indexEMARK - JICRA - GICRA  1999 / 23
  


next1999 / 23 - 143

Auszug aus dem Urteil der ARK vom 7. Juli 1999 i.S. T.A., Georgien

[English Summary]

Art. 19 [neu: Art. 42] Abs. 2 Bst. b AsylG [1]: Vorsorgliche Wegweisung; Bedeutung der Zusicherung der Rückübernahme gemäss bilateralem Rückübernahmeabkommen; Abweichen von der 20-Tage-Regel (vgl. EMARK 1998 Nr. 24, 1994 Nr. 12).

1. Die Zusicherung des Vertragsstaats zur Rückübernahme des Asylbewerbers bedeutet nur, dass die Wegweisung gemäss Art. 19 Abs. 2 AsylG i.V.m. Art. 14a Abs. 2 ANAG möglich ist. Sie entbindet die Asylbehörden nicht davon zu prüfen, ob auch die weiteren Voraussetzungen von Art. 19 Abs. 2 AsylG, die Zulässigkeit und namentlich auch die Zumutbarkeit des Vollzuges der vorsorglichen Wegweisung, gegeben sind (Erw. 3c.aa).

2. Abweichen von der 20-Tage-Regel nach unten; die Kontaktnahme mit den Behörden des Drittstaates zwecks Einreichung eines Asylgesuches rechtfertigt die vorsorgliche Wegweisung selbst bei einem weniger als 20 Tage dauernden Aufenthalt im Drittstaat (Erw. 3c.bb).

Art. 19 [nouveau : art. 42] al. 2, let. b LAsi [2], renvoi préventif ; signification de la garantie de reprise, selon les accords de réadmission conclus avec des pays tiers ; dérogation à la règle des 20 jours (cf. JICRA 1998 no 24, 1994 no 12).

1. La garantie offerte par un Etat partie à un accord de réadmission de reprendre un demandeur d’asile sur son territoire signifie seulement qu’un renvoi est possible au sens de l’art. 19, al. 2 LAsi, en rapport avec l’art. 14a, al. 2 LSEE. Cette garantie ne dispense pas les autorités d’asile d’examiner si les autres conditions de l’art. 19, al. 2 LAsi, à 


[1]  Anm. der Red.: Bei vor dem 1. Oktober 1999 ergangenen Entscheiden werden die Gesetzesartikel des AsylG vom 5. Oktober 1979 zitiert. Zum Gesetzestext vgl. die Fussnote zu Art. 120 (Schlussbestimmungen) des AsylG vom 26. Juni 1998 (SR 142.31).

[2]  N.d.l.r. : s’agissant des décisions d’avant le 1er octobre 1999, ce sont les articles de la LAsi du 5 octobre 1979 qui sont cités. Pour le texte légal, on se référera à la note marginale de l'art. 120 (dispositions finales) LAsi du 26 juin 1998 (RS 142.31).


nextprevioustop  1999 / 23 - 144

savoir la licéité et l’exigibilité de l’exécution du renvoi, sont remplies (consid. 3c.aa).

2. Dérogation à la règle des 20 jours (durée du séjour plus court) ; la prise de contact avec les autorités d’un Etat tiers aux fins de déposer une demande d’asile justifie un renvoi préventif vers cet Etat, même lorsque le requérant y a séjourné moins de 20 jours (consid. 3c bb).

Art. 19 [nuovo: art. 42] cpv. 2 lett. b LAsi [3]: rinvio preventivo; significato della garanzia di riaccettazione secondo gli accordi bilaterali; deroga alla regola dei 20 giorni (cfr. GICRA 1998 n. 24, 1994 n. 12).

1. La garanzia di riaccettazione data da un Paese contraente significa esclusivamente che il rinvio del richiedente l’asilo verso tale Paese è possibile ai sensi dell’art. 19 cpv. 2 LAsi in relazione all’art. 14a cpv. 2 LDDS. Siffatta garanzia non dispensa l’autorità giudicante dall’esaminare se le altre condizioni di cui all’art. 19 cpv. 2 LAsi, liceità e esigibilità dell’esecuzione dell’allontanamento, siano adempite (consid. 3c.aa).

2. Deroga alla regola dei 20 giorni (durata più breve del soggiorno); la presa di contatto con le autorità di un Paese terzo, alfine di deporre una domanda d’asilo, giustifica un rinvio preventivo verso tale Stato pure allorquando il richiedente l’asilo vi ha soggiornato meno di 20 giorni (consid. 3c.bb).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Der Beschwerdeführer reiste mit seiner Familie am 22. Juli 1998 von Deutschland her kommend in die Schweiz ein. Hier stellten er und seine Ehefrau für sich und die Kinder Asylgesuche. Das BFF veranlasste daraufhin am 31. Juli 1998 daktyloskopische Abklärungen bei den deutschen Behörden. Am 


[3]  Nota redazionale: per le sentenze rese prima del 1°ottobre 1999 sono citati gli articoli della LAsi del 5 ottobre 1979. Per il testo legale, va fatto riferimento alla nota marginale dell’art. 120 (disposizioni finali) LAsi del 26 giugno 1998 (RS 142.31).


nextprevioustop  1999 / 23 - 145

6. August 1998 fanden in Basel die separat durchgeführten Empfangsstellenbefragungen der Rekurrenten statt.

Am 30. September 1998 teilte das Bundesgrenzschutzamt Weil am Rhein dem BFF mit, der Beschwerdeführer sei in Deutschland unter den in der Schweiz angegebenen identischen Personalien erfasst. Er sei am 18. Juli 1998 eingereist, am 20. Juli 1998 in Schwalbach aufgetaucht und von dort zur Asylantragstellung nach Berlin weitergeleitet worden, wo er allerdings nie angekommen sei. Eine Rückübernahme lehnte das Bundesgrenzschutzamt zunächst ab.

Am 15. respektive 18. Dezember 1998 wurden der Beschwerdeführer und seine Ehefrau von der zuständigen kantonalen Behörde zu den Asylgründen angehört. Gleichzeitig wurde ihnen das rechtliche Gehör im Hinblick auf eine allfällige vorsorgliche Wegweisung nach Deutschland gestützt auf Art. 19 Abs. 2 AsylG gewährt. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau räumten dabei erstmals ein, dass sie sich vor der Einreise in die Schweiz in Deutschland aufgehalten und dort ein Asylgesuch einzureichen versucht hätten.

Das BFF liess daraufhin die deutschen Behörden anfragen, ob angesichts der Angaben der Beschwerdeführer zum Reiseweg eine Rückübernahme in Frage komme.

Am 24. März 1999 stimmte das Bundesgrenzschutzamt Weil am Rhein der Rückübernahme der Beschwerdeführer zu.

Mit Verfügung vom 25. März 1999 ordnete das BFF gestützt auf Art. 19 Abs. 2 AsylG die vorsorgliche Wegweisung des Beschwerdeführers und seiner Familie nach Deutschland an, erklärte diese als sofort vollstreckbar und beauftragte den Kanton Basel-Stadt mit dem Vollzug der Wegweisung. Einer allfälligen Beschwerde gegen die Verfügung entzog es zudem die aufschiebende Wirkung.

Mit Eingabe an die ARK vom 30. März 1999 ersuchte der Beschwerdeführer um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.

Mit Verfügung vom 31. März 1999 setzte der Instruktionsrichter den Vollzug der Wegweisung aus und teilte dem Beschwerdeführer mit, über das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sowie über allfällige weitere Instruktionsmassnahmen werde nach Eingang der in Aussicht gestellten Beschwerde befunden. Ferner machte er den Beschwerdeführer darauf auf-


nextprevioustop  1999 / 23 - 146

merksam, dass die in Aussicht gestellte Beschwerde die Begehren, deren Begründung sowie die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten habe, verbunden mit dem Hinweis, auf die Eingabe werde nicht eingetreten, falls sie diesen Anforderungen nicht genüge.

Nach Eintreffen der vorinstanzlichen Akten beliess der Instruktionsrichter mit Verfügung vom 12. April 1999 den Vollzug der Wegweisung einstweilen ausgesetzt. Zur Begründung hielt er fest, angesichts des bloss 4-tägigen Aufenthalts in Deutschland sei fraglich, ob der Vollzug der vorsorglichen Wegweisung nach Deutschland im Lichte der Praxis zu Art. 19 Abs. 2 AsylG als zumutbar erachtet werden könne.

Mit Verfügung vom 14. April 1999 hielt der Instruktionsrichter fest, die angekündigte, vom 8. April 1999 datierende Beschwerde sei unmittelbar nach Erlass der Verfügung vom 12. April 1999 eingetroffen, weshalb über das am 30. März 1999 eingereichte Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zu befinden sei. Mit identischer Begründung wie in der Verfügung vom 12. April 1999 hiess er daraufhin das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gut und stellte fest, dass der Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen den Ausgang des Beschwerdeverfahrens in der Schweiz abwarten können.

Das BFF beantragte in seiner Vernehmlassung vom 6. Mai 1999 die Abweisung der Beschwerde.

Die ARK weist die Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

3. Gemäss Art. 19 Abs. 2 AsylG kann der Gesuchsteller während des Verfahrens vorsorglich aus der Schweiz weggewiesen werden, wenn die Weiterreise in einen Drittstaat gemäss Art. 14a Abs. 2-4 ANAG möglich, zulässig und zumutbar ist.

Dabei ist zu beachten, dass gemäss Praxis der Vollzug der Wegweisung nur dann als unmöglich zu erachten ist, wenn im Zeitpunkt des Beschwerdeentscheides die freiwillige Rückkehr oder der zwangsweise Vollzug der Wegweisung seit mehr als einem Jahr unmöglich ist und dies auf unabsehbare Zeit so bleiben dürfte oder wenn absehbar ist, dass die künftige Phase des unmögli-


nextprevioustop  1999 / 23 - 147

chen Vollzuges mindestens ein Jahr dauern wird (vgl. EMARK 1995 Nr. 14, S. 137 ff. Erw. 8c-e). Die Zulässigkeit der vorsorglichen Wegweisung in einen Drittstaat setzt ferner in der Regel voraus, dass der Betroffene im Drittstaat die Möglichkeit eines mehr als nur vorübergehenden Verbleibs hat, das heisst über hinreichende Garantien verfügt, dass er sich dort für die voraussichtliche Dauer des in der Schweiz angehobenen Asylverfahrens legal aufhalten kann (vgl. EMARK 1998 Nr. 24, S. 214 ff. Erw. 5d.aa und bb). Schliesslich gilt der Vollzug der Wegweisung in einen Drittstaat namentlich dann als zumutbar, wenn dieser Staat vertraglich für die Behandlung des Asylgesuches zuständig ist (Art. 19 Abs. 2 Bst. a AsylG), wenn sich der Gesuchsteller vor seiner Einreise in die Schweiz einige Zeit dort aufgehalten hat (Art. 19 Abs. 2 Bst. b AsylG) oder wenn dort nahe Angehörige oder andere Personen leben, zu denen der Gesuchsteller enge Beziehungen hat (Art. 19 Abs. 2 Bst. c AsylG).

a) Die deutschen Behörden haben gemäss Bestätigung des Grenzschutzamtes Weil am Rhein vom 24. März 1999 gestützt auf Art. 2 des Abkommens zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt vom 20. Dezember 1993 (Rückübernahmeabkommen; SR 0.142.111.368) der Rückübernahme des Beschwerdeführers und seiner Familie zugestimmt. Der Vollzug der Wegweisung nach Deutschland ist demnach möglich.

b) Aus den Akten und den Ausführungen des Beschwerdeführers ergeben sich sodann keine Anhaltspunkte, aufgrund derer zu schliessen wäre, dass der Beschwerdeführer oder seine Familienangehörigen im Falle der vorsorglichen Wegweisung nach Deutschland einer nach Art. 3 EMRK verbotenen Strafe oder unmenschlicher Behandlung ausgesetzt wären oder ihnen Nachteile im Sinne von Art. 3 Abs. 1 AsylG drohen würden. Deutschland hat sowohl die FK als auch die EMRK unterzeichnet und beachtet diese völkerrechtlichen Verpflichtungen ebenso wie die Schweiz. Es besteht somit hinreichende Gewähr, dass der Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen von Deutschland nicht zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem sie verfolgt oder unmenschlicher Behandlung ausgesetzt würden, falls sie dies gegenüber den deutschen Behörden geltend machen. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass sich der Beschwerdeführer mit seiner Familie in Deutschland für die mutmassliche Dauer des Asylverfahrens in der Schweiz aufhalten kann. Das BFF hat in der angefochtenen Verfügung ferner zu Recht festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer an die deutschen Behörden wenden kann, falls er oder seine Angehörigen dort von georgischen Landsleuten 


nextprevioustop  1999 / 23 - 148

bedroht werden sollten. Der Vollzug der Wegweisung nach Deutschland ist demnach als zulässig zu erachten.

c) Die ARK hat in EMARK 1994 Nr. 12, S. 106 ff. Erw. 3c, darauf hingewiesen, dass die in Art. 19 Abs. 2 Bst. a-c AsylG aufgeführten Kriterien der Zumutbarkeit des vorsorglichen Wegweisungsvollzuges nicht abschliessend sind. In jenem Urteil wurde ferner festgestellt, dass das Kriterium des vorherigen Aufenthaltes während "einiger Zeit" im Drittstaat sowohl bei Anwendung von Art. 6 als auch von Art. 19 Abs. 2 Bst b AsylG gleichermassen als "in der Regel 20 Tage" aufzufassen ist. Dies gilt gemäss EMARK 1995 Nr. 3, S. 24 ff., Erw. 8 (bestätigt in EMARK 1997 Nr. 16) ebenso für die analoge Bestimmung im Flughafenverfahren (Art. 13d Abs. 2 Bst. b AsylG). Gemäss Praxis ist diese "20-Tage-Regel" allerdings nicht unbesehen und starr anzuwenden; andere geeignete Elemente wie insbesondere Absichten sowie Handlungen des Ausländers, die auf den Verbleib in diesem Land beziehungsweise auf schnelle Durchreise gerichtet sind, können ein Abweichen von dieser Regel nach unten und nach oben rechtfertigen (vgl. EMARK 1998 Nr. 24, S. 211). Entscheidend ist, dass nicht nur eine sehr lose Verbindung zu diesem Drittstaat, sondern "eine von gewisser Qualität" entstanden ist (vgl. EMARK 1994 Nr. 12, S. 106 f. Erw. 3c).

aa) Vorliegend hat das BFF in der angefochtenen Verfügung festgehalten, der Vollzug der Wegweisung nach Deutschland sei zumutbar, allerdings ohne zu begründen, warum es zu dieser Auffassung gelangt ist. Auch in der Vernehmlassung vom 6. Mai 1999 begründet das BFF nicht, weshalb es den Vollzug der Wegweisung als zumutbar erachtet. Stattdessen führt es aus, beim vorliegend zur Anwendung gelangenden Rückübernahmeabkommen mit Deutschland handle es sich um einen Staatsvertrag. Das Bundesgericht habe sich in BGE 106 Ib 400 ff. grundsätzlich zum Vorrang des Völkerrechts bekannt. Daran werde bis heute festgehalten und Staatsverträgen in jedem Fall Vorrang eingeräumt. Auch die herrschende Lehre befürworte den Vorrang des Völkerrechts gegenüber Bundesgesetzen. Daraus folge, dass das Rückübernahmeabkommen als Staatsvertrag Vorrang gegenüber dem Asylgesetz und logischerweise auch gegenüber der dazu entwickelten Rechtsprechung habe. Es sei weder im Rückübernahmeabkommen noch im Protokoll dazu eine Bestimmung zu finden, welche als Kriterium einen Aufenthalt von 20 Tagen vorgebe. Es besage unter anderem lediglich, dass bei einer glaubhaft gemachten Direkteinreise die gegenseitige Verpflichtung zur Rückübernahme bestehe. Hätte der Bundesrat diese 20-Tage-Regel gewollt, hätte er sie im Protokoll zum Rückübernahmeabkommen festgehalten.


nextprevioustop  1999 / 23 - 149

Das BFF stellt damit die eben skizzierte Praxis der ARK zur Zumutbarkeit der vorsorglichen Wegweisung gemäss Art. 19 Abs. 2 AsylG in Frage, ohne allerdings mit seiner Argumentation zu überzeugen. Richtig ist zwar, dass gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung Staatsverträge gegenüber Bundesgesetzen Vorrang haben (vgl. BGE 123 II 283 Erw. 2d, 122 II 486 f., 122 II 239). Das BFF übersieht jedoch, dass sich die Frage nach dem Vorrang eines Staatsvertrages nur stellt, wenn der Staatsvertrag eine von einem Bundesgesetz abweichende Regelung einer bestimmte Materie enthält und dadurch bedingt ein Konflikt zwischen Staatsvertrag und Bundesgesetz entsteht. Im Verhältnis zwischen dem Rückführungsabkommen mit Deutschland und Art. 19 Abs. 2 AsylG ist dies indes nicht der Fall. Das Rückführungsabkommen legt in den hier interessierenden Art. 2 und 3 lediglich fest, in welchen Fällen Deutschland und die Schweiz gegenseitig verpflichtet sind, Ausländer aus Drittstaaten zu übernehmen, die sich ohne Bewilligung im jeweils anderen Staat aufhalten. Es regelt damit spezifisch fremdenpolizeirechtliche Sachverhalte im bilateralen Verhältnis mit Deutschland, allerdings ohne dabei in die innerstaatliche Gesetzgebung der Schweiz (oder Deutschlands) bezüglich Abschiebung von Ausländern einzugreifen (vgl. dazu auch EMARK 1998 Nr. 24, S. 217 f. 5d.cc). Es bleibt mithin dem jeweiligen nationalen Gesetzgeber überlassen, im innerstaatlichen Recht zu regeln, unter welchen Voraussetzungen Ausländer abgeschoben werden sollen beziehungsweise können. Die vorsorgliche Wegweisung während des Asylverfahrens gemäss Art. 19 Abs. 2 AsylG wird demnach durch das Rückführungsabkommen in keiner Weise berührt oder gar modifiziert. Ist Deutschland aufgrund des Rückführungsabkommen zur Übernahme verpflichtet und stimmt es der Rückübernahme im konkreten Fall tatsächlich zu, bedeutet dies mithin nur, dass die Wegweisung des Asylbewerbers gemäss Art. 19 Abs. 2 AsylG i.V.m. Art. 14a Abs. 2 ANAG möglich ist. Die Zusicherung der Rückübernahme entbindet die Asylbehörden aber keineswegs davon, zu prüfen, ob auch die weiteren Voraussetzungen von Art. 19 Abs. 2 AsylG, die Zulässigkeit und namentlich auch die Zumutbarkeit des Vollzuges der vorsorglichen Wegweisung, gegeben sind.

bb) Mangels überzeugender Begründung durch das BFF ist demnach auf Beschwerdeebene zu prüfen, ob die angeordnete vorsorgliche Wegweisung nach Deutschland im Lichte der dargestellten Praxis (vgl. oben Erw. 3c) als zumutbar erachtet werden kann.

Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau haben anlässlich der Anhörung vom 15. Dezember 1998 beziehungsweise vom 18. Dezember 1998 erklärt, dass sie zunächst in Deutschland ein Asylgesuch einzureichen versucht hätten. Im Be-


previoustop  1999 / 23 - 150

richt des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 30. September 1998 wird dies bestätigt - der Beschwerdeführer ist am 20. Juli 1998 in Schwalbach aufgetaucht und er wurde dort zur Asylantragstellung nach Berlin weitergeleitet. Der Beschwerdeführer und seine Familie haben Deutschland demnach nicht bloss als Transitland benutzt, um in die Schweiz zu gelangen. Offenbar sind sie vielmehr nach Deutschland gereist in der Absicht, dort ein Asylgesuch zu stellen. Zur Einreichung eines formellen Asylantrages kam es zwar letztlich nicht, nachdem es sich der Beschwerdeführer kurzfristig anders überlegt hat und mit seiner Familie statt nach Berlin zur Asylantragstellung in die Schweiz weitergereist ist - angeblich deshalb, weil er die Weiterreise in die Schweiz bevorzugte, nachdem er im Bahnhof Frankfurt zufällig auf zwei georgische Parlamentarier gestossen sei. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Beschwerdeführer bereits kurz nach seinem Eintreffen in Deutschland entsprechend seiner Absicht mit den deutschen Behörden zwecks Einreichung eines Asylgesuches in Kontakt getreten ist. Auch wenn er und seine Familie sich letztlich nur gerade 4 Tage in Deutschland aufgehalten haben, hat er damit bereits eine Beziehung zu Deutschland geknüpft, die nicht bloss zufälliger Art ist. Ein Abweichen von der 20-Tage-Regel nach unten erscheint daher gerechtfertigt. Im Weiteren ist nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer und seine Familie im Falle einer vorsorglichen Wegweisung nach Deutschland in eine existenzbedrohende Situation im Sinne von Art. 14a Abs. 4 ANAG gelangen könnten. An dieser Einschätzung vermag auch das eingereichte ärztliche Zeugnis vom 7. April 1999 nichts zu ändern, in dem den Beschwerdeführern attestiert wird, dass sie an psychischen Problemen leiden, denn es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass eine allenfalls weiterhin notwendige Behandlung der Beschwerdeführer auch in Deutschland gewährleistet wäre. Die vom BFF angeordnete vorsorgliche Wegweisung nach Deutschland ist demnach im Ergebnis als zumutbar zu erachten.

topprevious


© 04.06.02