1996 / 15 - 131

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e) aa) Die Vorinstanz weist in ihrer Vernehmlassung zwar zu Recht darauf hin, dass das Verheimlichen der Identität im Asylverfahren grundsätzlich eine Verletzung der gesetzlichen Mitwirkungspflichten des betreffenden Asylbewerbers darstellt. Dies folgt ohne weiteres aus der beispielhaften entsprechenden Aufzählung in Artikel 12b Absatz 1 AsylG (Fassung gemäss BG vom 18.3.1994) und gilt im übrigen gleichermassen auch für die Weigerung eines Asylgesuchstellers, bereits in der Empfangsstelle seine Reisepapiere und Identitätsausweise abzugeben (Art. 12b Abs. 1 lit. b), bei der Anhörung anzugeben, weshalb er um Asyl ersucht (lit. c) oder Beweismittel zu bezeichnen und zu den Akten zu reichen (lit. d). Aus diesen Feststellungen allein ist allerdings für die Beantwortung der bereits erwähnten vorliegenden Fragestellung - ob Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b AsylG den einzig zulässigen Nichteintretensgrund beim Tatbestand des Verheimlichens der Identität darstellt, oder ob in einem solchen Fall alternativ/subsidiär auch Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e AsylG zur Anwendung kommen kann - nichts gewonnen. Die Antwort auf letztere Frage ist durch Auslegung von Artikel 16 Absatz 1 AsylG zu ermitteln:

bb) Das auszugsweise Zitat des französischsprachigen Textes von Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b AsylG in der vorinstanzlichen Vernehmlassung erweckt vorab den Eindruck, das BFF erachte in Fällen wie dem vorliegenden grundsätzlich (auch) die Anwendbarkeit dieses Nichteintretensgrunds für nicht ausgeschlossen. Dies legt allerdings die Frage nahe, aus welchem Grund denn diese Bestimmung in casu nicht angewendet wurde. 

Die für die grammatikalische Auslegung von Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b AsylG massgebenden Formulierungen in den drei Amtssprachen (aus Gründen der Übersichtlichkeit an dieser Stelle teilweise wiederholt) lauten wie folgt:

"Auf ein Gesuch wird nicht eingetreten, wenn der Gesuchsteller [...] seine Identität verheimlicht und dies aufgrund des Ergebnisses der erkennungsdienstlichen Behandlung feststeht."
"Il n'est pas entré en matière sur une demande lorsque le requérant [...] a dissimulé son identité, ce fait ayant été établi lors de son identification, notamment par l'examen dactyloscopique."
"Non si entra nel merito di una domanda se il richiedente [...] ha dissimulato l'identità e tale fatto è provato dall' esame dattiloscopico."

Ein Vergleich dieser Formulierungen, von welchen jede bei der sprachlichen Auslegung nach Lehre und Praxis grundsätzlich als gleichwertig zu betrachten