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a) Aufgrund des deutschen und italienischen Wortlautes von Art. 16 Abs. 1 Bst. d AsylG könnte angenommen werden, das vorangegangene Asylverfahren sei erst "erfolglos durchlaufen", wenn der Gesuchsteller vollständig, d.h. nicht nur betreffend Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Gewährung des Asyls, sondern auch in bezug auf den Entscheid über die Wegweisung und die Durchführbarkeit des Vollzuges unterlegen ist. Dies hätte allerdings zur Folge, dass ein Zweitgesuch zum vornherein nicht mit einem Nichteintretensentscheid erledigt werden könnte, wenn der Gesuchsteller im Erstverfahren nicht aus der Schweiz weggewiesen oder aber vorläufig aufgenommen wurde. In diesen Fällen hätte der Gesuchsteller im Erstverfahren im Wegweisungs- beziehungsweise im Vollzugspunkt obsiegt, wäre mithin nicht "erfolglos" geblieben. Ebenfalls ausgeschlossen wäre ein Nichteintretensentscheid zudem, solange eine im Erstverfahren im Wegweisungs- und/oder Vollzugspunkt erhobene Beschwerde noch nicht rechtskräftig erledigt ist, da das Erstverfahren in diesem Fall (noch) nicht "durchlaufen" ist. Hier wie dort müsste das Zweitgesuch folglich materiell behandelt werden, ungeachtet dessen, ob der Gesuchsteller, wie in Art. 16 Abs. 1 Bst. d AsylG gefordert, in der Zwischenzeit eingetretene Ereignisse glaubhaft machen kann, die für die Flüchtlingseigenschaft relevant sind.

Gemäss dem französischen Wortlaut von Art. 16 Abs. 1 Bst. d AsylG wäre demgegenüber lediglich erforderlich, dass das vorangegangene Asylverfahren des Gesuchstellers mit einem Wegweisungsentscheid geendet hat ("il n'est pas entré en matière sur une demande lorsque le requérant a déjà fait l'objet d'une procédure d'asile qui s'est terminée par une décision de renvoi, [...]"). Dies wiederum hätte zur Folge, dass ein Nichteintretensentscheid nicht möglich wäre, wenn im Erstverfahren - weil dieser über eine fremdenpolizeiliche Aufenthaltsbewilligung verfügt - auf eine Wegweisung des Gesuchstellers aus der Schweiz verzichtet wurde. Ein Zweitgesuch eines im Erstverfahren nicht aus der Schweiz weggewiesenen Gesuchstellers wäre demnach materiell zu prüfen, unabhängig davon, ob er glaubhaft machen kann, dass in der Zwischenzeit Ereignisse eingetreten sind, die für die Flüchtlingseigenschaft relevant sind. Auf ein Zweitgesuch eines im Erstverfahren aus der Schweiz weggewiesenen Gesuchstellers wäre hingegen nur einzutreten, wenn ihm dies gelingt.

b) Ungeachtet des in bezug auf den Ausgang des vorangegangenen Verfahrens unterschiedlich umschriebenen Tatbestandes in den jeweiligen Fassungen des Gesetzestextes und der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Konsequenzen, wäre mit dem Wortlaut sämtlicher Fassungen die Anwendung von Art. 16 Abs. 1 Bst. d AsylG vereinbar, dass das Erstverfahren in der einen oder