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Auszug aus dem Urteil der ARK vom 21. November 2001 i.S. E. K., Türkei

Art. 53 AsylG: Frage der Asylunwürdigkeit wegen PKK-Aktivitäten.

1. Asylunwürdigkeit nach Art. 53 AsylG kann - im Unterschied zum Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 1 F Bst. b FK - nicht nur wegen gemeinrechtlicher, sondern grundsätzlich auch wegen politischer Delikte angenommen werden (Erw. 7b).

2. Die PKK-Mitgliedschaft für sich allein stellt keine verwerfliche Handlung im Sinne von Art. 53 AsylG dar. Vielmehr ist der individuelle Tatbeitrag, gemessen an der Schwere der Tat, Anteil am Tatentscheid, Motiv und allfälligen Rechtfertigungs- und Schuldminderungsgründen differenziert zu beurteilen (Erw. 7c).

3. Im konkreten Fall erscheint ein Asylausschluss der Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihren Tatbeitrag unverhältnismässig, währenddem ihr Ehemann in Anwendung der erwähnten Kriterien als asylunwürdig im Sinne von Art. 53 AsylG erachtet wird (Erw. 7d).

Art. 53 LAsi : indignité en raison d'activités en faveur du PKK.

1. A la différence de l'exclusion de la qualité de réfugié prévue par l'art. 1 F let. b de la Conv., l'indignité fondée sur l'art. 53 LAsi prend en considération non seulement les délits de droit commun mais aussi les délits à caractère politique (consid. 7b).

2. Le seul fait d'être membre du PKK ne doit pas être considéré comme constitutif d'un acte répréhensible au sens de l'art. 53 LAsi. Il faut plutôt apprécier, de manière nuancée, la contribution individuelle à une action donnée, en tenant compte de la gravité de l'acte commis, de la participation à la prise de décision, des motifs et des éventuelles justifications ou circonstances atténuantes qui ont entouré cet acte (consid. 7c).

3. En l'espèce, l'exclusion de l'asile de la recourante apparaît disproportionnée eu égard à son action militante limitée. En revanche, en application des critères énoncés sous chiffre 2, son mari doit être considéré comme indigne de l'asile au sens de l'art. 53 LAsi (consid. 7d).


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Art. 53 LAsi: questione dell'indegnità a causa d'attività svolte a favore del PKK.

1. Diversamente dall'art. 1 F lett. b della Conv., l'art. 53 LAsi prevede l'esclusione dalla concessione dell'asilo anche in caso di commissione di delitti politici e non solo in caso di perpetrazione di delitti di diritto comune (consid. 7b).

2. La sola qualità di membro del PKK non costituisce un'azione riprensibile ai sensi dell'art. 53 LAsi. Va tenuto conto del contributo individuale, della gravità dell'atto, della partecipazione alla pianificazione, dei motivi e d'eventuali giustificazioni o circostanze attenuanti (consid. 7c).

3. Nel caso di specie, un'esclusione della ricorrente dalla concessione dell'asilo, alla luce della portata limitata dei suoi atti, sarebbe contraria al principio della proporzionalità. Per contro, e in applicazione dei criteri menzionati alla cifra due, il marito appare essere indegno dell'asilo ai sensi dell'art. 53 LAsi (consid. 7d).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Mit Verfügung vom 18. Juli 2000 stellte das BFF fest, die Beschwerdeführer erfüllten die Flüchtlingseigenschaft, verweigerte diesen jedoch wegen Asylunwürdigkeit gemäss Art. 53 AsylG die Asylgewährung.

Mit Beschwerde vom 17. August 2000 beantragten die Beschwerdeführer, es sei ihnen Asyl zu gewähren.

In seiner Vernehmlassung vom 3. Oktober 2000 beantragte das BFF die Abweisung der Beschwerde, während die Beschwerdeführer mit Replik vom 27. Oktober 2000 an ihren Anträgen festhielten.

Die ARK weist die Beschwerde bezüglich des Beschwerdeführers ab und heisst sie bezüglich der Beschwerdeführerin gut.

Aus den Erwägungen:

4. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz grundsätzlich Flüchtlingen Asyl (Art. 3 AsylG). Flüchtlingen wird kein Asyl gewährt, wenn sie wegen ver-


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werflicher Handlungen dessen unwürdig sind oder wenn sie die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz verletzt haben oder gefährden (Art. 53 AsylG).

5. a) Die Vorinstanz führte in ihrer Verfügung aus, als verwerfliche Handlungen im Sinne von Art. 53 AsylG gälten auch Handlungen, die im Ausland begangen worden seien. Grundsätzlich könne bereits die Zugehörigkeit zu einer erwiesenermassen mit gewalttätigen Mitteln agierenden Organisation eine verwerfliche Handlung in diesem Sinne darstellen. Als verwerfliche Handlung würden im Allgemeinen die nach Art. 9 StGB mit Zuchthaus bedrohten Straftaten angesehen. Die PKK sei als terroristische Organisation und daher als nicht legitim zu betrachten. Es handle sich bei ihr um eine Organisation, welche die Anwendung von Gewalt zur Erreichung ihrer Ziele in ihrem politischen Programm habe und in diesem Zusammenhang nicht davor zurückschrecke, bei Anschlägen jederzeit den Tod unschuldiger Zivilisten in Kauf zu nehmen.

Gemäss den Angaben des Beschwerdeführers stehe fest, dass er innerhalb der PKK jahrelang am bewaffneten Kampf teilgenommen habe. Er habe zudem eine - wenn auch nicht sehr hohe - Führungsposition bekleidet. Die Beschwerdeführerin habe erst anlässlich der kantonalen Befragung angegeben, Mitglied der PKK gewesen zu sein, dennoch erschienen ihre Vorbringen glaubhaft. Sie gebe zwar an, nicht direkt an bewaffneten Aktionen teilgenommen zu haben, dennoch sei sie eine aktive Militantin gewesen, die durch ihre Mitwirkung gewalttätige Einsätze ermöglicht und begünstigt habe. Die Aktivitäten und Aufgaben der Beschwerdeführer innerhalb der PKK rechtfertigten demnach die Anwendung von Art. 53 AsylG, weshalb ihnen das Asyl zu verweigern sei.

b) Die Beschwerdeführer hielten diesen Ausführungen entgegen, der Beschwerdeführer habe in seiner Jugend die massive Unterdrückung der Kurden durch die türkische Regierung in seiner Heimat erlebt, weshalb er der PKK beigetreten sei. Er habe im Kampf gegen die türkische Regierung und die von diesen eingesetzten Dorfschützer verschiedene Verletzungen erlitten. Er sei kurz vor seiner Flucht zwar als Kommandant eingesetzt gewesen, habe jedoch in dieser Funktion auf Grund seiner Verletzungen nicht mehr an Kampfhandlungen teilnehmen können, sondern sei für die Organisation eines Lagers verantwortlich gewesen. Als Analphabet seien ihm keine weiteren Aufgaben zugeteilt worden. Auch die Beschwerdeführerin habe die Unterdrückung der Kurden in ihrer eigenen Familie erfahren und sich deshalb und beeinflusst von ihrem damaligen Verlobten, der ebenfalls PKK-Mitglied gewesen sei, der PKK angeschlossen. Sie sei einfache Soldatin gewesen und habe nie selbst an Kampfhandlungen teilgenommen, sondern allenfalls Wache gestanden.


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Die Ausführungen der Vorinstanz müssten wegen Unverhältnismässigkeit zurückgewiesen werden. Der Beschwerdeführer sei während der ersten vier Jahre seiner PKK-Mitgliedschaft einfacher Soldat gewesen und habe dabei an 10 - 15 Kampfhandlungen teilgenommen. Dabei habe er nie wissentlich einen gegnerischen Soldaten getötet. An Angriffen auf Dörfer, denen Zivilpersonen zum Opfer gefallen wären, sei er nicht beteiligt gewesen. Nach den erlittenen Verletzungen habe er an keinen Kämpfen mehr teilgenommen. Die Beschwerdeführerin habe ihrerseits an keinen bewaffneten Einsätzen teilgenommen.

Hinzu komme, dass das Engagement der Beschwerdeführer politisch motiviert gewesen sei. Sie hätten sich für ein besseres Leben für die Kurden eingesetzt. Es müsse deshalb vorliegend von einer gemeinrechtlichen Straftat, die offensichtlich der Änderung der politischen Machtverhältnisse diene, also von einem relativen politischen Delikt, ausgegangen werden. Gemäss den Grundsätzen des Bundesgerichts im Zusammenhang mit der Auslieferung von Straftätern liege dann ein politisches Delikt vor, wenn die Handlungen nach den Umständen, namentlich nach den Beweggründen und Zielen des Täters, einen vorwiegend politischen Charakter habe. Ein vorwiegend politischer Charakter sei anzunehmen, wenn die strafbare Handlung im Rahmen eines Kampfes um die Macht im Staate erfolge. Der Konflikt in der Türkei müsse als Bürgerkrieg eingestuft werden, weshalb eine Beteiligung der Beschwerdeführer an den Aktionen der PKK nicht zum Asylausschluss führen dürfte.

Ferner sei festzustellen, dass es die Vorinstanz unterlassen habe, den Tatbeitrag der Beschwerdeführer zu prüfen. So hätten weder die Beschwerdeführerin noch der Beschwerdeführer Tatherrschaft über die Aktionen der PKK gehabt. An Kampfhandlungen hätten sie sich, wenn überhaupt, nur als einfacher Soldat beziehungsweise einfache Soldatin beteiligt. Es sei weiterhin zu berücksichtigen, dass beide Beschwerdeführer Analphabeten seien.

Schliesslich sei bei einer Beurteilung einer Handlung als "verwerflich" das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu beachten. Die entsprechende Norm habe weder pönalisierenden noch moralischen Charakter, sondern diene lediglich dem Schutz des Aufnahmestaates und seiner Bevölkerung. Dieses Abwehrinteresse verringere sich jedoch mit zunehmendem Zeitablauf. Die Beschwerdeführer hätten sich bereits vor der Flucht von der Politik der PKK abgewendet, was schliesslich auch Grund für die Ausreise gewesen sei. Sie hätten ihre Abkehr und innere Distanz zu der Organisation glaubhaft dargelegt, weshalb schon aus diesem Grund kein Abwehrinteresse mehr gegen die Gewährung des Asyls sprechen könne.


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c) Die Vorinstanz führt in ihrer Vernehmlassung aus, die Delikte lägen noch nicht so weit zurück, als dass sinngemäss die Regelungen über die Verjährung zur Anwendung gelangen könnten. Der Umstand alleine, dass man sich distanziere, vermöchte auch im Strafrecht nicht zu einem Freispruch zu führen.

d) In ihrer Replik wiesen die Beschwerdeführer darauf hin, dass die Konkretisierung des Begriffs der "verwerflichen Handlung" unklar sei. Der Gesetzgeber grenze den Anwendungsbereich ein und verweise auf den Art. 1 F FK und Art. 14 Abs. 2 der allgemeinen Menschenrechtserklärung der UNO. Die Praxis habe den Begriff weiter interpretiert und subsumiere darunter alle Handlungen, welche vom (abstrakten) Verbrechensbegriff gemäss Art. 9 StGB erfasst würden. Es sei jedoch im Auge zu behalten, dass die entsprechende Norm ein Abwehrinteresse gegen Personen, die angesichts ihrer früheren Delinquenz mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten begehen könnten, innewohne. Ohne von einem bestimmten Zeitablauf zu sprechen, nehme das genannte Abwehrinteresse ähnlich wie bei der Verjährung im Bereich der Strafverfolgung mit zunehmendem Zeitablauf ab. Die Abnahme des Abwehrinteresses könne auch auf anderen als bloss zeitlichen Gründen beruhen. Die Vorinstanz habe jedoch zur Frage des Tatbeweises und zum politischen Zusammenhang der Tat nicht Stellung genommen. Dies sei vorab zu prüfen.

6. a) Vorauszuschicken ist zunächst, dass die Vorbringen tatsächlicher Natur der Beschwerdeführer unbestritten geblieben sind. Somit ist im Folgenden davon auszugehen, dass beide Beschwerdeführer Mitglieder der PKK gewesen sind, wobei sich der Beschwerdeführer aktiv im Kampf einsetzte, während die Beschwerdeführerin nicht an Kampfhandlungen beteiligt war, jedoch Hilfsdienste leistete. Angesichts dieser glaubhaft dargelegten Vorbringen und der eigenen Abklärungen ist das BFF davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr mit erheblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müssten, inhaftiert zu werden und dabei Nachteile von asylrechtlich relevanter Intensität zu erleiden.

b) Das BFF stellte demnach die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführer fest, womit ihnen alle aus der Flüchtlingskonvention abzuleitenden Rechte zustehen. Dabei hat die Vorinstanz entsprechend der Begründung ihrer Verfügung nicht geprüft, ob die Beschwerdeführer gemäss Art. 1 F Bst. a-c FK von der Flüchtlingseigenschaft auszuschliessen seien. Eine entsprechende Prüfung ist vorliegend insofern zu Recht unterlassen worden, als sich aus den Akten auch keine entsprechenden Hinweise ergeben: Ein Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft bedingt gemäss Praxis, dass "ernsthafte Gründe" für den Verdacht, im Sinne von substantiell verdichteten Verdachtsmomenten, vorliegen (vgl. EMARK 1999 Nr. 12, Erw. 5b, S. 90), dass die Beschwerdeführer ein Verbre-


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chen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Bst. a) oder ein schweres Verbrechen des gemeinen Rechts (Bst. b) begangen hätten oder dass sie sich Handlungen zuschulden kommen liessen, die gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen gerichtet sind (Bst. c). Dafür, dass der Beschwerdeführer oder die Beschwerdeführerin sich persönlich an solchen Verbrechen beteiligt hätten, gibt es keine Anhaltspunkte. Die Mitgliedschaft bei einer für Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Organisation - es steht fest, dass Angehörige der PKK zahlreiche Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht verübt haben (vgl. Human Rights Watch {Hrsg.}, Weapons transfers and violation of the laws of war in Turkey, New York u.a. 1995, S. 137 ff., 167; amnesty international, Turkey, No security without human rights, London 1996, S. 61 ff.) - könnte ohnehin nur dann zum Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft führen, wenn die betreffende Person in der Lage war, die politischen Zielsetzungen der Organisation mitzuprägen (vgl. EMARK 1999 Nr. 11), was vorliegend weder beim Beschwerdeführer noch bei der Beschwerdeführerin, die lediglich in der unteren Hierachiestufe der PKK mitwirkten, der Fall war. Für einen Ausschluss von der FK sowie von Art. 3 AsylG gibt es demnach keine verdichteten Verdachtsmomente, was aber letztlich offen bleiben darf, da die Anerkennung der Beschwerdeführer als Flüchtlinge in Rechtskraft erwachsen ist. [...]

7. a) Gemäss Art. 53 AsylG erhält kein Asyl nach nationalem Recht, wer wegen verwerflichen Handlungen dessen unwürdig ist oder wer die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz verletzt hat oder gefährdet. Während die entsprechende Norm im alten Asylgesetz (Art. 8 aAsylG) sich ursprünglich an Art. 1 F FK anlehnte, ging die Praxis einen anderen Weg und erachtete in Anlehnung an Art. 9 StGB auch weniger gravierende Handlungen als Asylausschlussgrund (vgl. EMARK 1993 Nr. 8, Erw. 6a, S. 49 ff.; 1996 Nr. 18, Erw. 5-7, S. 173 ff.). Diese Ordnung ist vom Gesetzgeber mit der Totalrevision des Asylgesetzes bewusst übernommen worden (vgl. Botschaft 1995, BBl 1996 II 71). In der Botschaft wird insbesondere auf den Unterschied des Anwendungsbereiches der Flüchtlingskonvention und des nationalen Gesetzes hingewiesen. Grundsätzlich kann damit die bisherige Praxis weitgehend auf die neue Gesetzesbestimmung übertragen werden, da der Gesetzgeber mit der Änderung der Bestimmung der Praxis gefolgt ist.

b) Es stellt sich zunächst die Frage, ob ein Ausschluss vom Asyl gemäss Art. 53 AsylG grundsätzlich nicht zulässig ist, wenn es sich bei der von den Asylsuchenden begangenen Tat um ein politisches Delikt handelt. Als "verwerflich" im Sinne dieser Bestimmung gelten alle von der asylsuchenden Person begangenen Delikte, deren Begehung durch das Schweizerische Strafgesetzbuch mit einer Zuchthausstrafe bedroht ist und die daher als "Verbrechen" gelten (Botschaft


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1995, a.a.O. S. 72). Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers ist dabei irrelevant, ob die Handlungen einen ausschliesslich gemeinrechtlichen Charakter haben oder als politisches Delikt einzustufen sind (vgl. M. Gattiker, Das Asyl- und Wegweisungsverfahren, Bern 1999, S. 84; EMARK 1993 Nr. 8). Anders als die Flüchtlingskonvention unterscheidet Art. 53 AsylG vom abstrakten Verbrechensbegriff ausgehend nicht zwischen gemeinrechtlichen oder politischen Delikten. Eine entsprechende Unterscheidung drängt sich zwar bei der Frage der Flüchtlingseigenschaft auf, wie dies auch in Art. 1 F Bst. b FK gemacht wird, weil hier die Möglichkeit der Rückschiebung in Frage steht. Im Zusammenhang mit dem Art. 53 AsylG kann die entsprechende Frage jedoch offenbleiben, da der Flüchtling vor einer Rückschiebung in den Verfolgerstaat geschützt ist und lediglich seine Asylwürdigkeit im Sinne der ihm gegebenenfalls über das von der Flüchtlingskonvention gewährte "Rechtsbündel" (vgl. Ch. Amann, Die Rechte des Flüchtlings, Baden-Baden 1994, S. 25 ff.) hinaus zustehenden Rechte nach Landesrecht in Frage steht.

c) Ferner machen die Beschwerdeführer geltend, das BFF habe es unterlassen, eine einzelfallbezogene Prüfung des Tatbeitrages vorzunehmen. Vielmehr habe es festgestellt, bereits die Zugehörigkeit zu einer erwiesenermassen mit gewalttätigen Mitteln agierender Organisation stelle eine verwerfliche Handlung im Sinne von Art. 53 AsylG dar.

Die Bedeutung des eigenen Tatbeitrages bedarf tatsächlich einer Überprüfung. Man würde dem Charakter der PKK weder gerecht, wenn man sie als terroristische Organisation betrachten noch wenn man ihr den Status einer Bürgerkriegspartei zugestehen würde. Im ersteren Fall würde die blosse Mitgliedschaft bei der PKK für sich allein als verwerfliche Handlung im Sinne des Art. 53 AsylG genügen; bei Annahme der zweiten Hypothese würde die PKK einer Kriegspartei gleichgestellt, deren Kombattanten bezüglich ihrer kriegerischen Aktivitäten nicht nach den Regeln des Strafrechts, sondern nach denjenigen des völkerrechtlichen Kriegsrechts (und mithin lediglich gemäss den Ausschliessungsgründen gemäss Art. 1 F FK; s. vorn Erw. 6b) zu beurteilen wären. Zweifellos ist die PKK für eine Vielzahl von terroristischen Aktionen inner- und ausserhalb der Türkei verantwortlich. Ebenso zweifelsfrei steht fest, dass ihre politische Motivation und teilweise ihre Kriegsführung derjenigen einer (Bürger-)Kriegspartei entsprechen. Während ihres jahrelangen Kampfes schob sich je nach Zeit, Ort, Angriffsziel, Methode, beteiligte Personen etc. der politische, kriegerische oder terroristische Aspekt in den Vordergrund, wobei der Vollständigkeit halber noch gesagt werden muss, dass innerhalb der PKK auch das gewaltlose Mitglied seinen Platz hat. Die pauschale Definition aller Taten der PKK als Kriegshandlungen mit der oben aufgezeigten Konsequenz, dass diese den Kombattanten nicht als Asylausschlussgrund entgegengehalten wer-


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den können, erscheint angesichts der unterschiedlichen Phasen des Kampfes und der dabei verwendeten Vielfalt der Mittel als wenig sachgerecht. Aber auch ein Asylausschluss allein aufgrund der Mitgliedschaft bei der PKK - indem die PKK als kriminelle Organisation im Sinne von Art. 260ter StGB betrachtet und demzufolge jedes ihrer Mitglieder allein durch seine Zugehörigkeit sich strafbar machen würde - rechtfertigt sich nach Auffassung der ARK aus den gleichen Gründen nicht; im Gegensatz zur Praxis diverser deutscher Gerichte hat im Übrigen die blosse PKK-Mitgliedschaft noch zu keiner Verurteilung in der Schweiz aufgrund von Art. 260ter Abs. 1 und 3 StGB geführt. Es ist also in beiderlei Hinsicht von einer pauschalen Betrachtung Abstand zu nehmen, und es bleibt der individuelle Tatbeitrag - zu welchem nicht nur die Schwere der Tat und der persönliche Anteil am Tatentscheid, sondern ebenso das Motiv des Täters und allfällige Rechtfertigungs- oder Schuldminderungsgründe zu zählen sind - zu ermitteln (vgl. auch A. Achermann/Ch. Hausammann, Handbuch des Asylrechts, 2. Aufl., Bern/Stuttgart 1991, S. 164 f.; im Resultat auch die in W. Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, Basel/Frankfurt a.M. 1990, S. 175, wiedergegebene Meinung des damaligen Vorstehers der Vorinstanz).

aa) Der Beschwerdeführer führt aus, er habe sich an rund 15 bewaffneten Einsätzen beteiligt. Es habe Gefechte gegeben, sie hätten unter anderem eine türkische Militärgarnison angegriffen sowie die Dorfschützer bekämpft, und auf beiden Seiten seien Menschen umgekommen. Der Beschwerdeführer wurde bei seinen Einsätzen auch mehrmals verletzt. In der Beschwerdeschrift wird demgegenüber ausgeführt, der Beschwerdeführer habe nie wissentlich einen Menschen getötet. Es kann vorliegend jedoch offen bleiben, ob der Beschwerdeführer mit seiner Waffe den Tod eines Gegners verursacht hat. Solche in Mittäterschaft begangene, zumindest eventualvorsätzliche Delikte, welche im schweizerischen Recht als Verbrechen beurteilt werden, sind als "verwerfliche Handlungen" im Sinne von Art. 53 AsylG zu werten (vgl. EMARK 1993 Nr. 8, S. 52). Der Tatbeitrag des Beschwerdeführers ist aufgrund der Aktenlage erstellt. Dabei sind dem Beschwerdeführer ohne Weiteres politische Motive zuzubilligen, die letztlich wohl der in seiner Jugend erlebten massiven Unterdrückung der Kurden entsprangen. Eine eigentliche Zwangslage oder auch nur schon das Vorliegen eines auslösenden Vorfalles, den man als Rechtfertigungsgrund (insbesondere in Anlehnung an die Tatbestände von Notwehr und Notstand; Art. 33 und 34 StGB) für den Beitritt zur PKK und der Beteiligung am bewaffneten Kampf zu seinen Gunsten anführen könnte, werden von ihm nicht geltend gemacht. Das bedeutet aber auch, dass die begangenen Taten ihm persönlich zuzurechnen sind, und die Verantwortung dafür nicht aufgrund der Befehlsunterordnung allein auf die Kommandoebene, zu welcher der Beschwerdeführer nicht gehörte, abgeschoben werden kann. Im Sinne mildernder Umstände sind, allerdings in geringem Umfang, sein damaliges jugendliches Alter - er ist mit 19 Jahren der


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PKK beigetreten und hat sich im Alter von 24 Jahren von ihr abgesetzt - und der Umstand des Verlassens der PKK an sich anzuführen.

bb) Die Beschwerdeführerin macht ihrerseits zunächst geltend, sie habe auf Seiten der PKK bewaffnet gekämpft. Später wird jedoch ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei selbst nicht im Kampfeinsatz gewesen, sondern habe eine Waffe nur zur Selbstverteidigung getragen. Hingegen führt sie aus, zum Beispiel Wache gestanden zu haben, als andere einen Hinterhalt für das Militär gelegt oder Minen verlegt hätten. Mit dem Wachestehen war sie ihrerseits als Gehilfin - nicht als Mittäterin, da ihr die Tatherrschaft fehlte - im strafrechtlichen Sinne an Verbrechen beteiligt. Es stellt sich damit die Frage, ob die Gehilfenschaft an einem Verbrechen die Voraussetzungen einer "verwerflichen Handlung" zu erfüllen vermag, ist doch der Tatbeitrag als relativ gering einzustufen; Art. 25 StGB sieht für Gehilfenschaft eine - fakultative - Strafmilderung vor. Angesichts der folgenden Erwägung zur Verhältnismässigkeit des Asylausschlusses können diese Aspekte hier allerdings ungeprüft bleiben.

d) Die Beschwerdeführer machen schliesslich geltend, ein Ausschluss aus dem Asyl sei nicht verhältnismässig, da insbesondere die Beschwerdeführerin bei ihrem Eintritt in die PKK ausgesprochen jung gewesen sei und sie zudem beide durch die selber erlebte Unterdrückung und Benachteiligungen durch den türkischen Staat dazu gedrängt worden seien, sich diesem zu widersetzen. Dabei seien die Angriffsziele jeweils militärische Organisationen und Einrichtungen gewesen und niemals Zivilpersonen. Nach seinen Verletzungen im Jahre 1994 sei der Beschwerdeführer zudem nicht mehr direkt an Kämpfen beteiligt gewesen. Schliesslich hätten sich die Beschwerdeführer bewusst von der Organisation PKK und ihrer Politik abgewendet und den Weg in ein ziviles Leben gefunden. Aus diesen Gründen sei ein Abwehrinteresse der Schweiz nicht gegeben.

Die ARK ist in ihrer Praxis (vgl. EMARK 1996 Nr. 40) der in der Lehre (Kälin, a.a.O., S. 185; Gattiker, a.a.O., S. 84) vertretenen Auffassung gefolgt, dass bei der Beurteilung der Asylunwürdigkeit auch der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten sei. Dabei ist vorab in Betracht zu ziehen, wie lange die Tat bereits zurückliegt, wobei auf die Verjährungsbestimmungen des Strafrechts verwiesen wird. Ebenso Einfluss auf die diesbezügliche Entscheidfindung haben das Alter der Flüchtlinge im Zeitpunkt der Tatbegehung sowie eine allfällige Veränderung der Lebensverhältnisse nach der Tat. Im Zusammenhang mit der Asylunwürdigkeit wird in der Praxis insbesondere auf das Abwehrinteresse des Aufnahmestaates und seiner Bevölkerung gegenüber Personen, die angesichts ihrer früheren Delinquenz mit erhöhter Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten begehen können, hingewiesen (vgl. EMARK 1996 Nr. 40). Indem in publizierten Entscheiden dem Art. 8 aAsylG der pönalisierende Charakter abgesprochen


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wurde, bezog sich dies insbesondere darauf, dass der Flüchtling nicht im Sinne des Strafrechts für Delikte bestraft werden solle, die er im Ausland begangen hat. Hingegen liegt dem heutigen Art. 53 AsylG die Absicht zugrunde, dass einem Flüchtling, der Verbrechen begangen hat, nur gerade diejenigen Rechte zugestanden werden sollen, die ihm die Schweiz in Beachtung der Flüchtlingskonvention nicht vorenthalten kann (vgl. Amann, a.a.O., S. 85 ff.). Aus nationalem Recht sollen ihm jedoch wegen seiner "verwerflichen Handlungen" keine weiteren Rechte zustehen. Dabei geht aus dem Titel der genannten Bestimmung hervor, dass jemand, der verwerfliche Handlungen begangen hat, eben des Asyls unwürdig sei, was doch auf einen gewissen moralischen Charakter der Norm hinweist. Ein des Asyls unwürdiger Flüchtling hat denn auch grundsätzlich Anspruch darauf, in der Schweiz verbleiben zu dürfen - vorbehalten bleibt die Aufnahme in einem Drittland -, weshalb ein reiner Abwehrcharakter der entsprechenden Norm wenig Sinn ergibt. Es genügt nicht darzutun, dass das Abwehrinteresse der Schweiz nicht besteht, da der Flüchtling für den Aufnahmestaat und dessen Bevölkerung keine Gefahr mehr darstelle. Vielmehr muss die Anwendung des Art. 53 AsylG im Hinblick auf das begangene Delikt, die Umstände und die seither vergangene Zeit verhältnismässig sein. Dabei ist zu beachten, dass die Auswirkungen der Anwendung insofern weniger schwerwiegend sind, als der Flüchtling vor einer Rückschiebung in den Verfolgerstaat geschützt ist (vgl. Kälin, a.a.O., S. 185).

aa) Vorliegend ist zunächst festzustellen, dass die Beschwerdeführer sich zwar tatsächlich von der PKK abgewendet haben, dabei jedoch als Beweggründe die Querelen innerhalb der verschiedenen kurdischen Gruppierungen als Motiv nennen und nicht die grundsätzliche Gewaltbereitschaft der Organisation. Dabei erscheint zwar aufgrund der Erlebnisse der Beschwerdeführer als der kurdischen Minderheit Angehörende ihr Entscheid nachvollziehbar, sich für die Rechte der Kurden einzusetzen. Andererseits haben sie sich für den bewaffneten Kampf als politische Methode entschlossen, was doch auf eine grundsätzliche Gewaltbereitschaft hinweist. Insbesondere bezüglich des Beschwerdeführers ist festzustellen, dass er durch den aktiven Kampfeinsatz ein gewisses kriminelles Potential offenbarte. Zwar war der Beschwerdeführer erst 19 Jahre alt, als er sich der PKK anschloss, blieb dann jedoch während mehrerer Jahre bis zum 24. Altersjahr ein aktives Mitglied. Dass er seit 1994 nicht mehr gekämpft habe, scheint denn auch mit seinen Verletzungen und nicht mit seiner Abkehr von gewaltsamen Mitteln zusammenzuhängen. Bezüglich des Zeitablaufes ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer bis ins Jahr 1996 und damit bis vor fünf Jahren Soldat der PKK gewesen ist, zum Teil sogar in leitenden - allerdings nicht besonders hohen - Positionen. Selbst wenn es zutrifft, dass er lediglich bis ins Jahr 1994 gekämpft hat, liegen auch diese Ereignisse lediglich sieben Jahre zurück, was deutlich unter der zehnjährigen Verjährungsfrist, die das schweizeri-


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sche Strafgesetzbuch nennt, liegt. Aufgrund einer Gesamtbetrachtung ergibt sich diesen Erwägungen gemäss, dass bezüglich des Beschwerdeführers der Asylausschlussgrund gemäss Art. 53 AsylG erfüllt ist und seine Anwendung nicht unverhältnismässig erscheint.

bb) Demgegenüber trifft es zu, dass die Beschwerdeführerin ausgesprochen jung war, nämlich erst 15-jährig, als sie sich der PKK anschloss. Allerdings blieb sie daraufhin während etwa fünf Jahren Soldatin - bis zum zwanzigsten Lebensjahr. Immerhin war sie während eines grossen Teils ihrer Beteiligung nicht volljährig. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass sie lediglich Hilfsfunktionen ausführte und nicht direkt an Kampfhandlungen mitwirkte. Obwohl auch bei der Beschwerdeführerin erst fünf Jahre seit ihrer Abkehr von der PKK verstrichen sind, erscheint es zum heutigen Zeitpunkt im Rahmen einer Gesamtbetrachtung und im Hinblick auf ihr damals jugendliches Alter, den von ihr ausgeübten untergeordneten Tatbeitrag sowie der veränderten Lebensverhältnisse, falls überhaupt von einer "verwerflichen Handlung" im Sinne von Art. 53 AsylG ausgegangen werden müsste, als unverhältnismässig, die Asylunwürdigkeit im Sinne von Art. 53 AsylG zu bejahen (vgl. EMARK 1996 Nr. 40).

e) Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die vom Beschwerdeführer begangenen Delikte als an Kampfhandlungen unmittelbar beteiligter Soldat der PKK als verwerfliche Handlungen im Sinne des Art. 53 AsylG zu betrachten sind und der Asylausschluss verhältnismässig erscheint. Hingegen erscheint die Anwendung des Art. 53 AsylG bei der Beschwerdeführerin, die lediglich Hilfsdienste erledigt hat und bei ihrem Eintritt in die PKK ausgesprochen jung war, zumindest nicht verhältnismässig.

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