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such ohne eine solche Interessenabwägung grundsätzlich von vornherein abweist (BGE 110 Ia 83). Aus diesem Grund ist es beispielsweise unzulässig, grundsätzlich die Einsicht in Botschafts- oder andere Berichte zu verweigern; vielmehr ist im Einzelfall eine Güterabwägung vorzunehmen (vgl. W. Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, Basel/Frankfurt a.M. 1990, S. 269; vgl. auch EMARK 1994, Nr. 1). Folgende Gesichtspunkte sind dabei zu berücksichtigen: Das Geheimhaltungsinteresse ist hochwertig, wenn es um den Schutz der Identität ausländischer Informanten und Kontaktpersonen geht, die entweder von seiten der ausländischen Behörden oder aber von politischen Gruppierungen, denen der Asylsuchende nahe steht, Repressionen wegen der Zusammenarbeit mit den schweizerischen Behörden zu befürchten haben (vgl. Kälin, a.a.O., S. 269). Das Interesse der Behörden an der Geheimhaltung von Einzelheiten über bestimmte Ereignisse und Situationen ist gleichfalls schützenswert, um zu verhindern, dass spätere Asylbewerber ohne besondere Mühe erfundene Vorbringen detailgetreu ausmalen können (vgl. Kälin, a.a.O., S. 269).

b) Nach Meinung der ARK stehen der Einsicht in den Wortlaut eines "Lingua-Gutachtens" überwiegende öffentliche Geheimhaltungsinteressen entgegen. Das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung, mithin die Verhinderung der missbräuchlichen Weiterverbreitung des Fragenkatalogs, ist nicht gering zu werten, da die Erhaltung geeigneter Methoden zur Identitätsabklärung zum Zwecke der Eindämmung missbräuchlicher Asylgesuche als gewichtiges Interesse des Bundes zu bezeichnen ist (vgl. entsprechende Geheimhaltungsgründe bezüglich Dokumentenanalyse in EMARK 1994 Nr. 1). Immerhin gehört es zum Kerngehalt des rechtlichen Gehörs, dass der Verfügungsadressat vor Erlass einer für ihn nachteiligen Verfügung zum Beweisergebnis Stellung nehmen kann (vgl. Art. 30 VwVG). Dazu muss ihm vom wesentlichen Inhalt des grundsätzlich geheimgehaltenen "Lingua-Gutachtens" Kenntnis gegeben werden mit der Möglichkeit, sich dazu zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen (vgl. Art. 28 VwVG). Was sodann die privaten Interessen des Gutachters an der Verweigerung der Akteneinsicht betrifft, ist festzuhalten, dass sich eine Gefährdung nicht bereits manifestiert haben muss, und die Gefahr von Druck- und Retorsionsversuchen bei der Gutachtertätigkeit im Asylverfahren als notorisch zu bezeichnen ist. Zum Schutze des Gutachters ist es deshalb angezeigt, dass seine persönlichen Eckdaten, die leichthin zur Identifizierung seiner Person führen können, geheim bleiben (analog der Handhabung bei Dolmetschern im üblichen Asylverfahren). Ebenfalls ist es durchaus gesetzeskonform, wenn sich der Gutachter und der Proband bei einer direkten Befragung nicht von Angesicht zu Angesicht sehen können.