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Auszug aus dem Urteil der ARK vom 19. April 2000 i.S. Y.M., Sri Lanka

[English Summary]

Art. 48 Bst. a und Art. 25 VwVG: Aktuelles Rechtsschutzinteresse.

1. Beschränkt sich der Gegenstand des Verfahrens auf die Frage des Wegweisungsvollzugs, entfällt grundsätzlich das aktuelle Rechtsschutzinteresse, nachdem die Wegweisung bereits vollzogen ist (Erw. 2b).

2. Ein Rechtsschutzinteresse kann auch nicht unter Berufung auf ein Feststellungsinteresse (Art. 25 Abs. 2 VwVG) geltend gemacht werden, wenn die Gründe zuvor mit einer Beschwerde hätten vorgebracht werden können (Erw. 2c).

3. Frage offen gelassen, ob vorliegend Grund besteht, ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen Rechtsschutzinteresses zu verzichten (Erw. 2d und e).

4. Ein Wiedererwägungsverfahren darf nicht als Ersatz für eine - durch Fristversäumnis - verpasste Beschwerdemöglichkeit dienen. Gründe, welche bereits im Zeitpunkt der verpassten Anfechtungsmöglichkeit im ordentlichen Beschwerdeverfahren bestanden, können somit nicht als Wiedererwägungsgründe vorgebracht werden (Erw. 5b).

Art. 48 let. a et 25 PA : intérêt actuel digne de protection.

1. Lorsque l'objet de la procédure est limité à l'exécution du renvoi et que cette exécution a déjà eu lieu, il n'y a en principe plus d'intérêt actuel digne de protection à la poursuite de la procédure (consid. 2b).

2. Un intérêt digne de protection ne peut non plus être invoqué dans le contexte d'une procédure en constatation (art. 25 al. 2 PA), lorsque les motifs auraient pu être allégués dans le cadre de la procédure de recours (consid. 2c).


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3. La question de l'existence de motifs permettant de renoncer, même exceptionnellement, à l'exigence d'un intérêt digne de protection actuel est laissée ouverte (consid. 2d et e).

4. Une procédure de réexamen ne doit pas servir à pallier l'inobservation du délai de recours : les motifs qui auraient pu être invoqués dans la procédure ordinaire si le délai de recours avait été respecté, ne peuvent plus être invoqués comme motifs de réexamen (consid. 5b).

Art. 48 lett. a e art. 25 PA: interesse attuale degno di protezione.

1. Qualora l'oggetto della procedura sia limitato alla questione dell'esecu-zione dell'allontanamento, e l’esecuzione sia già intervenuta, viene di regola a mancare un interesse attuale degno di protezione alla continuazione della procedura dinanzi alla CRA (consid. 2b).

2. Un interesse degno di protezione non può essere invocato nemmeno in relazione con una procedura d'accertamento (art. 25 cpv. 2 PA), allorquando tali censure avrebbero potuto essere invocate in sede ricorsuale (consid. 2c).

3. Nel caso di specie, la questione di sapere se, eccezionalmente, possa essere rinunciato all'esigenza dell'interesse attuale, può rimanere irrisolta (consid. 2d e e).

4. Non si può ovviare all'inosservanza del termine ricorsuale per il tramite di una procedura di riesame. Pertanto, i motivi che avrebbero potuto e dovuto essere invocati in procedura ordinaria non possono più essere fatti valere quali motivi di riesame (consid. 5b).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Das Asylgesuch der Beschwerdeführerin vom 11. Mai 1998 wurde vom BFF am 2. November 1998 abgelehnt, unter gleichzeitiger Anordnung der Wegweisung. Auf die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde trat die ARK mit Urteil vom 10. Dezember 1998 wegen Verspätung nicht ein.


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Mit Eingabe vom 3. Februar 2000 (eingegangen beim BFF per Telefax am 3. Februar 2000 um 19.42 Uhr) reichte die Beschwerdeführerin beim BFF ein Wiedererwägungsgesuch ein und beantragte, es sei die Verfügung des BFF vom 2. November 1998 aufzuheben und unter Einbezug des Asylverfahrens des zukünftigen Ehemannes neu zu beurteilen. Es sei festzustellen, dass seit Erlass der Verfügung vom 2. November 1998 eine wiedererwägungsrechtlich massgebliche Änderung der Sachlage eingetreten sei. Eventualiter sei der Vollzug der Wegweisung bis zu einem rechtskräftigen Entscheid über das Asylverfahren des zukünftigen Ehemannes zu sistieren. Subeventualiter sei die Unzulässigkeit und die Unzumutbarkeit des Vollzuges der Wegweisung festzustellen und es sei ihr von Amtes wegen die vorläufige Aufnahme zu gewähren. Schliesslich sei die zuständige Fremdenpolizei anzuweisen, auf Vollzugshandlungen während der Behandlung des Wiedererwägungsgesuches zu verzichten.

Mit Telefaxeingabe vom 4. Februar 2000 beantragte die Beschwerdeführerin bei der ARK, es sei das BFF im Hinblick auf die bevorstehende Ausschaffung der Beschwerdeführerin anzuweisen, den Vollzug der Wegweisung zu sistieren. Die kantonale Fremdenpolizeibehörde sei entsprechend zu informieren.

Der Telefax wurde von der ARK am 7. Februar 2000 mit dem Vermerk "Zur Erledigung" an das BFF weitergeleitet.

Am 4. Februar 2000 wurde die Beschwerdeführerin von der kantonalen Fremdenpolizei nach Colombo ausgeschafft.

Mit Schreiben vom 4. Februar 2000 (verschickt am 7. Februar 2000) teilte das BFF der Beschwerdeführerin durch deren Rechtsvertreter unter anderem mit, es lägen keine Gründe vor, um von Vollzugshandlungen abzusehen.

Mit ergänzender Eingabe ihres Rechtsvertreters vom 2. März 2000 beantragte die Beschwerdeführerin beim BFF, zur Wiedergutmachung der unrechtmässig erfolgten Ausschaffung sei der Beschwerdeführerin die Einreise in die Schweiz zu bewilligen.

Mit Verfügung vom 6. März 2000 lehnte das BFF das Wiedererwägungsgesuch ab, soweit darauf einzutreten sei und erklärte die Verfügung vom 2. November 1998 für rechtskräftig und nach Ablauf der angesetzten Ausreisefrist vollstreckbar.


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Mit Eingabe ihres Rechtsvertreters vom 28. März 2000 beantragt die Beschwerdeführerin, es sei festzustellen, dass der Vollzug der Wegweisung rechtswidrig erfolgt sei. Die angefochtene Verfügung sei aufzuheben. Die aufschiebende Wirkung sei zu gewähren. Das BFF sei anzuweisen, der Beschwerdeführerin die Einreise in die Schweiz zu gestatten. Im Weiteren sei der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

Die ARK weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.

Aus den Erwägungen:

2. a) Ein Urteil in der Sache kann nur dann ergehen, wenn die Sachurteilsvoraussetzungen ("Prozessvoraussetzungen") erfüllt sind (siehe dazu allg. F. Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 71 ff.; P. Saladin, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Basel und Stuttgart 1979, S. 169 ff.). Deren Vorliegen ist von Amtes wegen zu prüfen (vgl. Gygi, a.a.O., S. 73; Saladin, a.a.O., S. 170). Fehlt eine Prozessvoraussetzung, so ist auf das Rechtsmittel nicht einzutreten (vgl. Gygi, a.a.O., S. 72; Saladin, a.a.O., S. 169/170); eine Prüfung der materiellen Parteivorbringen entfällt.

b) Als Prozessvoraussetzung gilt unter anderem auch das Rechtsschutzinteresse (Gygi a.a.O., S. 72). Dieses bedingt, dass für die Rechtsschutzbehörden hinreichender Anlass zur Annahme besteht, der Beschwerdeführer habe überhaupt noch ein schutzwürdiges Interesse [das heisst ein reales, nicht bloss theoretisches Interesse (vgl. Gygi, a.a.O., S. 153)] am Fortgang des Verfahrens (EMARK 1997 Nr. 18, S. 150 f.).

Vorab ist festzuhalten, dass die von den kantonalen Behörden am 4. Februar 2000 vollzogene Ausschaffung der Beschwerdeführerin rechtmässig und gestützt auf eine rechtskräftige und vollstreckbare Verfügung erfolgt ist. Der Umstand alleine, dass die Beschwerdeführerin am 3. Februar 2000 beim BFF ein Wiedererwägungsgesuch eingereicht hat, vermochte den Vollzug der Wegweisung nicht zu hemmen (Art. 112 Abs. 4 AsylG), es sei denn, das für die Behandlung des Wiedererwägungsgesuches zuständige BFF hätte den Vollzug ausgesetzt, was offensichtlich nicht der Fall war.

Die vorliegende Beschwerde vom 28. März 2000 beschlägt - wie im Übrigen bereits das ans BFF gerichtete Wiedererwägungsgesuch vom 3. Februar 2000 - ausschliesslich Fragen des Wegweisungsvollzuges. Es wird die Anordnung ei- 


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ner vorläufigen Aufnahme wegen Unzulässigkeit beziehungsweise Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges beantragt. Für die Dauer des Wiedererwägungs- wie auch des Rekursverfahrens, in dem diese Fragen zu prüfen seien, wird sodann die Einräumung der aufschiebenden Wirkung beziehungsweise die Anordnung vorsorglicher Massnahmen beantragt.

Beim Institut der vorläufigen Aufnahme handelt es sich nicht um einen selbständigen Rechts- oder Aufenthaltsstatus, sondern um eine Ersatzmassnahme an Stelle eines undurchführbaren (unzulässigen, unzumutbaren oder unmöglichen) Wegweisungsvollzuges (vgl. W. Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, Basel/Frankfurt a.M. 1990, S. 201, A. Achermann/Ch. Hausammann, Handbuch des Asylrechts, 2. Aufl., Bern/Stuttgart 1991, S. 171, 336, 399); ist demgegenüber eine verfügte Wegweisung bereits vollzogen worden, können sich Fragen betreffend allfällige Ersatzmassnahmen für diesen - bereits erfolgten - Vollzug nicht mehr stellen. Ebenso fallen mit dem Vollzug einer Wegweisung die Fragen betreffend eine allfällige Erstreckung der dem zwangsweisen Vollzug vorangehenden Ausreisefrist dahin.

Die mit Eingabe vom 3. Februar 2000 beim BFF und mit Eingabe vom 28. März 2000 bei der Asylrekurskommission erhobenen Rechtsbegehren basieren damit auf einem Rechtsschutzinteresse, das zwar bis zum Zeitpunkt der Ausschaffung der Beschwerdeführerin bestanden hatte, inzwischen indessen durch die erfolgte Ausschaffung dahingefallen ist. Nachdem die Wegweisung der Beschwerdeführerin noch vor Einreichung der vorliegenden Beschwerdeschrift bereits vollzogen worden ist, wird daher ein aktuelles Rechtsschutzinteresse (zu diesem Erfordernis vgl. Gygi, a.a.O., S. 154; Saladin, a.a.O., S. 175 f.) betreffend die Anordnung allfälliger Ersatzmassnahmen für diesen vielmehr bereits erfolgten Wegweisungsvollzug grundsätzlich nicht ersichtlich. Ihr Interesse am Fortgang des Verfahrens ist demnach als ein bloss Theoretisches zu qualifizieren.

c) Die Beschwerdeführerin macht unter Verweis auf Art. 25 VwVG (Feststellungsverfahren) geltend, es bestehe ein rechtliches und ein tatsächliches Interesse daran festzustellen, ob die Ausschaffung eines Konkubinatspartners, welcher kurz vor der Heirat stehe, rechtlich zulässig sei, wenn der andere Partner im Besitz einer vorläufigen Aufnahme sei. Diese von der Beschwerdeführerin (allgemein) geschilderte Fallkonstellation bestand für sie selbst konkret bereits im Zeitpunkt, als sie eine Beschwerde gegen die Verfügung des BFF vom 2. November 1998 hätte einreichen können. Den Akten des Asylverfahrens kann aber entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin damals die Beschwer- 


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defrist verpasst hat, weshalb auf ihre Eingabe denn auch nicht eingetreten wurde. Ein Begehren um Erlass einer Feststellungsverfügung ist aber unzulässig, wenn damit eine verpasste Beschwerdefrist im Ergebnis wiederhergestellt werden soll (vgl. P. Saladin, a.a.O., S. 98 mit weiteren Verweisen), was vorliegend offensichtlich der Fall ist.

Im vorliegenden Fall ist demnach ein aktuelles, praktisches Interesse der Beschwerdeführerin an der Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens klarerweise zu verneinen. Das Begehren um Erlass einer Feststellungsverfügung ist zudem aufgrund eines prozessualen Versäumnisses, welches sich die Beschwerdeführerin selbst anzurechnen hat, unzulässig.

d) Ausnahmsweise wird trotz Fehlens eines aktuellen und praktischen Interesses über die Anträge in der Sache selbst entschieden (vgl. dazu U. Zimmerli / W. Kälin / R. Kiener, Grundlagen des öffentlichen Verfahrensrechts, Bern 1997, S. 119; Gygi, a.a.O., S. 154; A. Kölz / I. Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage, Zürich 1998, Rdz. 540). Die Frage, ob der vorliegende Sachverhalt einen Verzicht auf das Erfordernis des aktuellen, praktischen Rechtsschutzinteresses zu rechtfertigen vermag, kann allerdings aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerde - wie nachfolgend aufzuzeigen ist - klarerweise abzuweisen ist, offen gelassen werden.

e) Ebenfalls offen gelassen werden kann aus diesem Grund die Frage, ob die Rechtsfolge einer allfälligen Gutheissung der Beschwerde über die Feststellung der Unzumutbarkeit bzw. Unzulässigkeit des Vollzugs der Wegweisung hinaus gehen würde und der Beschwerdeführerin in diesem Fall eine Wiedereinreise erlaubt werden müsste beziehungsweise könnte.

3. a) Die Wiedererwägung wird im Gegensatz zur Revision im VwVG nicht explizit geregelt. Gemäss herrschender Lehre und ständiger Praxis des Bundesgerichtes wird jedoch gestützt auf Art. 4 BV ein Anspruch auf Wiedererwägung anerkannt, wenn sich der rechtserhebliche Sachverhalt nach rechtskräftigem Verwaltungs- oder Verwaltungsgerichtsentscheid in entscheidwesentlicher Art und Weise verändert hat (vgl. EMARK 1995 Nr. 21, BGE 109 Ib 251 f.; U. Beerli-Bonorand, Die ausserordentlichen Rechtsmittel in der Verwaltungsrechtspflege des Bundes und der Kantone, Zürich 1985, S. 178).

b) Nicht in Frage kommen kann demgegenüber eine Wiedererwägung, wenn weder das Bestehen einer seit der früheren Verfügung veränderten Sachlage noch das Vorliegen von wiedererwägungsrechtlich relevanten neuen Tatsachen 


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oder Beweismitteln angerufen wird, sondern lediglich eine neue Würdigung der beim früheren Entscheid bereits bekannten Tatsachen herbeigeführt werden soll (vgl. R. Rhinow/B. Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel/Frankfurt 1990, Nr. 43 B IV a, S. 134). Ebenso können Vorbringen dann nicht zu einer Wiedererwägung führen, wenn sie bereits in einem ordentlichen Beschwerdeverfahren gegen die frühere Verfügung hätten geltend gemacht werden können; weder können Verwaltungsentscheide durch Wiedererwägungsgesuche uneingeschränkt immer wieder in Frage gestellt werden, noch kann das Institut des Wiedererwägungsgesuches dazu dienen, eine unterlassene förmliche Beschwerde zu ersetzen beziehungsweise Beschwerdefristen zu umgehen (vgl. Rhinow/Krähenmann, a.a.O., Nr. 41 B VIII a S. 127, Nr. 43 B IV a S. 134, Nr. 43 B IV c S. 134; Beerli-Bonorand, a.a.O., S. 51).

4. a) Die Beschwerdeführerin machte zur Begründung des Wiedererwägungsgesuches im Wesentlichen eine gemäss ihren Angaben massgeblich veränderte Situation seit Erlass des ursprünglichen Entscheides geltend. So habe sie im Dezember 1998 ein Verkündgesuch eingereicht. Nachdem ihre Akten nun geprüft worden seien, sei eine offizielle Eheschliessung seit dem 1. Februar 2000 möglich. Ihr Verlobter (S.R.) sei in der Schweiz vorläufig aufgenommen worden. Eine Wegweisung der Beschwerdeführerin vor erfolgter Heirat verstosse gegen das ihr durch die Bundesverfassung und EMRK garantierte Recht auf Heirat und komme - da S.R. aufgrund seines Status die Schweiz nicht verlassen könne - faktisch einem Heiratsverbot gleich. Da sie zudem seit ihrer Einreise mit S.R. im Konkubinat zusammen lebe, sei sie im Sinne der Rechtsprechung der ARK als Familienmitglied in dessen vorläufige Aufnahme einzuschliessen. Schliesslich sei festzuhalten, dass das erstinstanzliche Verfahren ihres Verlobten noch nicht abgeschlossen sei. Dieser Tatsache habe das BFF beim Vollzug der Wegweisung durch Koordination der Ausreisefrist Rechnung zu tragen. Aus diesem Grund sei der Vollzug der Wegweisung der Beschwerdeführerin zu sistieren.

b) Das BFF wies das Wiedererwägungsgesuch ab mit der Begründung, das Asylgesuch der Beschwerdeführerin sei seit dem Urteil der ARK vom 10. Dezember 1998 rechtskräftig abgewiesen. Seit dem Ablauf der auf den 15. Januar 1999 gesetzten Ausreisefrist sei sie zum Verlassen der Schweiz verpflichtet gewesen. Die Reisedokumente der Beschwerdeführerin hätten seit August 1999 vorgelegen. Eine Aussetzung des Wegweisungsvollzuges erfolge nur dann, wenn bei Eheschluss die Ausreise wegen laufender Papierbeschaffung noch nicht erfolgen könne, was aber vorliegend nicht gegeben sei. Eine Aussetzung 


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der Vollzugshandlungen sei demzufolge nicht gerechtfertigt. Im Weiteren sei weder die Beschwerdeführerin noch ihre Rechtsvertreterin hinsichtlich einer vorläufigen Aufnahme antragsberechtigt und ein Gesuch um Wiedereinreise falle nicht in die Kompetenz des BFF. Im Übrigen seien die Begehren der Beschwerdeführerin hauptsächlich darauf ausgerichtet, eine neuerliche Beurteilung der schon im Laufe des früheren Verfahrens geltend gemachten Umstände zu erreichen, was jedoch nicht dem Sinn und Zweck eines Wiedererwägungsverfahrens entspreche.

c) Die Beschwerdeführerin rügt demgegenüber, die Ausschaffung der Beschwerdeführerin sei in Verletzung von Art. 44 Abs. 1 AsylG ergangen und sei somit rechtswidrig. Beim Vollzug der Wegweisung sei der Grundsatz der Einheit der Familie zu wahren. Sie und ihr Verlobter hätten in einem gemeinsamen Haushalt gelebt und seien als Konkubinatspaar zu betrachten, was spätestens seit dem Eheversprechen vom 28. Dezember 1998 auch belegt sei. In Anlehnung an die in EMARK 1998 Nr. 31 und EMARK 1993 Nr. 24 publizierte Rechtsprechung der ARK sei auch beim Vollzug der Wegweisung die Einheit eines Konkubinatspaares zu wahren. Die zwangsweise Ausschaffung der Beschwerdeführerin habe sie zudem in ihrem Grundrecht, dem Recht auf Eheschliessung (Art. 12 EMRK und Art. 14 BV), verletzt. Dadurch sei auch Art. 14a Abs. 3 ANAG verletzt worden. Das ihr durch den Vollzug der Wegweisung zugefügte Unrecht könne nur durch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und die Gestattung der Wiedereinreise in die Schweiz wieder gut gemacht werden. Entgegen der Ansicht des BFF falle es zudem sehr wohl in dessen Kompetenzbereich, die Wiedereinreise von abgewiesenen Asylsuchenden zu gestatten, was sich unter anderem aus Art. 20 AsylG ergebe.

5. a) Die im Wiedererwägungsgesuch und in der Beschwerde vorgebrachten Gründe - seit der Einreise bestehendes Zusammenleben mit dem Verlobten, welcher in der Schweiz vorläufig aufgenommen ist sowie die Vorbereitung der Zivilheirat - stellen zwar Veränderungen des Sachverhalts dar, welche grundsätzlich geeignet sein könnten, eine neue Beurteilung des Wegweisungsvollzugs unter dem Aspekt der Familieneinheit zu bewirken.

b) Indessen kann vorliegend entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht von einer entscheidwesentlichen Veränderung des rechtserheblichen Sachverhaltes seit Erlass der BFF Verfügung vom 2. November 1998 im Sinne der hier zu beachtenden Bestimmungen ausgegangen werden. Wie den Akten entnommen werden kann, ist die Beschwerdeführerin nach wie vor nicht


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verheiratet. Zudem bestand die Absicht einer Zivilheirat bereits im Zeitpunkt, als das BFF seine Verfügung erliess. Ebenso verfügte der Verlobte der Beschwerdeführerin bereits zum damaligen Zeitpunkt über eine vorläufige Aufnahme in der Schweiz. Diese Umstände hätten somit, wenn nicht schon im erstinstanzlichen Verfahren, so jedenfalls spätestens mittels einer Beschwerde gegen diese Verfügung vorgebracht werden können. Dass die Beschwerdeführerin dieser Möglichkeit durch ein prozessuales Versäumnis (verspätet eingereichte Beschwerde) verlustig ging, hat sie sich selber anzulasten. Wie die Vorinstanz zu Recht festhält, darf das Wiedererwägungsgesuch in keinem Fall dazu dienen, von der Beschwerdeführerin im früheren Verlauf begangene vermeidbare Unterlassungen nachzuholen. Ein Wiedererwägungsgesuch kann somit nicht als Ersatz für eine verpasste Beschwerdemöglichkeit dienen. Dies ergibt sich aus der - für das Wiedererwägungsverfahren analog anwendbaren - revisionsrechtlichen Regel von Art. 66 Abs. 3 VwVG, wonach Gründe, welche im ordentlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, nicht als Revisionsgründe gelten. Daran vermag vorliegend auch der Umstand nichts zu ändern, dass inzwischen ein Verkündgesuch ausgesprochen und die entsprechenden Papiere vom Zivilstandsamt geprüft worden seien.

c) Der Vollständigkeit halber kann schliesslich festgehalten werden, dass das Asylverfahren des Verlobten der Beschwerdeführerin - entgegen ihren Ausführungen im Antrag 4 des Wiedererwägungsgesuches - bereits rechtskräftig entschieden ist. Das Asylgesuch wurde mit Verfügung vom 22. August 1995 abgewiesen und S.R. wurde aus der Schweiz weggewiesen. Gleichzeitig wurde die vorläufige Aufnahme von S.R. in der Schweiz angeordnet. Diese Verfügung ist am 26. September 1995 mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.

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