1997 / 6  - 41

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mittelbare staatliche Verfolgung unter der Voraussetzung des Erfüllens der übrigen rechtlichen Voraussetzungen zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft, während rein private Nachstellungen in dieser Hinsicht grundsätzlich unbeachtlich bleiben müssen. Bei fehlender Schutzfähigkeit des Staates, beispielsweise aufgrund einer Bürgerkriegssituation, sind je nach Kategorie der Verfolger zwei Konstellationen zu unterscheiden: Sind private Dritte für die Verfolgung verantwortlich, gilt diese - wie im schutzfähigen Staat - grundsätzlich als asylrechtlich irrelevant. Verfolgung durch "private" Körperschaften, welche, ohne anerkannte Träger der Staatsordnung zu sein, faktisch die Herrschaft über bestimmte Teilgebiete des staatlichen Territoriums und die dort lebende Bevölkerung ausüben, ist hingegen als sogenannte quasi-staatliche Verfolgung zu qualifizieren und hinsichtlich der Asylrelevanz derjenigen durch den Heimatstaat gleichzusetzen. Für die Anerkennung einer quasi-staatlichen Herrschaft im erwähnten Sinne ist einerseits eine gewisse zeitliche Konstanz der Besatzung zu verlangen, und sind andererseits auch die übrigen Umstände der letzteren zu berücksichtigen; der Grad der Stabilität beziehungsweise der Effektivität der Fremdherrschaft kann sich insbesondere aus dem Mass ihrer Autonomie gegen Aussen oder aus Art und Umfang der Übernahme staatlicher - das heisst insbesondere exekutiver (polizeilicher/verwaltungsmässiger), legislativer und judikativer - Funktionen ergeben. Insgesamt ist für die Annahme quasi-staatlicher Herrschaft entscheidend, ob die "private" Körperschaft einen stabilen und dauernden staatsähnlichen Einfluss auf das von ihr besetzte Territorium und die von ihr unterworfene Bevölkerung auszuüben in der Lage ist.

cc)    Nach den vorstehenden Ausführungen interessiert im vorliegenden Verfahren vorab der Aspekt der Staatlichkeit der zu befürchtenden zukünftigen Verfolgung und damit die aktuelle Situation in Afghanistan:

Nachdem heute die Taliban den überwiegenden Teil des afghanischen Territoriums - inklusive die Landeshauptstadt Kabul - kontrollieren, stellt sich zunächst die Frage, ob diese Bewegung zur Zeit als quasi-staatliche Macht im Sinne der erwähnten Rechtsprechung der Kommission anzuerkennen ist. Diese Prüfung drängt sich vorliegend auch deshalb auf, weil fraglich erscheint, ob eine Rückkehr des Beschwerdeführers direkt in den von den Taliban nicht beherrschten nördlichen Landesteil möglich wäre: Einer in der Tageszeitung "The Muslim" vom 11. Juni 1996 zitierten Meldung der iranischen Nachrichtenagentur IRNA zufolge, soll der im Nordteil Afghanistans herrschende General Abdul Rashid Dostom zwar im Sommer 1996 unter dem Namen "Balkh" eine eigene Luftverkehrsgesellschaft mit fünf kurz zuvor erworbenen Flugzeugen gegründet haben, um sein Hauptquartier Masar-i Scharif mit Pakistan, Iran