrîyê; Kurdische Demokratische Partei der Einheit in Syrien) zusammengeschlossen habe. Als Mitglied der Yekiti-Partei sei er an der Spitze eines regionalen Parteikomitees gestanden und habe in dieser Funktion Veranstaltungen mitorganisiert, Flugblätter verteilt und - insbesondere auch am Newroz - Reden gehalten. Im Jahre 1990 sei er anlässlich der Newroz-Feierlichkeiten zusammen mit anderen Personen vom syrischen Sicherheitsdienst festgenommen, verhört und nach ein paar Stunden wieder freigelassen worden. Ähnliche Festnahmen von kurzer Dauer hätten sich in den folgenden Jahren wiederholt, sobald es zu Zwischenfällen mit kurdischer Beteiligung gekommen sei, da die syrischen Behörden jeweils diejenigen Personen zuerst festgenommen hätten, die ihnen bereits bekannt gewesen seien. Im Jahr 1995 sei er im Zusammenhang mit dem Newroz erneut festgenommen worden; erstmals hätten die syrischen Behörden ihn aber nicht bereits nach ein paar Stunden freigelassen, sondern unter Anwendung von Folter über die Yekiti-Partei und deren Mitglieder befragt und von ihm verlangt, dass er als Spitzel für sie arbeite. Er habe jedoch abgestritten, Mitglied der Yekiti-Partei zu sein, weil er befürchtet habe, bei einem Geständnis jahrelang in Haft zu bleiben. In der Folge sei er noch


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viermal je eine Woche lang festgehalten und dabei gefoltert worden, letztmals am 15. Oktober 1999. Die Sicherheitskräfte seien auch immer wieder bei ihm zu Hause erschienen, hätten seine Kinder in Angst versetzt und seiner Frau gesagt, man werde ihn ins Gefängnis stecken, wenn er mit seinen Aktivitäten nicht aufhören und mit den Behörden zusammenarbeiten werde; es sei sogar seiner Frau selbst mit der Verhaftung gedroht worden. Deshalb sei die Leitung der Yekiti-Partei zum Schluss gekommen, dass es für den Beschwerdeführer besser sei, das Land zu verlassen.

Die Beschwerdeführerin, die ebenfalls geltend machte, staatenlose Kurdin syrischer Herkunft zu sein, berief sich auf die bereits vom Beschwerdeführer geltend gemachten Asylgründe - er sei wegen seiner Tätigkeit als Mitglied der Yekiti-Partei mehrere Male bis zu einer Woche lang festgehalten worden - und erklärte im Weiteren, sie selbst sei von den syrischen Sicherheitskräften belästigt worden, wenn sie jeweils bei ihr zu Hause erschienen seien und nach ihrem Ehemann gefragt hätten; dabei sei ihr gedroht worden, dass man auch sie mitnehmen werde, wenn ihr Ehemann seine Aktivitäten nicht aufgebe.

Zur Stützung ihrer Vorbringen reichten die Beschwerdeführer folgende Dokumente zu den Akten: auf ihre Namen lautende Personalausweise, die dem Dokumentstyp entsprechen, der in Syrien den so genannten Ajanib ausgestellt wird, das heisst den Kurden, die seit der im Jahre 1962 in der Provinz Jazira durchgeführten Sondervolkszählung offiziell nicht (mehr) als syrische Staatsbürger, sondern als Ausländer gelten und deren Personalien in einem besonderen Zivilregister geführt werden; drei Fotografien und eine Videokassette, die nach Angaben des Beschwerdeführers Szenen der Newroz-Feierlichkeiten festhielten und ihn als Redner zeigen würden; eine Mitgliedschaftsbestätigung der Europavertretung der Yekiti-Partei vom 14. März 2000.

Mit Verfügung vom 24. Mai 2000 lehnte das Bundesamt die Asylgesuche der Beschwerdeführer mit der Begründung ab, ihre Vorbringen hielten zum Teil den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit gemäss Art. 7 AsylG, zum Teil denjenigen an die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nicht stand; weiter verfügte das BFF die Wegweisung der Beschwerdeführer aus der Schweiz und ordnete den Vollzug der Wegweisung an.

Diese Verfügung fochten die Beschwerdeführer mit Eingabe ihres Rechtsvertreters vom 26. Juni 2000 bei der ARK an. Sie beantragten die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Gewährung von Asyl in der Schweiz, eventualiter die Anordnung der vorläufigen Aufnahme.


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Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens legten die Beschwerdeführer unter anderem folgende Dokumente zu den Akten: einen Auszug aus dem Protokoll der Generalversammlung eines kurdischen Instituts, aus dem hervorgehe, dass der Beschwerdeführer zum Sekretär dieser Vereinigung gewählt worden sei; eine Einladung des Beschwerdeführers zu einem Europaparteitag der Yekiti-Partei; eine - vom Beschwerdeführer im Namen der Yekiti-Partei beantragte - Bewilligung einer schweizerischen Polizeibehörde zur Durchführung einer Demonstration, mit welcher auf das Schicksal von H. D., einem von den deutschen Behörden nach Syrien ausgeschafften und dort sogleich von den syrischen Behörden verhafteten Kurden, aufmerksam gemacht worden sei; ein Schreiben, mit welchem der Beschwerdeführer die zuständigen kantonalen Behörden namens der Yekiti-Partei um die Bewilligung einer Demonstration zum Jahrestag der Sondervolkszählung von 1962 ersucht habe, sowie die entsprechende Bewilligung; ein Schreiben, mit welchem der Beschwerdeführer das UNHCR in Genf darum gebeten habe, eine Delegation der Yekiti-Partei zu einer Unterredung zu empfangen, sowie eine entsprechende schriftliche Zusage des UNHCR; eine Compact Disc sowie verschiedene Fotografien zum Nachweis, dass der Beschwerdeführer an Demonstrationen vor einer ausländischen Botschaft - diese sei vom Fernsehsender „Al Arabiya“ aufgezeichnet worden - beziehungsweise vor dem UNO-Sitz in Genf teilgenommen habe und dabei als Redner aufgetreten sei; ein Referenzschreiben von A. O., als Beleg dafür, dass der Beschwerdeführer bereits in seiner Heimat für die Yekiti-Partei aktiv gewesen sei, wobei für den Fall, dass dieses Schreiben als blosses Gefälligkeitsschreiben betrachtet würde, die Einvernahme von A. O. als Zeugen beantragt wurde.

Das Bundesamt hielt in seinen Vernehmlassungen vom 21. Dezember 2000 und 20. September 2004 an der angefochtenen Verfügung fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde; dabei äusserte es sich unter anderem auch zu den vom Beschwerdeführer im Verlauf des Asylverfahrens geltend gemachten politischen Exilaktivitäten und hielt diesbezüglich fest, es lägen keine konkreten Hinweise vor, dass er deshalb bei einer Rückkehr nach Syrien einer Gefährdung ausgesetzt wäre.

Die ARK heisst die Beschwerde gut, hebt die angefochtene Verfügung auf und weist das BFM an, den Beschwerdeführern Asyl zu gewähren.

Aus den Erwägungen:

5. Die Vorinstanz hat ihre Feststellung, dass die Vorbringen der Beschwerdeführer zum Teil den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit gemäss Art. 7 AsylG nicht standhielten, im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beschwerdeführer


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habe widersprüchliche Aussagen über den Beginn der von ihm geltend gemachten Probleme gemacht, indem er bei der Befragung in der Empfangsstelle erklärt habe, seine Probleme hätten im März 1995 angefangen, während er anlässlich der kantonalen Anhörung angegeben habe, dass er bereits im Jahre 1990 das erste und bis 1995 noch weitere Male im Zusammenhang mit kurdischen Aktivitäten abgeholt und befragt worden sei. Weiter führten die Aussagen des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführerin bei der Befragung in der Empfangsstelle zwingend zum Schluss, dass es zwischen 1995 und der Ausreise nur einmal vorgekommen sei, dass der Beschwerdeführer für eine Woche inhaftiert worden sei; demgegenüber sei ihren Ausführungen bei der kantonalen Anhörung zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer fünfmal beziehungsweise mehrere Male jeweils für eine Woche inhaftiert worden sei. Diese Abweichungen in den Aussagen der Beschwerdeführer seien von einem Ausmass, das überwiegend daran zweifeln lasse, dass der Beschwerdeführer jemals für mehrere Tage inhaftiert worden sei. Weiter habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er anlässlich der behördlichen Befragungen seine Zugehörigkeit zur Yekiti-Partei stets bestritten habe. Indessen sei es kaum vorstellbar, dass die syrischen Sicherheitskräfte sich über Jahre hinweg mit diesen Aussagen zufrieden gegeben hätten, wenn tatsächlich der Verdacht auf das tolerierte Mass überschreitende politische Aktivitäten bestanden hätte. Vielmehr wären in einem solchen Fall vor dem Hintergrund des angeblich ständigen Interesses der Sicherheitskräfte an der Person des Beschwerdeführers und ihres bekanntermassen brutalen Vorgehens zumindest nach einer gewissen Zeit weiter gehende Massnahmen gegen ihn zu erwarten gewesen. Dass solche Massnahmen ausgeblieben seien, stelle deshalb das angeblich während Jahren bestehende Interesse an seiner Person in Frage. Schliesslich sei eine Verfolgung des Beschwerdeführers auch aus keinem der als Beweismittel zu den Akten gereichten Dokumente ersichtlich.

6. Die ARK kann sich dieser Argumentation nicht anschliessen, sondern stellt fest, dass die Vorinstanz Art. 7 AsylG zu restriktiv angewandt hat, indem sie einseitig auf die von ihr ausgemachten Abweichungen zwischen den Aussagen der Beschwerdeführer bei der Befragung im Empfangszentrum und denjenigen bei der kantonalen Anhörung abgestellt hat, ohne gleichzeitig - im Sinne einer Gesamtwürdigung - auch den Umständen hinreichend Rechnung zu tragen, die durchaus für die Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdeführer sprechen.

6.1.1. Nicht bestritten wird von der Vorinstanz, dass die Beschwerdeführer zu den in Syrien als „Ausländer“ (sog. Ajanib) registrierten, faktisch allerdings staatenlosen Kurden gehören, was sie denn auch durch entsprechende Beweismittel hinreichend belegt haben.

 


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6.1.2. Die Vorinstanz zieht im Weiteren auch nicht ausdrücklich in Zweifel, dass der Beschwerdeführer entsprechend seinen Vorbringen als Mitglied der Yekiti-Partei an der Spitze eines regionalen Parteikomitees gestanden sei und in dieser Funktion Veranstaltungen organisiert, Flugblätter verteilt und - insbesondere auch am Newroz - Reden gehalten habe. Der Beschwerdeführer hat zur Stützung dieser Vorbringen diverse Beweismittel beigebracht, welchen die Vorinstanz offenbar nur insofern die Beweistauglichkeit abgesprochen hat, als sie gemäss ihrer Einschätzung nicht geeignet seien, die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfolgung zu beweisen. Für die Glaubhaftigkeit der betreffenden Vorbringen spricht überdies, dass der Beschwerdeführer offensichtlich über detaillierte Kenntnisse der Entstehungsgeschichte der Yekiti-Partei verfügt; dass er zwar den Namen des Parteivorsitzenden („Parteisekretärs“) nennen konnte, im Übrigen aber über die Organisationsstruktur der Partei - so etwa über deren Sitz und die Namen anderer Mitglieder - keine allzu ausführlichen Angaben machen konnte, erklärt sich ohne weiteres daraus, dass diese Partei in Syrien seit ihrer Gründung in der Illegalität wirkt (vgl. dazu ausführlicher hinten, Erw. 7.2.1.) und entsprechend in gewisser Hinsicht den Charakter einer Geheimorganisation aufweist. Als weiteres, wichtiges Indiz, das den Beweiswert der Aussagen des Beschwerdeführers über sein politisches Engagement in Syrien zusätzlich erhöht, ist schliesslich die Tatsache zu betrachten, dass er in der Schweiz nahezu unmittelbar im Anschluss an seine Einreise in ausgeprägtem Masse für die kulturellen und politischen Anliegen der syrischen Kurden aktiv geworden ist und die Yekiti-Partei gegenüber offiziellen Stellen vertreten hat, was ohne eine längere, auf die Zeit vor der Ausreise aus Syrien zurückgehende politische Erfahrung und darauf beruhende persönliche Beziehungen kaum denkbar gewesen wäre. Der Rechtsvertreter spricht in diesem Zusammenhang denn auch zu Recht davon, dass die politischen Aktivitäten des Beschwerdeführers in der Schweiz die „logische Folge“ der bereits in Syrien ausgeübten Tätigkeiten seien und er „im Exil“ nur deshalb so aktiv sei, weil er immer schon, also bereits auch in seiner Heimat, politisch aktiv gewesen sei.

6.2. Angezweifelt wird von der Vorinstanz dagegen, dass der Beschwerdeführer jemals für mehrere Tage inhaftiert gewesen sei, weil die diesbezüglichen Aussagen der Beschwerdeführer bei der Befragung im Empfangszentrum und bei der kantonalen Anhörung in erheblichem Ausmass voneinander abwichen.

Dem wird in der Beschwerdeschrift unter Hinweis auf den summarischen Charakter der Befragung im Empfangszentrum im Wesentlichen entgegenhalten, dass die Aussagen der Beschwerdeführer bei jener Befragung denjenigen bei der kantonalen Anhörung keineswegs diametral entgegenstünden.


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6.2.1. Tatsächlich gilt es zunächst zu betonen, dass die Befragung zu den Ausreisegründen im Empfangszentrum in erster Linie dem Zweck dient, festzustellen, ob überhaupt ein Asylgesuch vorliegt, sowie eine erste Triage zu ermöglichen, weshalb dieser Befragung für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der vorgebrachten Asylgründe nur ein beschränkter Beweiswert zukommt. Angesichts des summarischen Charakters des Protokolls der Empfangszentrums-Befragung ist es nicht angängig, blossen Unvollständigkeiten und unwesentlichen Abweichungen zu späteren Aussagen eine entscheidende Bedeutung beizumessen. Es darf nicht davon ausgegangen werden, dass Asylsuchende im Rahmen dieser Kurzbefragung grundsätzlich die Möglichkeit oder gar die Pflicht hätten, sämtliche Gründe ihres Asylgesuches abschliessend darzulegen. Anders verhält es sich, wenn klare Aussagen im Empfangszentrum in wesentlichen Punkten der Asylbegründung von späteren Aussagen diametral abweichen, oder wenn bestimmte Ereignisse oder Befürchtungen, welche später als zentrale Asylgründe genannt werden, nicht bereits im Empfangszentrum zumindest ansatzweise erwähnt werden (vgl. EMARK 1993 Nr. 3, Erw. 3, S. 13 f; 2004 Nr. 30, Erw. 6.4.3., S. 213).

Vorliegend deutet indessen nichts darauf hin, dass die Beschwerdeführer in der kantonalen Anhörung bewusst Tatsachen nachgeschoben haben könnten, um ihrem Asylgesuch Nachdruck zu verleihen, hatten sie doch bereits im Empfangszentrum geltend gemacht, dass der Beschwerdeführer wegen seines politischen Engagements als Mitglied der Yekiti-Partei von den syrischen Behörden mehrmals festgenommen und dabei bis zu einer Woche lang festgehalten worden sei, was von der Intensität her bereits für sich allein und unabhängig vom genauen Beginn dieser Verhaftungen und von ihrer Anzahl zur Erfüllung der Flüchtlingseigenschaft genügen würde.

Ohnehin lassen sich für die von der Vorinstanz festgestellten Abweichungen in den Aussagen der Beschwerdeführer - betreffend den Zeitpunkt der ersten Verhaftung des Beschwerdeführers beziehungsweise die Anzahl der von ihm geltend gemachten einwöchigen Inhaftierungen - durchaus plausible Gründe anführen.

Nachvollziehbar ist zum einen die Erklärung in der Beschwerdeschrift, dass die Beschwerdeführer bei der Befragung im Empfangszentrum die kürzeren Inhaftierungen des Beschwerdeführers zwischen 1990 und 1995 deshalb unerwähnt gelassen hätten, weil sie sich in erster Linie auf die Schilderung der Flucht auslösenden, mit der ersten einwöchigen Inhaftierung des Beschwerdeführers im März 1995 einsetzenden Ereignisse konzentriert hätten. Dies steht nicht ohne weiteres in Widerspruch damit, dass die Beschwerdeführer im Empfangszentrum auch Festnahmen von kürzerer Dauer erwähnt haben, könnten sie

 

 


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sich doch mit diesen Aussagen durchaus auf kürzere Festnahmen nach 1995 bezogen haben. Anlässlich der einwöchigen Inhaftierung im März 1995 sei der Beschwerdeführer zudem erstmals gefoltert worden, während die kürzeren Inhaftierungen ab 1990 jeweils ohne weitere Folgen geblieben seien, wobei in diesem Zusammenhang anzufügen ist, dass die von ihm detailliert beschriebenen Folterungen glaubhaft sind, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich seine Beschreibungen grundsätzlich mit denen mutmasslicher Folteropfer aus Syrien decken (vgl. etwa EMARK 2004 Nr. 1, S. 2). Im Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass dem Beschwerdeführer gemäss eigenen Angaben im Jahre 1995 von den syrischen Behörden untersagt worden sei, sein Elektrikergeschäft weiter zu betreiben, weil er als so genannter Ajnabi dazu nicht berechtigt gewesen sei, was angesichts der zahlreichen Restriktionen, welchen die als staatenlos geltenden Kurden in Syrien ausgesetzt sind (vgl. dazu EMARK 2002 Nr. 23, Erw. 4d, S. 185 f.; Human Rights Watch/Middle East, Syria - The Silenced Kurds, Oktober 1996 [nachfolgend: HRW], S. 17; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Lagebericht Syrien, September 2001 [nachfolgend: SFH, Lagebericht], S. 110, und Update der Entwicklung September 2001 - Mai 2004 [nachfolgend: SFH, Update], S. 11; E. Savelsberg/S. Hajo [Europäisches Zentrum für Kurdische Studien der Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie], Die Situation staatenloser Kurden in Syrien, April 2004), ebenfalls glaubhaft erscheint. Vor diesem Hintergrund vermag es aber kaum zu erstaunen, dass der Beschwerdeführer im Empfangszentrum auf die Frage, wann seine „Probleme“ angefangen hätten, das Datum März 1995 nannte und nicht etwa das Jahr 1990, das in chronologischer Reihenfolge dem Zeitpunkt der ersten von ihm geltend gemachten Festnahme entspricht.

Zum anderen kann darin, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch die Beschwerdeführerin gemäss dem Protokoll der jeweiligen Empfangszentrums-Befragung erklärt haben sollen, der Beschwerdeführer sei „einmal“ eine Woche lang inhaftiert gewesen, kein unauflöslicher Widerspruch zu den Aussagen bei der kantonalen Anhörung erblickt werden. Die entsprechenden Aussagen bei der Befragung im Empfangszentrum lassen sich nämlich nicht nur im Sinne einer abschliessenden Aufzählung sämtlicher Inhaftierungen des Beschwerdeführers verstehen. Vielmehr ist es unter Berücksichtigung des Kontexts, in welchem diese Aussagen gemacht wurden, keineswegs abwegig anzunehmen, dass die Beschwerdeführer damit einzig zum Ausdruck bringen wollten, dass es neben Festnahmen von kürzerer Dauer auch zu längeren Inhaftierungen gekommen sei. Diese Annahme rechtfertigt sich umso mehr, als dem Protokoll der Empfangszentrums-Befragung in keiner Weise zu entnehmen ist, dass die Beschwerdeführer etwa ausdrücklich nach der genauen Anzahl der einwöchigen Inhaftierungen des Beschwerdeführers gefragt worden wären. Im Übrigen ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Empfangszentrum auf entsprechende Frage hin von


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insgesamt fünf Inhaftierungen sprach und bei der kantonalen Anhörung - noch ohne jeden Hinweis auf allfällige Widersprüche - angab, er sei insgesamt fünfmal eine Woche lang und daneben mehrmals für kurze Dauer inhaftiert gewesen.

6.2.2. Bei einer differenzierten Betrachtung ist im Weiteren festzustellen, dass sich die Ausführungen, mit denen der Beschwerdeführer geltend gemacht hat, er sei mehrmals im Zusammenhang mit den Newroz-Feierlichkeiten verhaftet worden, durchaus in den Kontext der lokalen Ereignisse in seiner Heimatgegend einordnen lassen. So ist allgemein bekannt, dass das kurdische Neujahrsfest Newroz, das jährlich am 21. März begangen wird, wiederholt Gegenstand gewaltsamer Auseinandersetzungen mit den syrischen Behörden gewesen ist (vgl. International Crisis Group [ICG], Syria Under Bashar [II], Domestic Policy Challenges, ICG Middle East Report N°24, Amman, 11.2.2004, S. 18; SFH, Lagebericht, S. 110), wobei mit Blick auf die Vorbringen des Beschwerdeführers von besonderem Interesse ist, dass die Behörden die Durchführung des Newroz-Festes im Jahre 1995 verboten und in der Folge über 70 kurdische Personen verhafteten (vgl. Amnesty International, Asyl-Gutachten für das Verwaltungsgericht Berlin v. 14.6.1999 [nachfolgend: AI, Gutachten]; Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 7.4.2004). Im Übrigen sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass die Vorinstanz die eindeutigen politischen Konnotationen des kurdischen Newroz-Festes (vgl. dazu statt vieler etwa HRW, S. 29 f., AI, Gutachten) offensichtlich ausser Acht lässt, wenn sie im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich festhält, den vom Beschwerdeführer eingereichten Beweismitteln sei zu entnehmen, dass er an „kulturellen Veranstaltungen“ das Wort ergriffen habe.

6.3. Soweit die Vorinstanz die Vorbringen des Beschwerdeführers als mit der „allgemeinen Erfahrung oder der Logik des Handelns“ nicht vereinbar erachtet, da vor dem Hintergrund des „bekanntermassen brutalen Vorgehens“ der syrischen Sicherheitskräfte „weiter gehende Massnahmen“ gegen ihn zu erwarten gewesen wären, die jedoch ausgeblieben seien, so ist zunächst erneut festzuhalten, dass der Beschwerdeführer realistisch geschildert hat, bei Inhaftierungen von längerer Dauer jeweils auch gefoltert worden zu sein (vgl. vorne, Erw. 6.2.1.), womit sich die Vorinstanz aber im angefochtenen Entscheid in keiner erkennbaren Weise auseinandersetzt, werden doch die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Folterungen nicht einmal bei der Zusammenfassung des rechtserheblichen Sachverhalts erwähnt. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass es angesichts der Menschenrechtssituation in Syrien, die nach wie vor gekennzeichnet ist durch Willkür, Repression und Abschreckung - geprägt vom rechtsstaatlich nicht kontrollierten Wirken der mit umfassenden Sondervollmachten ausgestatteten Sicherheits- und Geheimdienste - ohnehin nicht ange-


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zeigt erscheint, die Glaubhaftigkeit eines geltend gemachten Behördenverhaltens einseitig vom Vorliegen nachvollziehbarer Motive abhängig zu machen (vgl. EMARK 2004 Nr. 1, Erw. 5b/cc, S. 7).

6.4. Erwähnt sei schliesslich, dass zwischen den Ausführungen des Beschwerdeführers und denjenigen der Beschwerdeführerin keine gravierenden Differenzen bestehen, was ebenfalls für die Glaubhaftigkeit ihrer Vorbringen spricht.

6.5. Bei einer Gesamtwürdigung sämtlicher Aspekte, die in tatsächlicher Hinsicht für beziehungsweise gegen die Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdeführer sprechen, ist damit insgesamt festzuhalten, dass ihre Vorbringen zwar durchaus zu gewissen Zweifeln Anlass geben, aber in den wesentlichen Punkten dennoch überwiegend für wahr zu halten und damit - entgegen der Einschätzung der Vorinstanz - als glaubhaft im Sinne von Art. 7 AsylG zu erachten sind. Daher ist nachfolgend von dem von den Beschwerdeführern zur Begründung ihres Asylgesuchs geschilderten Sachverhalt auszugehen und gestützt darauf zu prüfen, ob sie die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 3 AsylG erfüllen. Entsprechend erübrigen sich weitere Sachverhaltsabklärungen, so insbesondere auch eine von den Beschwerdeführern beantragte Einvernahme von A.O. als Zeugen; bei dieser Sachlage braucht schliesslich auch nicht näher auf die Ausführungen in der Beschwerdeschrift eingegangen zu werden, mit welchen Übersetzungsmängel bei den jeweiligen Befragungen gerügt worden sind.

7.

7.1. Nach Lehre und Rechtsprechung erfüllt eine asylsuchende Person die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG, wenn sie Nachteile von bestimmter Intensität erlitten hat beziehungsweise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft berechtigterweise befürchten muss, welche ihr gezielt und aufgrund bestimmter, in Art. 3 Abs. 1 AsylG aufgezählter Verfolgungsmotive durch Organe des Heimat- oder Herkunftsstaats zugefügt worden sind beziehungsweise zugefügt zu werden drohen. Begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 AsylG liegt vor, wenn konkreter Anlass zur Annahme besteht, letztere hätte sich - aus der Sicht im Zeitpunkt der Ausreise - mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zeit verwirklicht beziehungsweise werde sich - auch aus heutiger Sicht - mit ebensolcher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft verwirklichen. Eine bloss entfernte Möglichkeit künftiger Verfolgung genügt nicht; es müssen konkrete Indizien vorliegen, welche den Eintritt der erwarteten - und aus einem der vom Gesetz aufgezählten Motive erfolgenden - Benachteiligung als wahrscheinlich und - dementsprechend - die Furcht davor als realistisch und nachvollziehbar erscheinen lassen. Massgeblich kann indessen nicht allein sein, was ein vernünftig denkender, besonnener Mensch angesichts geschehener oder drohender Verfolgungshand-


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lungen zu Recht empfunden hätte. Vielmehr ist diese rein objektive Betrachtungsweise zusätzlich durch das von der betroffenen Person selbst bereits Erlebte und das Wissen um Konsequenzen in vergleichbaren Fällen zu ergänzen. Dabei hat eine Person, die bereits früher staatlicher Verfolgung ausgesetzt war, objektive Gründe für eine ausgeprägtere Furcht, selbst wenn die frühere Verfolgung für sich allein mangels der erforderlichen Intensität keine flüchtlingsrechtliche Relevanz aufweisen sollte (vgl. EMARK 1993 Nr. 11, Erw. 4c, S. 71 f.; Nr. 21, Erw. 3, S. 138; 2004 Nr. 1, Erw. 6a, S. 9; W. Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, Basel/Frankfurt a.M. 1990, S. 143 ff., A. Achermann/Ch. Hausmann, Handbuch des Asylrechts, Bern/Stuttgart 1991, S. 107 ff.). Die erlittene Verfolgung beziehungsweise die begründete Furcht vor künftiger Verfolgung muss zudem sachlich und zeitlich kausal für die Ausreise aus dem Heimat- oder Herkunftsstaat (vgl. EMARK 1996 Nr. 29, Erw. 2b, S. 277) und grundsätzlich auch im Zeitpunkt des Asylentscheids noch aktuell sein (vgl. EMARK 1995 Nr. 5, Erw. 6a, S. 43). Im Übrigen muss feststehen, dass die von einer Verfolgung bedrohte asylsuchende Person über keine innerstaatliche Fluchtalternative verfügt (vgl. EMARK 1996 Nr. 1).

7.2.1. Die Yekiti-Partei entstand 1993 durch Fusion dreier kurdischer Parteien. Trotz ihres offiziell illegalen Charakters und der in ihrem Parteiprogramm enthaltenen Forderungen - wie etwa nach Aufhebung der Notstandsgesetzgebung oder Beendigung der Menschenrechtsverletzungen - wurde sie von der syrischen Regierung in den letzten Jahren, wie andere kurdische Parteien auch, in der Praxis toleriert, soweit sie nicht durch als subversiv oder gar sezessionistisch betrachtete Aktivitäten auffiel. Allerdings ist seit Ende 2002 - angesichts der sich immer stärker abzeichnenden Autonomie der nordirakischen Kurden im Zuge der Kriegsereignisse im Irak - zu beobachten, dass die kurdischen Parteien und damit auch die Yekiti-Partei ihre Anliegen mutiger und offener vortragen, was vermehrt repressive Massnahmen des syrischen Staates nach sich gezogen hat, so etwa anlässlich der von der Yekiti-Partei am 10. Dezember 2002 beziehungsweise 25. Juni 2003 in Damaskus organisierten Demonstrationen, die jeweils zur Verhaftung mehrerer Aktivisten der Partei führten, und zuletzt bei der gewaltsamen Unterdrückung der kurdischen Unruhen im März 2004, in deren Verlauf landesweit Hunderte von Personen - gemäss kurdischen Quellen mehrheitlich staatenlose Kurden - verhaftet wurden, die zum Teil heute noch in Haft sind (vgl. im Einzelnen Amnesty International, Sektion Bundesrepublik Deutschland, Jahresbericht Syrien 2004; G.C. Gambill, The Kurdish Reawakening in Syria, Middle East Intelligence Bulletin, Vol. 6 N° 4, April 2004; Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 7.4.2004; ICG, S. 18 f., Fn 149; Savelsberg/ Hajo, Gutachten für das Verwaltungsgericht Magdeburg v. 28.3.2004). Im Juni 2004 soll die syrische Staatsführung - laut Angaben kurdischer Aktivisten in Syrien - den Parteien der syrischen Kurden jede weitere Aktivität untersagt haben (vgl. die Mitteilung


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von Agence France Presse v. 3.6.2004; Neue Zürcher Zeitung v. 5.6.2004). Inwiefern sich durch ein solches Verbot die Situation für die kurdischen Parteien künftig verändern könnte, lässt sich zum heutigen Zeitpunkt nicht vorhersagen, braucht allerdings vorliegend auch nicht näher geprüft zu werden. Denn bereits vor diesem neusten Verbot wurde die Yekiti-Partei durch den - in allen illegalen Parteien infiltrierten - syrischen Geheim- und Sicherheitsdienst streng überwacht, wobei die Sicherheitsbehörden weniger die Partei als solche beobachteten als vielmehr bestimmte Personen beziehungsweise Aktivitäten. Obwohl also bisher weiterhin keine systematische Verfolgung von Mitgliedern der Yekiti-Partei allein wegen ihrer Parteimitgliedschaft festzustellen ist, mussten und müssen aktive Mitglieder der Partei mit Verhaftungen und längeren Inhaftierungen rechnen, dies selbstverständlich umso mehr, wenn sie bereits in der Vergangenheit wegen ihrer politischen Aktivitäten von den syrischen Behörden belangt wurden.

7.2.2. Der Beschwerdeführer war in Syrien Mitglied der Yekiti-Partei und stand an der Spitze eines regionalen Parteikomitees; in dieser Funktion war er verantwortlich für die Durchführung verschiedener Aktivitäten der Partei; er wurde zwischen 1990 und seiner Ausreise Anfang 2000 mehrmals von den syrischen Sicherheitskräften verhaftet, unter Folterungen über die Partei und deren Mitglieder befragt und jeweils bis zu einer Woche lang festgehalten. Obwohl es dabei nie zu einem gerichtlichen Verfahren kam, ist ohne weiteres davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer von den syrischen Geheimdiensten als politischer Aktivist erfasst ist, weshalb begründeter Anlass zur Annahme besteht, dass er bei einer Rückkehr nach Syrien erneut mit einer Verhaftung sowie mit Verhören und einer damit verbundenen menschenrechtswidrigen Behandlung zu rechnen hätte. Hinzu kommt, dass ihm als Ajnabi die - politisch ohnehin unerwünschte - Wiedereinreise rechtlich verwehrt ist (vgl. im Einzelnen ASYL 2003/2, S. 18, zum nicht publizierten Urteil der ARK v. 2.10.2002 i.S. B.A.; vgl. in diesem Sinne auch die deutsche Asylpraxis: statt vieler Niedersächs. OVG, Urteile v. 27.3.2001 [2 L 2505/98] und 22.6.2004 [2 L 6129/96], und BVerwG, Urteil vom 10.7.2003 [1 C 21.02]) und er während seiner nunmehr beinahe fünfjährigen Abwesenheit von Syrien seine oppositionelle Tätigkeit in der Schweiz in verstärktem Masse fortgesetzt hat. Entsprechend ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bereits beim Versuch einer Wiedereinreise einem eingehenden Verhör durch die syrischen Sicherheitskräfte unterzogen würde, zumal ganz allgemein das Misstrauen der syrischen Behörden gegenüber der kurdischen Minderheit - und insbesondere der Gruppe der staatenlosen Kurden - seit den Unruhen im März 2004 insgesamt noch zugenommen hat. Damit ist die Furcht des Beschwerdeführers, bei einer Rückkehr nach Syrien als aktives Mitglied der Yekiti-Partei weiteren flüchtlingsrechtlich erheblichen Benachteiligungen ausgesetzt zu sein, als begründet im Sinne von Art. 3 Abs. 1 AsylG zu er-


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achten. Im Übrigen ist angesichts der weit reichenden Vollmachten und des Wirkungsfeldes der zahlreichen syrischen Sicherheits- und Geheimdienste auszuschliessen, dass er an einem Ort innerhalb der Landesgrenzen Syriens vor Verfolgung sicher wäre, so dass ihm - ungeachtet der Frage, ob ihm als Ajnabi eine Rückkehr nach Syrien überhaupt möglich wäre - keine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht (vgl. in diesem Sinne EMARK 2004 Nr. 1, Erw. 6b, S. 10).

7.3. Demnach ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG erfüllt. Da im Übrigen den Akten nichts zu entnehmen ist, das Anhaltspunkte für die Annahme allfälliger Asylausschlussgründe liefern würde, ist die Beschwerde im Asylpunkt gutzuheissen. Die Verfügung des Bundesamtes vom 24. Mai 2000 ist damit aufzuheben, und das BFM ist anzuweisen, dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren.

8. Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin grundsätzlich in die soeben festgestellte Flüchtlingseigenschaft ihres Ehemannes einzubeziehen wäre (Art. 51 Abs. 1 AsylG), erfüllt sie bereits auch aufgrund ihrer eigenen Asylgründe selbstständig die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG. So müssen nahe Angehörige besonders verdächtigter Personen, die sich ins Ausland abgesetzt haben oder anderweitig untergetaucht sind, zumindest intensive Befragungen durch den syrischen Geheimdienst befürchten, wobei in neuerer Zeit auch Beispiele sippenhaftartiger Verfolgungsmassnahmen zu verzeichnen sind (vgl. Stellungnahmen des Deutschen Auswärtigen Amtes an VG Schleswig v. 10.11.2004 bzw. 17.8.2004; SFH, Landesbericht, S. 107; SFH, Update, S. 6 m.w.H.). Gestützt auf die glaubhaften Vorbringen der Beschwerdeführerin ist es als erstellt zu betrachten, dass die syrischen Sicherheitskräfte sie bereits vor ihrer Ausreise im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen ihren Ehemann mehrmals belästigt haben, wobei sie ihr auch mit ihrer eigenen Verhaftung gedroht haben für den Fall, dass ihr Ehemann seine politischen Aktivitäten nicht aufgeben sollte. Dies führt zur Annahme, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Syrien mit der konkreten Gefahr rechnen müsste, im Sinne einer Reflexverfolgung (vgl. EMARK 1994 Nr. 5, Erw. 3h und i, S. 47 ff.; Nr. 17, Erw. 3c, S. 136 f.) einschneidenden Repressalien durch die syrischen Sicherheitskräfte ausgesetzt zu sein, was ihre Furcht davor denn auch begründet erscheinen lässt. […]

 

 

 

 

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