1995 / 16 - 163

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Beide Argumentationen führen zum Resultat, dass die Ausnahmebestimmung von Artikel 1 C Ziffer 5 Absatz 2 FK für alle Flüchtlinge anwendbar ist. Sie stehen auch in Übereinstimmung mit der jahrzehntelangen Praxis der Schweiz, die bei den angestellten Zumutbarkeitsüberlegungen (vgl. Erw. 4) nie zwischen statutären Flüchtlingen und Konventionsflüchtlingen unterschieden hat. Die besagte Bestimmung ist somit grundsätzlich auch auf die Beschwerdeführer anwendbar.

c) Triftige Gründe müssen "auf frühere Verfolgungen zurückgehen", um beachtlich zu sein (Art. 1 C Ziff. 5 Abs. 2 FK; "[...] raisons [...] tenant à des persécutions antérieures"/"[...] reasons arising out of previous persecution"). Der Flüchtlingsbegriff der Flüchtlingskonvention knüpft bekanntlich an die begründete Furcht vor Verfolgung an (Art. 1 A Ziff. 2 FK: "well-founded fear of persecution"). Wenn nun Artikel 1 C Ziffer 5 Absatz 2 FK von früheren Verfolgungen spricht, ist damit nicht eine Aufsplitterung des Flüchtlingsbegriffs avisiert, nämlich in solche, die aufgrund erlittener Verfolgung begründete Furcht vor künftiger Verfolgung hatten, und in solche, die die gleiche Furcht hatten, ohne selber bereits Verfolgung erlitten zu haben. Eine solche Unterscheidung würde der Logik und dem Geist der Flüchtlingskonvention zuwiderlaufen. Obwohl der deutsche und der originale französische Text von Verfolgungen (persécutions) spricht - im Unterschied zum originalen englischen Text: persecution -, sind damit nicht Verfolgungshandlungen, sondern eine Verfolgungssituation gemeint. Eine andere Betrachtungsweise wäre nicht nur mit dem Sinn des Flüchtlingsbegriffs nicht vereinbar, sondern hätte auch zur Folge gehabt, dass viele der jüdischen Flüchtlinge, die der Verfolgung durch die Schergen des Hitler-Regimes entfliehen konnten, bevor sie selber Opfer von Verfolgungsmassnahmen geworden sind, von der Ausnahmebestimmung von Artikel 1 C Ziffer 5 Absatz 2 FK nicht umfasst gewesen wären. Auch diese einzuschliessen war aber der unbestreitbare Wille der Schöpfer der Flüchtlingskonvention (vgl. N. Robinson, Convention Relating to the Status of Refugees, New York 1953, S. 60 f.). 

aa) Da die Beschwerdeführer im Rahmen einer Kollektivaufnahme als Flüchtlinge anerkannt und aufgenommen worden sind, wurde damals keine Anhörung über die Fluchtgründe durchgeführt und es finden sich auch sonst in den vorinstanzlichen Akten (mit Ausnahme der vom 14. Juni 1994 datierten Stellungnahme der Beschwerdeführer zum beabsichtigten Widerruf) keine Angaben über die Fluchtmotive. In solchen Fällen ist es Sache der Asylbehörden, vorab des BFF, die seinerzeitigen Fluchtgründe auf geeignete Weise zu eruieren. Obwohl im vorliegenden Fall demzufolge durch das BFF ein Be-