1996 / 1 - 6

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c) An die Effektivität des am innerstaatlichen Zufluchtsort durch den Heimatstaat gewährten Schutzes sind allerdings - unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der betroffene Asylsuchende in einem Teil seines Heimatstaates bereits verfolgt worden ist beziehungsweise bei einer Rückkehr dorthin von künftiger Verfolgung bedroht ist - gewisse Anforderungen zu stellen (vgl. zum folgenden insb. auch S. Werenfels, Der Begriff des Flüchtlings im schweizerischen Asylrecht, Bern u.a. 1987, S. 333 ff., sowie die von ihm zitierte deutsche Asylrechtslehre und -rechtsprechung, auf welche angesichts des Umstandes, dass das Institut der innerstaatlichen Fluchtalternative von der deutschen Praxis entwickelt wurde und der Tatsache, dass sich in den Materialien zum schweizerischen Asylrecht keine entsprechenden Aussagen finden, mit noch zu erörternden Einschränkungen grundsätzlich Bezug genommen werden kann.).

Wirksamer Schutz vor Verfolgung bedingt zunächst, dass der Betroffene am Zufluchtsort nicht wiederum Opfer von Behelligungen im Sinne von Artikel 3 AsylG wird. Diese Voraussetzung ist klarerweise dann nicht erfüllt, wenn dem Betroffenen am Zufluchtsort aus dort entstandenen Gründen (beispielsweise aufgrund politischer Tätigkeiten, wie sie am Herkunftsort noch nicht vorlagen) unabhängig von der bestehenden Vorverfolgung ernsthafte Nachteile drohen. Im weiteren erscheint eine wirksame Schutzgewährung aber auch dann nicht gegeben, wenn der Betroffene bereits in seiner Heimatregion von Organen der Zentralgewalt - d.h. unmittelbar staatlich - verfolgt worden ist, vermag doch diesfalls ein Wegzug in einen anderen Landesteil diese Behelligungen nicht effektiv zu unterbinden; eine zentrale Fichierung des Betroffenen (im türkischen Kontext die Existenz eines politischen Datenblattes, in welchem die vermutete Zugehörigkeit des Betroffenen zu einer bestimmten politischen Gruppierung sowie allenfalls der Eintrag "unbequeme Person" vermerkt sind) stellt dabei regelmässig ein Indiz für eine solche landesweite Verfolgung durch die Zentralgewalt dar. Nach dem Gesagten fällt eine innerstaatliche Fluchtalternative somit nur in Betracht, wenn die Verfolgung nur regional am Herkunftsort von Polizei-, Militär- oder Zivilbehörden ausgeht, welche der Zentralstaat nicht wirksam von Amtsmissbräuchen abhalten kann, resp. bei Verfolgung durch private Dritte, welche in einem bestimmten Gebiet nicht an Übergriffen gegen eine ethnische oder religiöse Minderheit gehindert werden können (vgl. Kälin, a.a.O., S. 73; Werenfels, a.a.O., S. 336; jeweils mit Hinweisen auf die deutsche Asylrechtsliteratur).

Allein das Fehlen unmittelbarer staatlicher Behelligungen am Zufluchtsort genügt indessen noch nicht für die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalterna-