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bb) Um im vorliegenden Fall beurteilen zu können, ob der Gesetzgeber bewusst - durch qualifiziertes Schweigen - von der Aufnahme eines Revisionsgrundes im Zusammenhang mit der Gutheissung einer Beschwerde durch das CAT abgesehen hat oder ob vielmehr eine durch gesetzgeberisches Versehen entstandene "planwidrige Unvollständigkeit" des VwVG - oder eben eine "echte" Lücke - vorliegt, ist, da der Wortlaut von Art. 66 Abs. 1 Bst. b VwVG selber nicht weiterhilft, hauptsächlich auf die Materialien abzustellen. Dabei ergibt sich zunächst, dass die hier interessierende Frage weder in der Botschaft des Bundesrates vom 30. Oktober 1985 betreffend die FoK (BBl 1985 III 285 ff.), noch in derjenigen vom 18. März 1991 betreffend die Änderung des OG - beziehungsweise des VwVG - (BBl 1991 II 465 ff.) explizit erörtert wurde. Auch in den einschlägigen parlamentarischen Beratungen wurde nicht ausdrücklich über eine allfällige Einführung eines entsprechenden Revisionsgrundes diskutiert. Die Tatsache, dass im Zuge der Revision von Art. 66 Abs. 1 VwVG ohne weiteres Gelegenheit zur Einführung weiterer Revisionsgründe bestanden hätte, der Gesetzgeber aber eine solche Möglichkeit nicht einmal in Betracht gezogen hat, deutet darauf hin, dass er qualifiziert geschwiegen hat (vgl. BGE 99 V 19 ff.; diesbezüglich kritisch Hutter, a.a.O., S. 84 ff.).

cc) Dieses eher vage Anzeichen - immerhin könnte die Untätigkeit des Gesetzgebers auch auf ein blosses Versehen zurückzuführen sein - wird entscheidend verstärkt, wenn die Durchsetzungsmechanismen einerseits der EMRK und andererseits der FoK einander gegenübergestellt werden.

Im Falle der EMRK ergibt sich dabei, dass die Urteile der Strassburger-Organe in einem kontradiktorischen Verfahren mit quasi-gerichtlichem Charakter zustandekommen (Der quasi-gerichtliche Charakter rührt unter anderem daher, dass heute mit dem Ministerkomitee einer politischen Behörde Entscheidbefugnis zukommt. Dieser "Mangel" wird indessen mit dem am 1. November 1998 in Kraft tretenden 11. Protokoll zur EMRK behoben, indem der EGMR fortan als einziges Entscheidorgan und neu als ständiger Gerichtshof über Beschwerden befinden wird; die Europäische Kommission für Menschenrechte, bisher zuständig für das Zulassungsverfahren, wird aufgelöst; vgl. dazu S. Trechsel, Das Schutzsystem der EMRK heute und [über-?]morgen, in: Europa Institut Zürich, D. Thürer/R.H. Weber/R. Zäch [Hrsg.], Aktuelle Fragen zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Zürich 1994, S. 5 ff.; Botschaft des Bundesrates vom 23. November 1994 über die Genehmigung des Protokolls Nr. 11 zur EMRK vom 11. Mai 1994 betreffend Umgestaltung der in dieser Konvention vorgesehenen Kontrollmechanismen, BBl