|
|
Diese Praxis wird kritisiert, wobei im wesentlichen geltend gemacht wird, sie stehe
einseitig im Dienste der Verfahrensbeschleunigung und vernachlässige den Aspekt der
Schutzbedürftigkeit des Minderjährigen bzw. sie vereitle den gesetzlich vorgesehenen
Schutz Minderjähriger (vgl. J. Schertenleib, Der Vollzug der Wegweisung von unbegleiteten
minderjährigen Asylsuchenden, in ASYL 1996/1 S. 16; A. Bucher, Schweizerische Zeitschrift
für internationales und europäisches Recht (SZIER), 2/96, S. 199 f.; A. Biedermann Kaess
u.a., Doppelt schutzlos [Unbegleitete minderjährige Asylsuchende in der Schweiz], Hrsg.:
HEKS 1996, S. 16 f.; vgl. auch Interpellation Bäumlin, 2. Kreisschreiben des BFF zur
Behandlung von Asylgesuchen unbegleiteter Minderjähriger, Amtl. Bulletin Nationalrat
1995, S. 1672 f.; Motion Bäumlin, Schutz für unbegleitete minderjährige Asylsuchende,
Amtl. Bulletin Nationalrat 1996, S. 339 ff.) und es wird - jedenfalls de lege ferenda -
vorgeschlagen, das Asylverfahren mit den vormundschaftlichen Massnahmen zu koordinieren,
dem unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden einen Vormund oder Vertretungsbeistand zu
ernennen, ihm zudem von Amtes wegen eine Rechtsvertretung beizugeben und eine Befragung zu
den Asylgründen erst nach Ernennung des Vormunds bzw. Vertretungsbeistands und der
Beigebung eines amtlichen Rechtsvertreters durchzuführen (vgl. Schertenleib, a.a.O., S.
16; Biedermann Kaess, a.a.O., S. 15 f. und 52 f.).
cc) Die Praxis der Vormundschaftsbehörden einiger Kantone, für unbegleitete
minderjährige Asylbewerber keine vormundschaftlichen Massnahmen anzuordnen (vgl. dazu
Biedermann Kaess, a.a.O., S. 29 ff. am Beispiel der Kantone Basel-Stadt, Bern, St. Gallen,
Waadt und Zürich), ist zweifellos gesetzwidrig und ist auch unter dem Aspekt des in Art.
2 KRK enthaltenen Diskriminierungsverbotes bedenklich. Das Asylgesetz selbst kennt bislang
keine speziellen Vorschriften, die auf die besonderen Schwierigkeiten und
Schutzbedürfnisse unbegleiteter minderjähriger Asylbewerber Rücksicht nehmen. Es sieht
dementsprechend auch nicht vor, dass ein unbegleiteter urteilsfähiger Minderjähriger
erst zu den Asylgründen angehört werden kann, wenn ihm die zuständige
Vormundschaftsbehörde einen gesetzlichen Vertreter ernannt hat. Ebensowenig ist
vorgesehen, einen unbegleiteten Minderjährigen amtlich zu verbeiständen. Es ist
fraglich, ob die geltende gesetzliche Regelung den Anforderungen des Art. 22 Abs. 1 KRK
entspricht, gemäss welchem die Vertragsstaaten geeignete Massnahmen zu treffen haben, um
sicherzustellen, "dass ein Kind, das die Rechtsstellung eines Flüchtlings begehrt
oder nach Massgabe der anzuwendenden Regeln und Verfahren des Völkerrechts oder des
innerstaatlichen Rechts als Flüchtling angesehen wird, angemessenen Schutz |