1996 / 16 - 146

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unzumutbarer Weise erschwert worden wäre, so dass sich die Rekurrentin dieser Zwangssituation nur durch Flucht ins Ausland hätte entziehen können. Anders ist die Situation hinsichtlich der geltend gemachten Mitnahmen, insbesondere der als glaubhaft dargestellten Vergewaltigung vom 2. Januar 1994 zu erachten. Eine Vergewaltigung stellt unter Berücksichtigung der gesundheitlichen, psychischen und sozialen Auswirkungen im Regelfall eine Verletzung der körperlichen Integrität von schwerwiegendem Ausmass dar. Stellt man vorliegendenfalls die erwähnten Behelligungen und Schikanen durch die serbische Polizei ebenfalls in Rechnung, muss man zum Schluss gelangen, dass die Gesamtheit der gegen die Beschwerdeführerin ergriffenen Verfolgungsmassnahmen jedenfalls von genügender Verfolgungsintensität sind, denn der Beschwerdeführerin ist ein menschenwürdiges Dasein in ihrer Heimat nach den erfolgten Misshandlungen und Behelligungen nicht mehr möglich. Die Voraussetzung der individuell gezielten Zufügung der erwähnten Nachteile ist zu bejahen, kann doch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin zufällig in der von ihr geltend gemachten Weise misshandelt worden ist. Auch die asylrechtliche Motivation hinsichtlich der vorerwähnten Verfolgungsmassnahmen ist gegeben, denn einerseits ist die Beschwerdeführerin albanischer Ethnie und islamischer Religionszugehörigkeit und andererseits gehört die Rekurrentin insofern einer sozialen Gruppe im Sinne ihrer Familie an, als ihr Bruder von den staatlichen Behörden gesucht worden ist (vgl. Kälin, a.a.O., S. 96 m.w.H.). 

c) aa) Zu untersuchen ist schliesslich, ob die von der Beschwerdeführerin erlittene Verfolgung dem Staate zugerechnet werden kann. Direkte staatliche Verfolgung liegt vor, wenn die Verfolgung von staatlichen Organen ausgeht. Mittelbare staatliche Verfolgung ist gegeben, wenn der Staat Verfolgung durch Private unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit den Betroffenen den erforderlichen Schutz nicht gewährt, obwohl er zur Schutzgewährung in der Lage wäre; der Staat manifestiert diesfalls also seine Schutzunwilligkeit. Im Falle fehlender Schutzfähigkeit hat die Praxis neuerdings die quasi-staatliche Verfolgung unter bestimmten Voraussetzungen als asylrelevant anerkannt (vgl. EMARK 1995 Nr. 2, S. 14. ff.). Rein private Verfolgung ist dagegen nicht asylrelevant (vgl. Kälin, a.a.O, S. 60 ff.; Achermann/Hausammann, a.a.O, S. 82 ff.; Werenfels, a.a.O., S. 217 ff.). 

bb) In Literatur und Praxis ist unbestritten, dass dem Staat auch Verfolgungsmassnahmen von Trägern hoheitlicher Funktionen direkt anzulasten sind, welche - wie vorliegendenfalls - in Verletzung der Amtspflichten bei der Amtsausübung begangen werden, sofern der Staat diese billigt. Keine Flüchtlings-