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6. a) Vom Richter bzw. von einem Amt in Auftrag gegebene Gutachten von Sachverständigen im Sinne von Art. 12 Bst. e VwVG (sog. "Gerichtsgutachten") haben besonderen Anforderungen zu genügen, die sich für das Verwaltungs- und Verwaltungsbeschwerdeverfahren nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Bundeszivilprozesses richten (vgl. Art. 57 - 61 BZP i.V.m. Art. 19 VwVG). So sind bei der Einholung solcher Gutachten insbesondere die in Art. 57 ff. BZP näher definierten Mitwirkungsrechte der Betroffenen durch die Verwaltung beziehungsweise durch die Beschwerdeinstanz zu beachten. Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, sich zu den Fragen an den Gutachter zu äussern und Abänderungs- und Ergänzungsanträge zu stellen (vgl. Art. 57 Abs. 2 BZP); des weiteren ist ihnen Gelegenheit zu geben, vor der Ernennung des Gutachters Einwendungen gegen dessen Person anzubringen (vgl. Art. 58 Abs. 2 BZP); sodann ist ihnen das Recht zu gewähren, nachträglich zum Gutachten Stellung zu nehmen sowie dessen Erläuterung oder Ergänzung oder aber eine neue Begutachtung zu beantragen (vgl. Art. 60 Abs. 1 BZP).

Sind diese - als tatbeständliche Voraussetzungen zu verstehenden - Bedingungen nicht erfüllt, liegt kein Sachverständigengutachten im Sinne von Art. 12 Bst. e VwVG vor.

b) Im gesamten Verwaltungs- und Verwaltungsbeschwerdeverfahren gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. Art. 40 BZP i.V.m. Art. 19 VwVG). Die Rechtsprechung hat es indessen als mit genanntem Grundsatz vereinbar erachtet, dass der Richter bei Sachverständigengutachten "nicht ohne zwingende Gründe" von der Einschätzung des/der Experten abweicht, dessen/deren Aufgabe es gerade sei, seine/ihre Kenntnisse in den Dienst der Gerichtsbarkeit zu stellen (vgl. BGE 101 IV 130 Erw. 3a; BGE 118 V 290 Erw. 1b).

c) Während Art. 57 Abs. 2 BZP vorsieht, dass den Parteien Gelegenheit gegeben werden muss, sich zu den Fragen an die Sachverständigen zu äussern und Abänderungs- und Ergänzungsanträge zu stellen, hält Art. 12c AsylG ausdrücklich fest, dass ein Gesuchsteller nicht vorgängig zur Beweisanordnung der Behörde Stellung nehmen kann, wenn zur Ermittlung des Sachverhaltes ein Beweisverfahren durchgeführt wird. Diese Beschränkung umfasst indessen nur die vorgängige Stellungnahme. Bei der Erstellung eines "Lingua-Gutachtens" wird dem Betroffenen in der Regel keine Gelegenheit geboten, Abänderungs- oder Ergänzungsanträge zu stellen. So geht auch im vorliegenden Fall weder aus dem Gutachten vom 17. Oktober 1997 noch aus dem erwähnten Schreiben