1996 / 12 - 95

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c) Artikel 41 Absatz 1 Buchstabe b AsylG verweist für den Widerruf des Asyls auf Artikel 1 C der FK. Die genannte Bestimmung wird dadurch für die - innerstaatlichem Recht unterstehende - Frage des Asylwiderrufs herangezogen und insoweit zu innerstaatlichem Recht. Grundsätzlich würde es daher freistehen, die entsprechenden Absätze bei der Beurteilung, ob das Asyl widerrufen werden soll oder nicht, nach anderen Gesichtspunkten (beispielsweise restriktiver) auszulegen, als dies bei der Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft - nach FK - der Fall ist. Nur dieser Aspekt ist in der Konvention geregelt und bedarf daher konventionskonformer Auslegung (vgl. zur Auslegung von Staatsverträgen - insb. unter Berücksichtigung der Artikel 31-33 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge [SR 0.111; für die Schweiz i.K. getreten am 6. Juni 1990] - auch das Grundsatzurteil der ARK vom 12. Dezember 1995 i.S. L.H., Ungarn, EMARK 1996 Nr. 7, S. 50 ff., insb. Erwägungen 6c (a.a.O. S. 56) und 7b (a.a.O. S. 58). Weder aus dem Sinne des Gesetzes noch aus den Materialien ergeben sich indessen Anhaltspunkte dafür, dass für die Frage des Asylwiderrufs eine Auslegung gewählt werden sollte, welche von der für die Flüchtlingskonvention geltenden Lösung abweicht. Vielmehr wird in der Botschaft zum AsylG vom 31. August 1977 (BBl 107 III 105 ff.) ausdrücklich und einzig festgehalten, nach der fraglichen Bestimmung stelle "der Verlust der Flüchtlingseigenschaft nach der Asylgewährung einen Grund für die Aufhebung des Asyls dar (Bst. b)" (vgl. BBl a.a.O. S. 135). Daraus kann geschlossen werden, dass auch nach dem Willen des historischen Gesetzgebers bei Artikel 41 Absatz 1 Buchstabe b AsylG eine Übereinstimmung von Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft und Widerruf des Asyls beabsichtigt war. Die gegenteilige Ansicht wurde zudem, soweit ersichtlich, auch in der bisherigen strengen Praxis nirgends vertreten. Vielmehr wurde sowohl für die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft nach FK als auch für den Widerruf des Asyls nach schweizerischem Recht der gleiche Massstab angewendet. An dieser Einheit ist festzuhalten. Für den Asylwiderruf nach Artikel 41 Absatz 1 Buchstabe b AsylG sind somit dieselben Grundsätze und Massstäbe anzuwenden, welche für eine Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft nach FK herangezogen werden.

d) Die frühere schweizerische Praxis hatte die beiden Kriterien der Absicht und des Schutzerhaltes (vgl. oben Erw. 4b) vernachlässigt. Das Bundesgericht anerkannte zwar, dass ein Flüchtling zwischen zwei Staaten stehe, ging aber davon aus, dass er sich zwischen den beiden Rechtsordnungen klar zu entscheiden habe. Ein Flüchtling habe durch seinen Status nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Wer gleichzeitig die Vorteile des Flüchtlingsstatus' im Aufenthaltsstaat, nämlich eine weitgehende Gleichstellung mit den Inländern,