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Familienrechts von Amtes wegen zu berücksichtigen. Das Kindeswohl gemäss Art. 3 Abs. 1 KRK ist jedoch umfassender als der entsprechende Begriff des schweizerischen Rechts; es ist nämlich generell bei allen Massnahmen, die Kinder betreffen, zu beachten - ob sie nun von öffentlichen oder privaten Organen getroffen werden (vgl. Botschaft, BBl 1994 V 26 f.; Wolf, a.a.O., S. 132).

Direkt anwendbar (self-executing) sind staatsvertragliche Bestimmungen, wenn sie Bürger und Staatsorgane im Rechtsverkehr unmittelbar berechtigen und verpflichten. Sie sind es in der Terminologie des Bundesgerichtes dann, wenn sie inhaltlich hinreichend bestimmt und klar sind, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides bilden zu können. Die erforderliche Bestimmtheit geht vor allem blossen Programmartikeln ab. Sie fehlt auch Bestimmungen, die eine Materie nur in Umrissen regeln, dem Vertragsstaat einen beträchtlichen Ermessens- oder Entscheidungsspielraum lassen oder blosse Leitgedanken enthalten, sich also nicht an die Verwaltungs- oder Justizbehörden, sondern an den Gesetzgeber richten (vgl. BGE 120 Ia 11 Erw. 5b; W. Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., Bern 1994, S. 90; Y. Hangartner, Die Bindung von Verwaltung und Justizbehörden an die EMRK, in AJP 2/95, S. 142 f.).

In der Praxis der Vertragsstaaten ist die Frage der direkten Anwendbarkeit der KRK kontrovers (vgl. Wolf, a.a.O., S. 149 mit Hinweisen in Anm. 143; I. Schwenzer, Die UN-Kinderkonvention und das schweizerische Kindesrecht, in AJP 1994, S. 819 mit Hinweisen in Anm. 21 und 22, Botschaft, BBl 1994 V 21 Anm. 62 und 39 Anm. 143). In der Schweiz sind Lehre und Praxis hingegen der Auffassung, dass sich einzelne Bestimmungen der KRK durchaus zur direkten Anwendung eignen können (Botschaft, BBl 1994 V 20; Wolf, a.a.O., S. 130 f., Schwenzer, a.a.O., S. 819 und 824; vgl. auch das zur Publikation vorgesehene Urteil des Bundesgericht vom 22. Dezember 1997 (5P.421/1197), in dem die direkte Anwendbarkeit von Art. 12 KRK bejaht wird [vgl. die Berichterstattung von St. Mazan in: ZBJV 1998 S. 234 f.]).

Die Frage nach der direkten Anwendbarkeit des in Art. 3 Abs. 1 KRK verankerten Grundsatzes der vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls ist in der Literatur bezüglich der Schweiz bis anhin nicht eingehend erörtert worden. Immerhin scheinen einzelne Autoren von der direkten Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 KRK auszugehen (so wohl Schertenleib, a.a.O., S. 17) oder zumindest nicht auszuschliessen (vgl. Wolf, a.a.O., S. 142 f.). In BGE 123 III 449 wurde die direkte Anwendbarkeit von Art. 3 KRK im Zusammenhang mit der