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e) In der Lehre sind die Auffassungen hinsichtlich der im Zusammenhang mit Artikel 6 Absatz 2 AsylG zu prüfenden Voraussetzungen geteilt. Werenfels (S. Werenfels, Der Begriff des Flüchtlings im schweizerischen Asylrecht, Bern 1987, S. 142 ff.) führt aus, Asylgesuche aus dem Ausland könnten unabhängig vom Ausmass der Verfolgung des Gesuchstellers abgelehnt werden, wenn der Gesuchsteller auch in einem anderen Land um Aufnahme nachsuchen könne. Dies werde in der Praxis in aller Regel bereits dann angenommen, wenn nicht eine besondere Beziehungsnähe zur Schweiz vorhanden sei. Kälin macht dagegen geltend, eine Anwendung von Artikel 6 AsylG setze voraus, dass die Ausreise in einen Drittstaat möglich sei und ausgeschlossen werden könne, dass dort irgendwelche Gefahren für Betroffene bestehen würden (vgl. Kälin, a.a.O., S. 165 Fn. 65 und S. 213). Mit Artikel 6 AsylG sei der altrechtliche Grundsatz von Artikel 21 Absatz 1 der Verordnung zum ANAG gesetzlich verankert worden, wonach unser Land nicht bereit sei, Flüchtlingen Asyl zu gewähren, welche in einem Drittstaat effektiven Schutz vor Verfolgung erlangen könnten. Dabei könne es sich nicht um irgend einen beliebigen Staat handeln, vielmehr müsse der Gesuchsteller zum betreffenden Land bereits gewisse enge Beziehungen besitzen, welche sich im Falle von Absatz 2 aus momentanem Aufenthalt ergeben könnten. Achermann/Hausammann (A. Achermann/Ch. Hausammann, Handbuch des Asylrechts, 2. Aufl., Bern und Stuttgart 1991, S. 153 ff.) fordern im Falle einer Anwendung von Artikel 6 Absatz 2 AsylG in Analogie zu Absatz 1 derselben Bestimmung, dass der Gesuchsteller im Ausland nicht mit asylrechtlich relevanter Verfolgung oder mit Rückschiebung in den Heimatstaat rechnen müsse, und dass er die Möglichkeit haben müsse, eine Bewilligung für dauernden Aufenthalt zu erlangen; kurz, es sei zu prüfen, ob der Gesuchsteller im Ausland effektiven und dauernden Schutz vor Verfolgung erlangen könne (vgl. auch A. Achermann/M. Gattiker, Sichere Drittstaaten, in ASYL 1994 Nr. 2, S. 31). 

f) Wie bereits in einem Entscheid (nicht publiziertes Urteil der ARK vom 6. März 1996 i.S. M.M.O.L., Zaire) ausführlich dargelegt, greift die von Werenfels vertretene Interpretation von Artikel 6 Absatz 2 AsylG nach Auffassung der Asylrekurskommission zu kurz. Ausschlaggebend kann nicht allein die fehlende Beziehungsnähe zur Schweiz sein; vielmehr ist nebst der Beziehungsnähe zur Schweiz auch auf weitere Elemente, insbesondere die Möglichkeit, in weiteren Staaten Schutz vor Verfolgung finden zu können, hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit abzustellen. Welche dieser Kriterien erfüllt sein müssen, damit die Zumutbarkeit im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 AsylG verneint werden kann, lässt sich nicht allgemein festlegen. Aufgrund des Gesagten wird die fehlende Beziehungsnähe zur Schweiz allein für eine Anwendung von Arti-