1995 / 21 - 203

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Anspruch besteht; die Behörde wird ersucht, auf ihre Verfügung zurückzukommen, ohne dass indessen ein Grund angeführt werden könnte, der (im Sinne der beiden anderen, nachfolgend erwähnten Bedeutungen des Begriffes der Wiedererwägung) zum Zurückkommen verpflichten würde. Einer Wiedererwägung in diesem Sinne nicht zugänglich sind Rechtsmittelentscheide, auf die zurückzukommen das Vorliegen eines Revisionsgrundes voraussetzt. Die verfügende Behörde kann mit anderen Worten einem als blossen Rechtsbehelf zu charakterisierenden Wiedererwägungsgesuch nur stattgeben, sofern die ursprüngliche Verfügung unangefochten geblieben ist (vgl. zum Ganzen F. Gygi, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 311, 316 f.; U. Beerli-Bonorand, Die ausserordentlichen Rechtsmittel in der Verwaltungsrechtspflege des Bundes und der Kantone, Zürich 1985, S. 49 ff., 56 f., 75, 171).

In seiner zweiten Bedeutung meint der Begriff der Wiedererwägung den Widerruf einer unangefochten gebliebenen, formell rechtskräftig gewordenen Verfügung, die sich als ursprünglich fehlerhaft erweist (vgl. P. Saladin, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Bern 1979, S. 98 ff.; M. Imboden/R. Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Band I, Allgemeiner Teil, Basel/Stuttgart 1976, Nr. 43, S. 260 ff.; Gygi, Verwaltungsrecht, S. 307 ff.; 316; Beerli-Bonorand, a.a.O., S. 41 f., 79, 171 ff.). Analog zu der gesetzlichen Regelung von Artikel 66 VwVG leitet die Praxis unmittelbar aus Artikel 4 BV einen Anspruch auf Wiedererwägung ab, sofern Revisionsgründe geltend gemacht werden können; insbesondere die Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften im ursprünglichen Verfügungsverfahren oder aber das Bekanntwerden neuer, erheblicher Tatsachen und Beweise im revisionsrechtlichen Sinne, die trotz aller zumutbaren Sorgfalt nicht früher, namentlich nicht in einem ordentlichen Rechtsmittelverfahren geltend gemacht werden konnten, begründen einen Anspruch auf Wiedererwägung der fehlerhaften Verfügung. Ein Wiedererwägungsgesuch in diesem Sinne stellt sich nicht bloss als Rechtsbehelf, sondern vielmehr als ausserordentliches Rechtsmittel gegen eine formell rechtskräftige Verfügung dar; in der Literatur wird es verschiedentlich als eigentliches Revisionsgesuch bezeichnet (Gygi, Verwaltungsrecht, S. 308; Beerli-Bonorand, a.a.O., 41 f., 79, 172, 187; Imboden/Rhinow, a.a.O., Nr. 43 S. 260 ff.). Wurde eine Verfügung mit ordentlichen Rechtsmitteln angefochten, sind Revisionsgründe nicht in einem Wiedererwägungsverfahren, sondern im Revisionsverfahren gemäss Artikel 66 ff. VwVG darzulegen.

In seiner letzten Bedeutung bezeichnet der Begriff der Wiedererwägung die Anpassung einer ursprünglich fehlerfreien Verfügung an nachträglich eingetretene Veränderungen der Sachlage (vgl. F. Gygi, Bundesverwaltungsrechts-