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Auszug aus dem Urteil der ARK vom 4. Juni 2003 i.S. S. I.,Serbien und Montenegro (Kosovo)

Art. 52 VwVG: Mangelhafte Beschwerdeschrift: Fehlende Originalunterschrift.

Fehlt die Unterschrift auf der Beschwerdeschrift, kann dieser Mangel auch durch eine fristgerecht nachgelieferte Originalunterschrift behoben werden, welche auf einer anderen Eingabe des Beschwerdeführers (in casu: Gesuch um ratenweise Zahlung des Kostenvorschusses) angebracht ist.

Art. 52 PA : recours irrégulier ; défaut de signature originale.

Si le mémoire de recours ne comporte pas de signature, ce vice peut néanmoins être guéri par l'apposition, dans le délai prolongé, d'une signature originale sur un autre acte émanant du recourant (in casu  :  une demande de paiement par acomptes de l'avance de frais).

Art. 52 PA: atto ricorsuale viziato: mancanza della firma in originale.

È possibile regolarizzare un ricorso sprovvisto della firma in originale anche apponendo la firma mancante su di un'ulteriore atto - in casu, una domanda di pagamento rateale dell'anticipo spese - inoltrato entro il termine accordato per la regolarizzazione del gravame.

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Mit Verfügung vom 4. Dezember 2002 wies das BFF das Asylgesuch des Beschwerdeführers vom 14. Oktober 2002 ab und ordnete dessen Wegweisung aus der Schweiz an.

Mit Eingabe vom 9. Januar 2003 wurden bei der ARK zwei fotokopierte Beschwerdeexemplare ohne Originalunterschrift eingereicht, worin die Aufhebung der BFF-Verfügung vom 4. Dezember 2002 und die Gewährung von Asyl beziehungsweise eventualiter die Anordnung der vorläufigen Aufnahme beantragt
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und in verfahrensrechtlicher Hinsicht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG ersucht wurde.

Mit Zwischenverfügung der ARK vom 23. Januar 2003 wurde der Beschwerdeführer unter Androhung des Nichteintretens im Unterlassungsfall zur Einreichung einer Beschwerdeverbesserung (Beschwerdeeingabe mit Originalunterschrift) aufgefordert. Im Weiteren wurde das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zufolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abgewiesen und der Beschwerdeführer aufgefordert bis zum 7. Februar 2003 einen Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 600.-- zu leisten.

Mit Schreiben vom 28. Januar 2003 stellte der Beschwerdeführer ein - eigenhändig unterschriebenes - Gesuch um ratenweise Zahlung des erhobenen Kostenvorschusses. Dieses Gesuch wurde abgewiesen und dem Beschwerdeführer wurde unter Androhung des Nichteintretens eine kurze Nachfrist zur Leistung des Kostenvorschusses angesetzt, die er unbenutzt verstreichen liess.

Die ARK tritt auf die Beschwerde nicht ein.

Aus den Erwägungen:

2. a) Im Rahmen der Prüfung der Eintretensvoraussetzungen stellt sich im Weiteren die Frage, ob die Beschwerdeeingabe den formellen Erfordernissen entspricht. Gemäss Art. 52 Abs. 1 VwVG - worin die gesetzlichen Anforderungen an eine Beschwerdeeingabe geregelt werden - hat die Beschwerdeschrift die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Die Bestimmung fordert somit ihrem Wortlaut nach klar eine Unterschrift, nicht bloss eine Unterschriftskopie, weshalb grundsätzlich nur eine Eingabe mit Originalunterschrift den Formvorschriften entspricht (vgl. A. Kölz/I. Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 217, Rn. 605; vgl. auch EMARK 1997 Nr. 20, Erw. 3a, S. 169, mit Hinweis auf BGE 112 Ia 173, wonach eine Rechtsschrift ans Bundesgericht, auf der sich die Unterschrift nur in Fotokopie befindet, wegen der Gefahr des Missbrauchs mittels Fotomontage ungültig ist). Nach Art. 52 Abs. 2 und 3 VwVG räumt die Beschwerdeinstanz dem Beschwerdeführer jedoch - unter Vorbehalt der Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs (vgl. dazu EMARK 2000 Nr. 7) - bei ungenügender, aber nicht offensichtlich unzulässiger Beschwerde, als Ausdruck eines aus dem Verbot des überspitzten Formalismus fliessenden allgemeinen prozessualen Rechtsgrundsatzes, eine kurze Nachfrist zur Beschwerdeverbesserung ein und verbindet diese, falls Begehren, Begründung oder Unterschrift fehlen, mit 


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der Androhung des Nichteintretens nach unbenutztem Fristablauf. Gemäss Art. 110 Abs. 1 AsylG beträgt die Verbesserungsfrist im Asylbeschwerdeverfahren sieben Tage.

b) Im vorliegenden Fall reichte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 9. Januar 2003 (Poststempel: 10. Januar 2003) am letzten Tag der 30-tägigen Beschwerdefrist bei der ARK zwei fotokopierte Beschwerdeexemplare ohne Originalunterschrift ein. Mit Zwischenverfügung vom 23. Januar 2003 wurde er daher unter Androhung des Nichteintretens im Unterlassungsfall aufgefordert, innert sieben Tagen ab Erhalt dieser Verfügung die letzte Seite der ihm retournierten Beschwerdeeingabe mit seiner Originalunterschrift versehen einzureichen. Mit Eingabe vom 28. Januar 2003 (Poststempel: 29. Januar 2003) stellte der Beschwerdeführer in der Folge zwar ein - eigenhändig unterschriebenes - Gesuch um ratenweise Zahlung des mit Zwischenverfügung vom 23. Januar 2003 erhobenen Kostenvorschusses; das ihm zurückgeschickte Beschwerdeexemplar legte er indessen nicht bei. Es ist somit im Folgenden zu prüfen, ob damit die mangelhafte Beschwerdeeingabe vom 9. Januar 2003 nachträglich formgerecht verbessert wurde.

c) Nach den analog auch im Verwaltungs(verfahrens)recht geltenden obligationenrechtlichen Grundsätzen von Art. 11 ff. OR (vgl. Gauch/Aepli/Stöckli, Präjudizienbuch zum OR, 5. Aufl., Zürich 2002, S. 39; BGE 101 III 66; 86 III 3; 81 IV 143) gilt, dass der rechtsgeschäftliche Wille - wie hier der Wille zur Beschwerdeerhebung - durch Gesetz an eine bestimmte Form gebunden sein kann, um gültig zu sein. Da - wie obenstehend ausgeführt - Art. 52 Abs. 1 VwVG bestimmt, dass eine vorinstanzliche Verfügung nur in schriftlicher Form, somit nur mittels Beschwerdeschrift angefochten werden kann, hat eine Beschwerdeschrift, um rechtsgenüglich zu sein, grundsätzlich die obligationenrechtlichen Anforderungen an die einfache Schriftlichkeit zu erfüllen. Dies bedeutet unter anderem, dass die Beschwerdeschrift nach Art. 14 OR eine eigenhändige Unterschrift (des Beschwerdeführers oder seines Vertreters) tragen muss und sich die Signatur durch ihre örtliche Stellung äusserlich als eine die Urkunde vollziehende Willenserklärung darzustellen hat; es ergibt sich bereits begriffslogisch aus dem Terminus "Unterschrift", dass diese einem bestimmten Text grundsätzlich unmittelbar nachfolgt. Die Unterschrift muss mit anderen Worten stets den Inhalt einer bestimmten Urkunde decken, wenn sie auch nicht in jedem Fall auf dieser selbst angebracht sein muss, sondern beispielsweise auf einem Begleitbrief oder auf dem Zustellcouvert an die Gerichtsbehörde stehen kann (vgl. zum Ganzen Gauch/Aepli/Stöckli, a.a.O., S. 39; I. Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bern 1998, S. 186, Rn. 31.12; Guhl/Koller/
Schnyder/Druey, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000, S. 122, Rn. 13, mit Hinweis auf BGE 33 II 105; 85 II 569; 106 II 149).


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d) Bei einer vorbehaltlosen Anwendung der erläuterten obligationenrechtlichen Grundsätze auf den vorliegenden Fall würde sich nach den obenstehenden Ausführungen die eigenhändige Unterschrift des Beschwerdeführers auf dem mit Schreiben vom 28. Januar 2003 eingereichten Gesuch um Ratenzahlung nicht auf die Beschwerdeschrift vom 9. Januar 2003 beziehen und könnte daher den diesbezüglichen Formmangel an sich nicht beseitigen. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschriften von Art. 52 Abs. 1 und 2 VwVG erschiene indessen im vorliegenden Fall trotz dieses Umstandes die Ausfällung eines Nichteintretensentscheides als zu formalistisch. Mit dem Erfordernis einer Originalunterschrift soll nämlich in der Verwaltungsrechtspflege vorab die Gefahr einer Manipulation ausgeschlossen werden, das heisst insbesondere die Möglichkeit einer Beschwerdeeinreichung durch eine vom Verfügungsadressaten nicht autorisierte Drittperson (vgl. den bereits zitierten BGE 112 Ia 173, sowie Kölz/Häner, a.a.O., S. 217, Rn. 605). Ein über diese Absicht der Missbrauchsbekämpfung hinausgehender Selbstzweck kommt den genannten Bestimmungen indessen nicht zu, sollte doch gerade mit Art. 52 Abs. 2 VwVG im Verwaltungsverfahren die früher geltende Formstrenge gemildert werden (vgl. BBl 1965 II 1371).

e) Im vorliegenden Fall kann aufgrund der konkreten Umstände die Frage nach dem "Beschwerdeverursacher" mit hinreichender Bestimmtheit bejaht werden. Zum einen tragen nämlich die innert der 30-tägigen Beschwerdefrist bei der ARK eingereichten, fotokopierten Beschwerdeexemplare immerhin eine Unterschrift, wenn auch nicht im Original. Zum andern hat der Beschwerdeführer, welcher im Beschwerdeverfahren keinen Rechtsvertreter bestimmt hat, innert der ihm mit Zwischenverfügung vom 23. Januar 2003 angesetzten Verbesserungsfrist reagiert und ein mit seiner Originalunterschrift - welche offensichtlich mit derjenigen auf den fotokopierten Beschwerdeeingaben vom 9. Januar 2003 übereinstimmt - versehenes prozessuales Gesuch gestellt, mithin seine Eigenschaft als Beschwerdeführer manifestiert. Bei dieser Sachlage bestehen keinerlei vernünftige Zweifel daran, dass die Beschwerdeeingabe vom 9. Januar 2003 dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist und von diesem eingereicht wurde. Da sich schliesslich aus den Akten auch keine Anhaltspunkte für die Annahme eines bewussten, missbräuchlichen Vorgehens des Beschwerdeführers - bei welchem es sich um einen juristischen Laien handelt - im Sinne der Rechtsprechung der ARK gemäss EMARK 2000 Nr. 7 ergeben, ist der ursprüngliche Formmangel als geheilt zu erachten.

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© 04.11.03