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Auszug aus dem Urteil der ARK vom 16. Dezember 1999 i.S. A.D., Aethiopien

[English Summary]

Art. 52 Abs. 2 VwVG: Missbräuchliche Inanspruchnahme einer Nachfrist zur Beschwerdeverbesserung.

Das Institut der Verbesserungsfrist nach Art. 52 Abs. 2 VwVG bezweckt, aus Versehen oder aus Unkenntnis begangene Unterlassungen beheben zu können. Reicht ein Beschwerdeführer durch seinen rechtskundigen Vertreter bewusst eine mangelhafte Beschwerdeschrift ein, um damit eine Verlängerung der Beschwerdefrist zu erreichen, benutzt er diese Regelung in zweckwidriger Weise. Bei solchem offensichtlichem Rechtsmissbrauch besteht daher kein Anspruch, die mangelhafte Beschwerdeschrift innert Nachfrist zu verbessern.

Art. 52 al. 2 PA : demande abusive d'un délai supplémentaire pour régulariser le recours.

Le délai de régularisation prévu par l'art. 52 al. 2 PA a pour but de pallier des omissions relevant de la mégarde ou de la méconnaissance. Le recourant qui dépose sciemment, par le truchement de son mandataire, un recours entaché de vices pour obtenir une prolongation du délai de recours, agit contrairement au but de cette disposition. Devant un tel abus de droit, il ne peut prétendre à la régularisation du recours dans le délai supplémentaire.

Art. 52 cpv. 2 PA: ricorso abusivo al termine suppletorio per la regolarizzazione di un gravame.

Giusta l'art. 52 cpv. 2 PA, il termine suppletorio per la regolarizzazione di un ricorso è accordato unicamente per rimediare alle omissioni involontarie. Il ricorrente che, per il tramite di un mandatario professionale, inoltra volontariamente un ricorso viziato, alfine d'ottenere una proroga del termine ricorsuale, fa un uso improprio della normativa in questione. In tali


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casi d'abuso manifesto, non è dato un diritto alla concessione del termine suppletorio per la regolarizzazione del gravame.

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die Beschwerdeführerin reiste laut eigenen Angaben am 27. April 1999 in die Schweiz ein und stellte am 28. April 1999 ein Asylgesuch.

Mit Verfügung vom 3. November 1999 lehnte das BFF das Asylgesuch ab und ordnete gleichzeitig die Wegweisung der Beschwerdeführerin aus der Schweiz an.

Mit Eingabe vom 6. Dezember 1999 beantragt die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung (eine Vereinigung zur Gewährung von Rechtshilfe an Asylsuchende) die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und die Gewährung von Asyl in der Schweiz. Eventuell sei festzustellen, dass der Vollzug der Wegweisung undurchführbar, unzumutbar und unzulässig sei. Auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sei zu verzichten. Weiter führte sie aus, eine Beschwerdebegründung werde nachgereicht.

Mit Eingabe vom 13. Dezember 1999 (Poststempel) reichte die Beschwerdeführerin kommentarlos eine Kopie der Eingabe vom 6. Dezember 1999 sowie eine ebenfalls vom 6. Dezember 1999 datierte Beschwerde mitsamt einer Beschwerdebegründung ein. Am 14. Dezember 1999 wurde eine Fürsorgebestätigung nachgereicht.

Die ARK tritt auf die Beschwerde nicht ein.

Aus den Erwägungen:

3.a) Zu prüfen bleibt, ob die Form, in welcher die Beschwerde eingereicht wurde, als rechtsgültig bezeichnet werden kann.

b) Gemäss Art. 52 Abs. 1 VwVG hat die Beschwerdeschrift die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Genügt die Beschwerde diesen Anforderungen nicht und stellt sich die Beschwerde nicht als offensichtlich unzulässig heraus, so räumt die Beschwerdeinstanz nach Art. 52 Abs. 2


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VwVG eine kurze Nachfrist zur Verbesserung ein. Bei Art. 52 VwVG handelt es sich um eine formelle Vorschrift, weshalb die Beschwerdeinstanz grundsätzlich zur Nachfristansetzung verpflichtet ist; vorbehalten bleiben Fälle des offensichtlichen Rechtsmissbrauches (BGE 112 Ib 635, 104 V 178 f.; A. Kölz / I. Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtsprechung des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 217, Rdz. 606; vgl. auch EMARK 1997 Nr. 20, S. 171 f.).

c) Die Eingabe der [Vereinigung X.] als Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin vom 6. Dezember 1999 enthält die Rechtsbegehren und Ausführungen zu den Prozessvoraussetzungen. Dagegen entbehrt sie einer materiellen Begründung. Unter dem Titel "Materielles" führte der Rechtsvertreter dazu ohne jegliche Angabe von Gründen aus, "Die materielle Begründung wird nachgereicht werden". Eine Beschwerdebegründung wurde mit Postaufgabe vom 13. Dezember 1999 kommentarlos nachgereicht.

Die Beschwerdeeingabe vom 6. Dezember 1999 enthält mithin keine Begründung und ist daher als offensichtlich mangelhaft im Sinne von Art. 52 Abs. 1 VwVG zu bezeichnen. Zu prüfen ist die Frage, ob im vorliegenden Fall ein Anspruch besteht, den Mangel der fehlenden Begründung innert einer Nachfrist verbessern zu können.

d) Die Regelung von Art. 52 VwVG bezweckt die Vermeidung von jeglichem überspitzten Formalismus, indem sie dem Betroffenen ermöglicht, eine aus Versehen oder mangels Rechtskenntnissen entstandene Unterlassung zu beheben (BGE 121 II 255). Die Beschwerdeinstanz ist - wie weiter oben bereits erwähnt - zur Gewährung einer solchen Nachfrist grundsätzlich verpflichtet. Vorbehalten bleiben indessen die Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs. Die genannte Regelung darf nicht zweckwidrigerweise dazu verwendet werden, durch kalkuliertes "Einbauen" eines Formfehlers eine Verlängerung der Beschwerdefrist "herauszuschinden" (vgl. unveröffentlichtes Urteil der ARK vom 25. März 1999 i.S. J.M.M.G., Sri Lanka). Der Beschwerdeführer, der in voller Kenntnis des Mangels eine Rechtsschrift einreicht, indem er sich auf die Gewährung einer Nachfrist zur Behebung des anfänglichen Mangels verlässt, rechnet in Wirklichkeit mit einer Verlängerung der Beschwerdefrist. Ein solches Verhalten kann nicht geschützt werden. Im vorliegenden Fall kommt erschwerend hinzu, dass die [Vereinigung X.], welche auch im soeben genannten Verfahren als Rechtsvertretung fungiert hatte, im Urteil vom 25. März 1999 auf die Problematik ausdrücklich hingewiesen worden war. In diesem Urteil kam zwar die ARK zum Schluss, ein bewusst treuwidriges Verhalten und da-


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mit ein offensichtlicher Rechtsmissbrauch sei aufgrund der konkreten Umstände nicht anzunehmen, weshalb auf die Beschwerde eingetreten wurde, jedoch mit einer ausdrücklichen Warnung: "Der Rechtsvertreter wird indessen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die ARK künftig dieses prozessuale Vorgehen nicht mehr akzeptieren würde und er in solchen Fällen einen Nichteintretensentscheid zu gewärtigen hätte." Unter diesen Umständen ist im vorliegenden Fall die Vorgehensweise der Beschwerdeführerin bzw. deren Rechtsvertretung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, weshalb wegen offensichtlichen Missbrauchs kein Anspruch auf Verbesserung der formell mangelhaften Rechtsschrift besteht. Auf die Beschwerde ist deshalb mangels rechtzeitig eingereichter Begründung im einzelrichterlichen Verfahren nicht einzutreten (Art. 111 Abs. 2 Bst. b AsylG i.V. mit Art. 52 VwVG). Unerheblich ist daher, dass die Beschwerdeführerin mit Postaufgabe vom 13. Dezember 1999 unaufgefordert eine Beschwerdebegründung nachgereicht hat.

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