1995 / 16 - 166

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cc) Nach eigenen Angaben haben die Beschwerdeführer während ihres Aufenthaltes in der Schweiz keinerlei Beziehungen gepflegt mit ihrem Heimatland oder deren offiziellen Vertretung im Ausland. Sie machen geltend, sie hätten "so viele Ungerechtigkeiten, Erniedrigungen und Unterdrückungen erdulden" müssen, dass sie auch künftig keine Kontakte haben wollen. Diese Einstellung würde sich ihren Angaben zufolge auch durch einen Asylwiderruf nicht ändern, das heisst, sie würden diesfalls die Ausstellung eines Ersatzreisepapiers einer Beantragung eines ungarischen Passes "unbedingt" vorziehen (vgl. Protokoll der Instruktionsverhandlung, S. 7, auf ausdrückliche Frage).

Aus den Akten sind keine Hinweise ersichtlich, die Anlass gäben, an der behaupteten Beziehungslosigkeit zum Heimatland während der letzten vierzig Jahre zu zweifeln. Auch in diesem Punkt sowie im Hinblick auf ihre Absichten erscheinen die Beschwerdeführer als glaubwürdig.

d) Einleitend ist allgemein zu prüfen, welche Gründe als triftig zu gelten haben. In der in die Systematische Sammlung des Bundesrechts aufgenommenen deutschen Übersetzung der Flüchtlingskonvention ist von "triftigen Gründen" die Rede. In den Originalsprachen der Konvention, die gleichermassen als authentisch gelten (vgl. Art. 46 Abs. 3 FK), werden die Begriffe "des raisons impérieuses" beziehungsweise "compelling reasons" verwendet. Diese sind mit "triftig" (= stichhaltig, [zu]treffend) ungenau übersetzt. Sprachlich korrekt ist das im deutschsprachigen UNHCR-Handbuch oder auch in der Konventions-Übersetzung der Bundesrepublik Deutschland (BGBl. II 1953 S. 559) verwendete Wortpaar "zwingende Gründe", welche Formulierung in allen drei Sprachen nicht auf einen von irgendeiner Seite ausgeübten Zwang hindeutet, sondern im Sinne von "gedanklich zwingend, stringent" zu verstehen ist. Es wird fortan der zutreffende Begriff "zwingende Gründe" verwendet.

In der Doktrin werden dreierlei Kategorien von relevanten Gründen unterschieden, wobei sich nur die beiden ersten auf die Flüchtlingskonvention abstützen und somit auf frühere Verfolgungen zurückgehen müssen:

1. Traumatisierende Erlebnisse, die zur Flucht geführt haben: Während bei der Schaffung der Flüchtlingskonvention zweifellos vorallem an die schrecklichen Verfolgungs- und Vernichtungsaktionen gegenüber den Juden und anderer Gruppen insbesondere in Deutschland und Österreich gedacht worden ist (vgl. N. Robinson, a.a.O., S. 60 ff.), ist die gleiche Voraussetzung immer dann erfüllt, wenn ein Flüchtling (oder seine Angehörigen oder Gruppenzugehörigen)