1998 / 1  - 11

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a) Ein Anspruch auf Wiedererwägung einer rechtskräftigen Verfügung besteht gemäss Lehre und Rechtsprechung zunächst dann, wenn analog zu der gesetzlichen Regelung von Art. 66 VwVG Revisionsgründe geltend gemacht werden. Das in diesem Sinne verstandene Institut des "qualifizierten Wiedererwägungsgesuches" wird zum eigentlichen (ausserordentlichen) Rechtsmittel und bezweckt die Beseitigung einer formell rechtskräftigen, aber ursprünglich fehlerhaften Verfügung. Liegen Revisionsgründe im Sinne von Art. 66 VwVG vor, wird die fehlerhafte Verfügung aufgehoben und durch eine neue Verfügung ersetzt (vgl. EMARK 1995 Nr. 21, S. 202 f.).

Als Wiedererwägung wird ferner auch die Anpassung einer ursprünglich fehlerfreien Verfügung an nachträglich eingetretene Veränderungen der Sach- oder Rechtslage bezeichnet. Eine in diesem Sinne verstandene Wiedererwägung berührt die formelle und materielle Rechtskraft der ursprünglich fehlerfreien Verfügung, die sich ja einzig auf die damals bestehende Sach- und Rechtslage beziehen konnte, allerdings nicht. Die in diesem Sinne bezeichnete "Wiedererwägung" führt nicht zu einer Neubeurteilung des in der ursprünglichen Verfügung (fehlerlos) geregelten Gegenstandes; vielmehr wird in diesem Fall ein eigenständiges, vom Gegenstand der früheren Verfügung unabhängiges Begehren um Regelung eines neuen Rechtsverhältnisses beurteilt (vgl. F. Gygi, Verwaltungsrecht, Bern 1987, S. 311). Ein Anspruch auf Behandlung eines entsprechenden Gesuches besteht bereits dann, wenn eine seit Erlass der früheren Verfügung eingetretene anspruchsbegründende neue Sach- oder Rechtslage geltend gemacht wird (vgl. EMARK 1995 Nr. 21, S. 204).

b) Die Wiedererwägung im letztgenannten Sinne wird nun aber in Art. 16 Abs. 1 Bst. d AsylG geregelt. Im Unterschied zu den allgemeinen Regeln über die Wiedererwägung genügt es allerdings für ein Eintreten nicht, eine neue Sachlage - wenn auch substantiiert - bloss zu behaupten. Der Gesuchsteller, der in der Schweiz bereits ein Asylverfahren erfolglos durchlaufen oder sein Gesuch zurückgezogen hat oder während des hängigen Asylverfahrens in den Heimat- oder Herkunftsstaat zurückgekehrt ist, muss in seinem neuen Gesuch vielmehr glaubhaft machen, dass in der Zwischenzeit Ereignisse eingetreten sind, die für die Flüchtlingseigenschaft relevant sind (die Beweisanforderungen sind dabei allerdings tief anzusetzen; vgl. Urteil der ARK vom 5. Dezember 1994, in ASYL 1995/2, S. 56); nur dann besteht ein Anspruch auf materielle Behandlung des Gesuches. Beim Erfordernis der Glaubhaftmachung von in der Zwischenzeit eingetretenen, für die Flüchtlingseigenschaft relevanten Ereignissen handelt es sich demnach um eine Sachurteilsvoraussetzung. Art. 16 Abs. 1 Bst. d AsylG bezweckt, weiteren Asylgesuchen, die nichts Neues und für die