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Auszug aus dem Urteil der ARK vom 20. Dezember 2004 i.S. R.A., Mazedonien
 

Art. 44 Abs. 2 - 4 AsylG, Art. 14a Abs. 3 - 4bis ANAG, Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 EMRK; Zulässigkeit und Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges nach Mazedonien; Prüfung einer schwerwiegenden persönlichen Notlage.

1. Grundsätzliche Zulässigkeit und Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges nach Mazedonien; keine individuellen Vollzugshindernisse im Falle eines ethnischen Albaners, der eine aktuelle Gefährdung aufgrund eines lange zurückliegenden pro-albanischen Engagements geltend macht (Erw. 6 und 7).

2. Bei Fehlen zumutbarer Integrationsbemühungen vermag die blosse über 10-jährige Aufenthaltsdauer in der Schweiz - auch bei fortgeschrittenem Alter der gesuchstellenden Person - das Vorliegen einer schwerwiegenden persönlichen Notlage nicht zu begründen (Erw. 8).
 

Art. 44 al. 2 - 4 LAsi, art. 14a al. 3 - 4bis LSEE, art. 25 al. 3 Cst., art. 3 CEDH; licéité et exigibilité de l’exécution du renvoi en Macédoine ; examen d’une situation de détresse personnelle grave.

1. L’exécution des renvois en Macédoine est en principe licite et raisonnablement exigible. Il n’y a pas d’obstacle particulier à l’exécution du renvoi d’un Macédonien, d’ethnie albanaise, qui invoque un danger actuel à retourner au pays, motif pris de son engagement passé pour la cause albanaise (consid. 6 und 7).

2. Faute d’avoir fourni les efforts d’intégration qu’on pouvait attendre de lui, un demandeur d’asile, même s’il a un certain âge, ne peut se prévaloir du seul fait d’avoir séjourné en Suisse durant dix ans, pour se voir reconnaître le cas de détresse personnelle grave (consid. 8).
 


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Art. 44 cpv. 2 - 4 LAsi, art. 14a cpv. 3 - 4bis LDDS, art. 25 cpv. 3 Cost., art. 3 CEDU; liceità ed esigibilità dell’esecuzione dell’allontanamento verso la Macedonia; esame del caso di rigore personale grave.

1. L’esecuzione dell’allontanamento verso la Macedonia è di regola lecita e ragionevolmente esigibile. Non sussistono ostacoli alla pronuncia dell’esecuzione dell’allontanamento di un cittadino macedone d’etnia albanese, che invoca un pericolo, in caso di rimpatrio, derivante da un’attività svolta anni addietro a favore della causa albanese (consid. 6 e 7).

2. Non può essere riconosciuto un caso di rigore personale grave ad un richiedente l’asilo, quand’anche di una certa età, solamente perché ha vissuto in Svizzera per dieci anni. Occorrono ulteriori sforzi d’inte-grazione, nella misura in cui esigibili (consid. 8).
 

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Der im Jahr 1948 geborene Beschwerdeführer reichte am 6. Mai 1994 in der Schweiz ein Asylgesuch ein. Dabei brachte er im Wesentlichen vor, er stamme ursprünglich aus Vaksincë (Kumanovë), Mazedonien, habe jedoch seit vielen Jahren in Prishtinë gelebt. Er sei ein Kommilitone von Ibrahim Rugova gewesen und habe nach Abschluss des Studiums als Professor für Albanologie in Kumanovë gelehrt. Im Jahre 1987 sei er zusammen mit dem überwiegenden Teil der Lehrkräfte entlassen worden und im folgenden Jahr wegen der Teilnahme an einer Demonstration verhaftet und zu einem Monat Gefängnis verurteilt worden. Im Weiteren hätten jugoslawische Sicherheitskräfte am 1. Februar 1994 an der Grenze zu Mazedonien seinen Pass konfisziert. Im Zeitraum von 1981 bis zu seiner Ausreise sei er insgesamt 30 bis 40 Mal von der Polizei verhört und dabei auch geschlagen worden, weil man ihm vorgeworfen habe, albanischen Separatismus zu betreiben und ein Spion des Westens zu sein. Als Folge der Misshandlungen leide er heute an Nierenbeschwerden. Letztmals sei er am 8. März 1994 in Prishtinë befragt worden, weil man ihn verdächtigt habe, ein Mitglied der Gegenregierung im Kosovo zu sein. Nachdem die Polizei im Rahmen eines fingierten Prozesses gegen prominente Albaner erneut nach ihm gesucht habe, habe er das Land schliesslich verlassen.

Das BFF lehnte das Asylgesuch mit Verfügung vom 28. November 1994 ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug an, schloss jedoch gleichzeitig eine Rückschaffung nach Jugoslawien aus. Zur Begründung hielt die Vorinstanz im Wesentlichen fest, der Beschwerdeführer besitze neben einer allfälligen jugoslawischen auch die mazedonische Staatsbürgerschaft. Eine Prüfung der Flüchtlingseigenschaft bezüglich Jugoslawien könne daher unterbleiben. Im Weiteren sei aufgrund der aktuellen politischen Situation in Mazedonien auszuschliessen, dass dem Beschwerdeführer dort asylrelevante Nachteile dro-


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hen würden. Zudem ergäben sich aus den Akten keine Hinweise, welche gegen die Zulässigkeit, Zumutbarkeit und Möglichkeit des Vollzuges der Wegweisung in diesen Staat sprechen würden.

Gegen diese Verfügung reichte der Beschwerdeführer bei der ARK soweit den Vollzug der Wegweisung betreffend Beschwerde ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass albanische Intellektuelle wie er sowohl in Mazedonien als auch im Kosovo verfolgt würden, da sie von den serbischen beziehungsweise mazedonischen Behörden als Bedrohung wahrgenommen würden. In diesem Zusammenhang wies er namentlich auf die Verhaftung von albanischen Intellektuellen und Politikern von Mitte Dezember 1994 anlässlich der Neueröffnung einer Universität in Tetovë hin.

Die ARK wies den Rekurs des Beschwerdeführers ab. In der Folge lehnte das BFF ein Wiedererwägungsgesuch ebenfalls ab. Hingegen hiess die ARK ein gegen den Beschwerdeentscheid eingereichtes Revisionsgesuch aufgrund einer festgestellten Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beschwerdeführers gut und nahm das Rekursverfahren im Vollzugspunkt wieder auf. Auf Revisionsstufe machte der Beschwerdeführer in materieller Hinsicht im Wesentlichen neu geltend, er habe in seinem Heimatland mit einer Gefängnisstrafe von 20 Jahren zu rechnen, da er während seines Studiums diverse Widerstandsschriften verfasst habe. Diese Dokumente seien inzwischen höchstwahrscheinlich in die Hände der Regierung gefallen. Schliesslich habe er aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in der Schweiz eine sehr enge Beziehung zu diesem Land entwickelt. Seine Schwester, zu der er viel Kontakt habe, lebe ebenfalls hier. Er spreche zudem ausgezeichnet Deutsch und habe viele schweizerische Freunde. Die bisherigen Arbeitsbemühungen seien an seinem fortgeschrittenen Alter und seinem unsicheren Aufenthaltsstatus als Asylsuchender gescheitert.

Mit Beschluss vom 25. Juni 2003 hat der Bundesrat Mazedonien als verfolgungssicheren Herkunftsstaat (sog. "safe country") im Sinne von Art. 34 Abs. 1 AsylG bezeichnet.

Die ARK weist die Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

6.

6.1. Das in Art. 25 Abs. 2 BV, Art. 5 AsylG und Art. 33 FK statuierte flüchtlingsrechtliche Rückschiebungsverbot bietet nur Flüchtlingen im Sinne von Art. 3 AsylG beziehungsweise Art. 1 A FK Schutz. Durch die unangefochten in


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Rechtskraft erwachsene Feststellung des BFF, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, da er in Mazedonien nicht in asylrelevanter Weise verfolgt sei, kommt vorliegend die Anwendung der soeben genannten Bestimmungen nicht in Betracht.

6.2. Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ihm im Falle einer Rückführung nach Mazedonien eine nach Art. 3 EMRK (beziehungsweise Art. 25 Abs. 3 BV und Art. 3 FoK) verbotene Strafe oder Behandlung drohen würde (vgl. zur generellen Tragweite von Art. 3 EMRK: EMARK 2004 Nr. 6, Erw. 7a, S. 40, m.w.H.). Gemäss der Praxis der ARK, welche im Einklang mit derjenigen des Bundesgerichts sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) steht, genügt eine schlechte Menschenrechtslage im Heimatstaat grundsätzlich nicht, um den Wegweisungsvollzug als unzulässig erscheinen zu lassen. Vielmehr müssen stichhaltige Gründe dafür vorliegen, dass der Beschwerdeführer Folter oder unmenschliche Behandlung konkret zu befürchten hätte (sog. "real risk"; vgl. EMARK 2003 Nr. 10, Erw. 10a, S. 66, m.w.H.).

In Mazedonien wurde mit dem im August 2001 unterzeichneten Vertragswerk von Ohrid eine Verfassungs- und Gesetzesreform in Gang gesetzt, mit welcher nunmehr die politische Gleichberechtigung insbesondere der albanischen Bevölkerungsgruppe, aber auch anderer ethnischer Minderheiten rechtlich verankert ist. Ein Indiz für die positiven Auswirkungen dieser Entwicklung bilden etwa die Anstrengungen im Hinblick auf eine gemischt-ethnische Zusammensetzung der Polizei, die einen wesentlichen Beitrag zur Befriedung unter den diversen Volksgruppen leisten soll. Die Rekrutierung und Ausbildung neuer Polizeikräfte, die gemäss dem Abkommen von Ohrid unter besonderer Berücksichtigung der ethnischen Minderheiten erfolgen muss, verläuft nach Darstellung der OSZE - welche daran massgeblich beteiligt ist - in zufriedenstellender Weise. Zudem ist der Dezentralisierungsprozess mit dem Scheitern des Referendums gegen die neuen Gemeindegrenzen vom 7. November 2004 einen weiteren wichtigen Schritt vorangekommen. Die neue Regelung der Gemeindegrenzen führt dazu, dass alle grossen Gemeinden im Westen Mazedoniens eine albanische Bevölkerungsmehrheit haben, was mittelbar zu einer stärkeren Vertretung der ethnischen Albaner/-innen in den staatlichen Institutionen führen soll. Der politische und rechtliche Wandel ist nach übereinstimmenden Berichten allgemein mit einer wesentlichen Beruhigung der Sicherheitslage verbunden, selbst wenn auch heute noch - gerade gegen Angehörige ethnischer Minderheiten - vereinzelt gewalttätige Übergriffe und Menschenrechtsverletzungen vorkommen können.


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Mit der Vorinstanz ist sodann in individueller Hinsicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Flucht in die Schweiz im Jahre 1994 von den mazedonischen Behörden nicht verfolgt wurde und in seinem Heimatland namentlich kein Strafverfahren wegen seiner pro-albanischen Aktivitäten gegen ihn hängig war. Der Beschwerdeführer war gemäss eigenen Angaben seit der Unabhängigkeitserklärung Mazedoniens von Jugoslawien im Jahre 1991 bis zu seiner Ausreise im Jahre 1994 wiederholt bei seiner Mutter in Mazedonien zu Besuch. Dieser Umstand ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass er im besagten Zeitraum dort nicht polizeilich gesucht wurde. Gegen eine entsprechende behördliche Suche nach dem Beschwerdeführer sprechen ferner seine eigenen Aussagen im erstinstanzlichen Verfahren, wonach die fluchtauslösende Verfolgung von den jugoslawischen und nicht von den mazedonischen Behörden ausgegangen sei.

Aufgrund der aktuellen politischen Situation in Mazedonien erachtet es die ARK zudem als unwahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Stellung als albanischer Intellektueller und ehemaliger Kritiker der Schliessung der albanischsprachigen Schulen in den Jahren 1987 und 1988 in Mazedonien bei einer Rückkehr von den dortigen Behörden heute noch als Bedrohung wahrgenommen werden könnte und er deshalb mit Behelligungen zu rechnen hätte. Wie der oben skizzierte fortschreitende Reformprozess belegt, ist die mazedonische Regierung seit dem Abschluss des Abkommens von Ohrid im Jahre 2001 offenkundig darum bemüht, die albanische Bevölkerung auf institutioneller Ebene besser in das Gemeinwesen zu integrieren. Im Weiteren ist der Beschwerdeführer gemäss eigenen Angaben nach dem Vorfall im Jahre 1988 - mithin vor über 16 Jahren und noch zur Zeit des ehemaligen Jugoslawien - nicht mehr in Konflikt mit den Behörden dieses Staates geraten und hat darüber hinaus - soweit aus den Akten ersichtlich - seit seiner Flucht in die Schweiz im Jahre 1994 keine politischen Aktivitäten mehr entwickelt. Vor diesem Hintergrund besteht kein hinreichender Anlass zur Annahme, die mazedonischen Behörden seien dem Beschwerdeführer im heutigen Zeitpunkt (noch) feindselig gestimmt. An dieser Einschätzung ändert auch der Umstand nichts, dass die Leitungsfunktionen der längst wieder eröffneten albanischsprachigen Schulen gemäss den Angaben des Beschwerdeführers mit Personen besetzt sein sollen, welche bei der Schliessung dieser Lehrstätten mit dem mazedonischen Regime kollaboriert hätten. Selbst wenn es nämlich zutreffen sollte, dass zwischen den erwähnten Schulleitern und dem Beschwerdeführer im heutigen Zeitpunkt effektiv noch persönliche Animositäten bestehen würden, wäre dies kein genügend konkretes Indiz für eine allfällig drohende unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK.

Als überwiegend unwahrscheinlich ist schliesslich das Vorbringen des Beschwerdeführers zu qualifizieren, bei einer Rückkehr nach Mazedonien be-


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fürchten zu müssen, wegen Landesverrats verurteilt zu werden, weil von ihm verfasste Schriften in die Hände der mazedonischen Behörden gefallen seien. Die entsprechenden Ausführungen des Beschwerdeführers sind als ausgesprochen vage zu bezeichnen und machen zudem einen konstruierten Eindruck. So hat sich der Beschwerdeführer in seinem Wiedererwägungsgesuch [...] im Wesentlichen darauf beschränkt, einen Bekannten als Zeugen aufzuführen, ohne jedoch selber Angaben dazu zu machen, wie die fraglichen Dokumente, welche er vor seiner Flucht bei einem Freund hinterlegt habe, auf einmal in den Besitz der mazedonischen Behörden gelangt sein sollen. Auch beim späteren Versuch, seine Vorbringen weiter zu substanziieren, vermag er diesbezüglich keine befriedigenden Antworten zu geben. Nicht überzeugend wirken insbesondere die Aussage des Beschwerdeführers, sein Koffer sei aus unbekannten Gründen und zu einem nicht genauer definierten Zeitpunkt spurlos aus dem Versteck verschwunden sowie die pauschale Behauptung, über Freunde in Kumanovë habe in Erfahrung gebracht werden können, dass er im heutigen Zeitpunkt von der mazedonischen Regierung als Landesverräter betrachtet werde. Auf welche Weise diese Freunde um die angebliche Gefährdung des Beschwerdeführers erfahren haben sollen, bleibt indessen im Dunkeln. Schliesslich spricht auch der Umstand, dass es der Beschwerdeführer bislang unterlassen hat, Kopien der offenbar unter einem Pseudonym publizierten Schriftstücke einzureichen, gegen die Glaubhaftigkeit seiner Vorbringen.

Selbst wenn diese jedoch der Wahrheit entsprechen würden, könnte nicht ernsthaft von einem aktuellen Verfolgungsinteresse des mazedonischen Staates ausgegangen werden. Bei den besagten "brisanten Widerstandsschriften" handelt es sich gemäss den Aussagen des Beschwerdeführers um solche, welche er während seiner Studienzeit - vor über 30 Jahren - verfasst haben will. Die politische Situation in Mazedonien hat sich seither indessen massgeblich verändert. Allfälligen, Jahrzehnte zurückliegenden Aufrufen des Beschwerdeführers an die albanische Bevölkerung zum Widerstand gegen die damalige jugoslawische Regierung dürften die mazedonischen Behörden nach Einschätzung der ARK im heutigen Zeitpunkt daher kaum mehr als historische Bedeutung zumessen. Bei dieser Sachlage kann letztlich offen bleiben, ob eine mögliche Verurteilung des Beschwerdeführers nicht auch infolge Eintritts der Verfolgungsverjährung ausgeschlossen werden kann.

6.3. Nach dem Gesagten erweist sich der vom BFF verfügte Vollzug der Wegweisung als zulässig.

7.

7.1. Nach Art. 14a Abs. 4 ANAG ist der Vollzug der Wegweisung nicht zumutbar, wenn er für die von ihm betroffene Person eine konkrete Gefährdung dar-


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stellt. Eine solche Gefährdung kann angesichts der im Heimatland herrschenden allgemeinen politischen Lage, die sich durch Krieg, Bürgerkrieg oder durch eine Situation allgemeiner Gewalt kennzeichnet, oder aufgrund anderer Gefahrenelemente, wie beispielsweise einer notwendigen medizinischen Behandlung, angenommen werden (vgl. EMARK 2004 Nr. 7, Erw. 5d, S. 50; 2003 Nr. 24, Erw. 5a, S. 157, je mit weiteren Hinweisen).

7.2. Wie weiter oben bereits dargelegt wurde, herrscht in Mazedonien im heutigen Zeitpunkt keine Situation allgemeiner Gewalt und erscheint der Beschwerdeführer auch aufgrund seines individuellen Profils nicht als konkret gefährdet, bei einer Rückkehr in sein Heimatland das Opfer von (ethnisch motivierten) Übergriffen zu werden (vgl. Ziff. 6.2.).

Im Weiteren wird es für den Beschwerdeführer aufgrund seines schon fortgeschrittenen Alters und seiner langen Landesabwesenheit zwar nicht einfach werden, sich in Mazedonien eine neue wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Es ist jedoch festzuhalten, dass er über ein hohes Bildungsniveau verfügt, - soweit aus den Akten ersichtlich - keine gravierenden gesundheitlichen Probleme und namentlich keine familiären Lasten zu tragen hat. Vor diesem Hintergrund darf angenommen werden, dass er grundsätzlich genügende Voraussetzungen erfüllt, um die wirtschaftliche und soziale Wiedereingliederung zu bewerkstelligen, auch wenn dies von ihm unter Umständen das Überwinden persönlicher Abneigungen gegenüber ehemaligen politischen Gegnern verlangt. Zudem ist aufgrund der Akten davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über ein soziales Beziehungsnetz verfügt, welches ihm bei seiner Rückkehr hinreichende Unterstützung bieten wird. So leben beispielsweise der Bruder des Beschwerdeführers sowie ein Cousin (wieder) in Mazedonien. Da der erwähnte Cousin offenbar in der Lage und bereit war, den aus Österreich zurückgekehrten Bruder des Beschwerdeführers zusammen mit dessen Familie bei sich aufzunehmen, kann erwartet werden, Letzterer könne im Falle einer Rückkehr mit der gleichen Hilfsbereitschaft rechnen. Sodann wird der Beschwerdeführer voraussichtlich auch auf die finanzielle Unterstützung seiner in der Schweiz lebenden Schwester zählen können, zu welcher er gemäss eigenen Angaben einen engen Kontakt hat.

7.3. Zusammenfassend erweist sich der Vollzug der Wegweisung im Sinne von Art. 14a Abs. 4 ANAG insgesamt als zumutbar. Bei dieser Sachlage kann letztlich offen bleiben, ob der ursprünglich aus einer reichen Familie stammende Beschwerdeführer - wie von ihm behauptet - in Mazedonien effektiv keine Vermögenswerte, namentlich Grundeigentum, mehr besitzt.


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8.

8.1. Sofern vier Jahre nach Einreichen des Asylgesuches noch kein rechtskräftiger Entscheid vorliegt, kann in Fällen einer schwerwiegenden persönlichen Notlage eine vorläufige Aufnahme angeordnet werden (Art. 44 Abs. 3 AsylG i.V.m. Art. 14a Abs. 4bis ANAG).

8.2. Das Asylgesuch des Beschwerdeführers datiert vom 6. Mai 1994. Da die ARK ihr ursprüngliches Beschwerdeurteil [...] in Revision gezogen und gleichzeitig das Beschwerdeverfahren wieder aufgenommen hat, befindet sich der Beschwerdeführer im heutigen Zeitpunkt seit über zehn Jahren im Asylverfahren, ohne dass ein rechtskräftiger Entscheid ergangen wäre. Damit sind die formellen Voraussetzungen für die Prüfung einer schwerwiegenden persönlichen Notlage erfüllt (vgl. EMARK 2001 Nr. 20, Erw. 3c/dd, S. 156).

8.3. In materieller Hinsicht sind bei der Härtefallprüfung insbesondere die Integration in der Schweiz, die familiären Verhältnisse und die schulische Situation der Kinder zu berücksichtigen (Art. 44 Abs. 4 AsylG). Die Praxis der ARK lehnt sich in dieser Frage der vom Bundesgericht entwickelten Rechtsprechung zu Art. 13 Bst. f BVO an (vgl. EMARK 2001 Nr. 10, Erw. 6c-d und 7, S. 67 ff.). Danach lassen sich nicht schematische Kriterien aufstellen, sondern es ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Rückkehr für die Betroffenen aufgrund ihrer Integration in die schweizerischen Verhältnisse eine besondere Härte darstellen würde (vgl. zuletzt BGE 130 II 39, m.w.H). Neben den in Art. 33 Abs. 1 AsylV 1 beispielhaft aufgezählten massgeblichen Faktoren wie etwa der Aufenthaltsdauer in der Schweiz (vgl. dazu insbesondere BGE 124 II 110), den familiären Verhältnissen oder der beruflichen, sozialen und kulturellen Integration sowie der schulischen Situation der Kinder sind auch die Verhältnisse, welche die Betroffenen in ihrem Heimatland antreffen würden, zu berücksichtigen (vgl. zur Zulässigkeit der Kombination mit Unzumutbarkeitsaspekten im Sinne von Art. 14a Abs. 4 ANAG: EMARK 2001 Nr. 10, Erw. 8, S. 74). Dabei kommt den zwischen Ende der Adoleszenz und Eintritt ins Erwachsenenalter in der Schweiz verbrachten Lebensjahren besondere Bedeutung zu (vgl. EMARK 2001 Nr. 25, Erw. 6d, S. 199). Im Weiteren ist bei der analogen Anwendung der bundesgerichtlichen Praxis der besonderen Situation von Asylsuchenden Rechnung zu tragen. Bei Asylsuchenden ist - im Gegensatz zu anderen Ausländer/-innen - namentlich zu beachten, dass ihre Reintegration infolge des zwangsweisen Abbruchs ihrer Beziehungen zum Heimatstaat meist nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist und sie darüber hinaus oft aus einem weit entfernten Kulturkreis stammen, weshalb eine erfolgreiche Integration umso höher einzuschätzen ist (vgl. EMARK 2001 Nr. 10, Erw. 7b, S. 71, m.w.H.). Im gleichen Sinne ist bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Integrationsbemühungen von Asylsuchenden dem Umstand angemessen Rechnung zu tragen, dass sie einen er-


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schwerten Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt haben (vgl. insbesondere Art. 43 AsylG und Art. 7 BVO).

8.4. Aus den Berichten des Migrationsamts des Kantons X. vom 30. Juni 2000 (inklusive das Ergänzungsschreiben vom 2. November 2000) und vom 15. Juli 2004 geht hervor, dass der Beschwerdeführer seit seiner Einreise in die Schweiz hier nie eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat und die ganze Zeit vollumfänglich von der Unterstützung durch die Fürsorge abhängig war. Dem Beschwerdeführer ist es folglich nicht gelungen, sich in der Schweiz eine dauerhafte wirtschaftliche Existenz aufzubauen (vgl. Art. 33 Abs. 1 Bst. a AsylV 1).

Er macht diesbezüglich zwar geltend, er habe sich bemüht eine Anstellung zu finden; seine Versuche seien jedoch aufgrund seines schon fortgeschrittenen Alters, der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation und seines unsicheren Aufenthaltsstatus als Asylsuchendem erfolglos geblieben. Dazu muss indessen festgehalten werden, dass es der Beschwerdeführer bisher trotz mehrfacher ausdrücklicher Aufforderung unterlassen hat, seine angeblichen Anstrengungen um eine wirtschaftliche Integration in der Schweiz zu belegen. Nach Auffassung der Kommission müsste es dem Beschwerdeführer jedoch - unabhängig von seiner schwierigen persönlichen Ausgangslage auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt - ohne weiteres möglich sein, entsprechende Belege, namentlich Bewerbungsschreiben oder schriftliche Absagen, vorzulegen. Da er dies bislang unterlassen hat, muss bezweifelt werden, dass er sich während seines Aufenthaltes in der Schweiz je ernsthaft um Arbeit bemüht hat.

Ob im vorliegenden Fall sodann von einer gelungenen sozialen Integration gesprochen werden kann, erscheint ebenfalls zumindest fraglich. Der Beschwerdeführer hält sich seit über zehn Jahren in der Schweiz auf (vgl. BGE 124 II 110, S. 112 f., Erw. 3) und beherrscht offenbar die deutsche Sprache. Zudem lebt hier seine Schwester, welche über eine Niederlassungsbewilligung verfügt. Darüber hinaus bestehen jedoch keine weiteren Anhaltspunkte, die für eine erfolgreiche Integration des Beschwerdeführers auf sozialer Ebene sprechen würden, auch wenn vermutungsweise zu seinen Gunsten davon auszugehen ist, dass er hier nach so langer Zeit über gewisse soziale Kontakte verfügt. Der Beschwerdeführer hat keine Kinder und verbrachte die meiste Zeit seines Lebens, namentlich die für die Sozialisierung besonders prägenden Jahre seiner Jugend, in Mazedonien und im Kosovo. Damit entfallen zwei Aspekte, welche für den Integrationsprozess regelmässig von grosser Bedeutung sind. Im Übrigen ergeben sich aus den Akten keine konkreten Hinweise, dass der Beschwerdeführer tatsächlich - wie von ihm behauptet - besonders eng mit der Schweiz verbunden wäre. In diesem Zusammenhang fällt zu seinem Nachteil insbesondere ins Gewicht, dass er es trotz explizitem Hinweis seitens der ARK bisher unterliess, seine angebli-


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che soziale Integration in der Schweiz weiter zu substanziieren. Vielmehr beschränkte er sich darauf, in pauschaler Weise geltend zu machen, alleinstehende ältere Personen seien im Vergleich zu anderen benachteiligt, da sie die Anforderungen für einen schwerwiegenden persönlichen Härtefall kaum erfüllen könnten. Dieser grundsätzliche Einwand geht schliesslich ebenfalls fehl. Einerseits trifft es nicht zu, dass alleinstehende ältere Personen die Voraussetzungen von Art. 44 Abs. 3 AsylG nicht beziehungsweise kaum erfüllen können. Zudem ist es nicht zu beanstanden, sondern vielmehr geboten, dass unterschiedliche Sachverhalte - wie beispielsweise die im Vergleich zu älteren alleinstehenden Personen schnellere soziale Integration von schulpflichtigen Kindern - bei der Prüfung einer schwerwiegenden persönlichen Notlage angemessen berücksichtigt werden.

8.5. Nach dem Gesagten ist der Beschwerdeführer in der Schweiz wirtschaftlich nicht integriert und ist es ihm - trotz seines bereits über zehn Jahre dauernden Aufenthaltes in der Schweiz - auch sonst nicht gelungen, das Bestehen einer besonders engen Beziehung zur Schweiz glaubhaft zu machen. Vor diesem Hintergrund kann selbst unter Berücksichtigung der nicht als ideal zu bezeichnenden Voraussetzungen für eine Reintegration in seinem Heimatland (vgl. oben Ziff. 7.2.: lange Landesabwesenheit, fortgeschrittenes Alter) das Vorliegen einer schwerwiegenden persönlichen Notlage im Sinne von Art. 44 Abs. 3 AsylG entsprechend dem Antrag des Migrationsamtes des Kantons X. nicht bejaht werden. Das BFF hat somit die Anordnung einer vorläufigen Aufnahme gemäss Art. 44 Abs. 3 AsylG zu Recht abgelehnt.

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