1996 / 16 - 147

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eigenschaft vermag solche Verfolgung allerdings dann zu begründen, wenn der Betroffene sich an den Staat wenden kann und dieser wirklich gegen den Amtsmissbrauch vorgehen wird (vgl. Werenfels, a.a.O., S. 220; Kälin, a.a.O., S. 62; Achermann/Hausammann, a.a.O., S. 83 ff. und 117; E. Bauer/ K. Moussa, Frauenflüchtlinge in der Schweiz, Bern 1993, S. 116 f.; C. Hausammann, Frauenverfolgung und Flüchtlingsbegriff, Bern 1992, S. 20 ff.). Es ist vorliegend also zu untersuchen, ob der restjugoslawische Staat solche Missbräuche im Kosovo billigt oder nichts zu deren Verhinderung unternimmt. Dabei wird man es nicht mit der Feststellung bewenden lassen können, die Betroffene habe die Einreichung einer Strafanzeige unterlassen, denn dieser Umstand lässt keineswegs darauf schliessen, dass der betreffende Staat willig ist beziehungsweise willig wäre, allfällige Täter wirklich zur Rechenschaft zu ziehen. Vielmehr ist in einem solchen Fall zu fragen, ob die Betroffene allenfalls einen nachvollziehbaren Grund hatte, sich nicht an die Strafverfolgungsbehörden dieses Staates zu wenden. Dabei kann ins Gewicht fallen, ob sexuelle Gewalt im betreffenden Staat nur zum Schein oder mit unverhältnismässig geringer Bestrafung geahndet wird; zudem ist auf die Häufigkeit derartiger Vorkommnisse im betreffenden Staat abzustellen und schliesslich ist zu berücksichtigen, ob der Betroffenen in Anbetracht dieser allgemeinen und ihrer persönlichen Umstände die Einreichung einer Strafanzeige zuzumuten gewesen wäre. 

cc) Die Beschwerdeführerin machte anlässlich der Empfangsstellenbefragung sinngemäss geltend, sie habe keine Anzeige eingereicht, da es sich bei den Vorgesetzten der Polizisten ebenfalls um Serben handle. Tatsächlich haben sich zum damaligen Zeitpunkt in Folge von Massenentlassungen keine Albaner mehr im Polizeidienst befunden. Im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit der Rekurrentin zur albanischen Bevölkerungsmehrheit im Kosovo, welche unbestrittenermassen offensichtlichen Diskriminierungen und Übergriffen der serbischen Ordnungskräfte ausgesetzt ist, ist es in der Tat fraglich, inwiefern sie bei einer Strafanzeige mit Verständnis und nicht mit erneuten Benachteiligungen der serbischen Untersuchungsbehörden hätte rechnen können beziehungsweise müssen: Der "Council for the Defence of Human Rights and Freedom" (CDHRF) in Pristina berichtete von 2157 Fällen von physischer Misshandlung für das Jahr 1994 und von mindestens 781 Misshandlungen in verschiedener Form an Kosovo-Albanern in den ersten beiden Monaten des Jahres 1995; die "Demokratische Liga Kosovos" (LDK) soll im Berichtszeitraum 1994 insgesamt 4008 Fälle von körperlicher Misshandlung festgestellt haben. Stellt man diesen Zahlen die im gleichen Zeitraum bekanntgewordenen Fälle gegenüber, in denen Angehörige der Ordnungskräfte wegen derartiger