1995 / 15 - 149

previous next

erfüllen. Daraus lässt sich keineswegs ableiten, der Gesetzgeber habe damit die Rechtsvermutung aufgestellt, die Familie müsse bereits vor der Flucht bestanden haben (vgl. VPB 54, Nr. 23, S. 134). Da ja sowieso die Flüchtlingseigenschaft nicht primär an erlittene Verfolgung, sondern an die begründete Furcht vor (künftiger) Verfolgung anknüpft, könnte höchstens von einer Rechtsvermutung des Gesetzgebers ausgegangen werden, dass Familienangehörige in vielen Fällen die gleiche begründete Furcht empfinden. Eine solche Furcht kann gleichermassen entstehen, ob die Verbindung mit dem Verfolgten schon im Heimatland bestanden hat oder erst durch Heirat mit dem als Flüchtling anerkannten Landsmann im Ausland entstanden ist.

Selbst wenn der ursprüngliche Gedanke dahingehend gewesen wäre, dass die zu schützende Familieneinheit schon vor der Flucht bestanden haben müsse (wie von S. Werenfels, a.a.O, S. 380, vermutet), ist auf die mit Artikel 3 Absatz 3 AsylG entwickelte langjährige Praxis hinzuweisen. Diese erachtet "stets" (ebenfalls bei S. Werenfels, a.a.O., S. 380, siehe auch S. 141) als vorrangig, für die Familien einen einheitlichen Rechtsstatus zu erreichen; Ausfluss dieser Praxis ist insbesondere auch, dass selbst in der Schweiz geborene Kinder anerkannter Flüchtlinge regelmässig deren Status gestützt auf Artikel 3 Absatz 3 AsylG erlangen (vgl. P. Zimmermann, a.a.O., S. 174 f.; S. Werenfels, a.a.O., S. 384). 

Die bisherige Praxis ist auch im heutigen Zeitpunkt als sachgerecht zu beurteilen, einerseits unter dem Aspekt eines möglichst einheitlichen Rechtsstatus' in der Familie, anderseits weil grundsätzlich nicht auszuschliessen ist, dass im Falle einer Heirat eines Asylgesuchstellers mit einem anerkannten Flüchtling aufgrund dieser Ehe insofern Reflexwirkungen zulasten des Ehepartners des Flüchtlings entstehen können, als die Heirat mit einem anerkannten Flüchtling mit hoher Wahrscheinlichkeit das Interesse des Verfolgerstaates an dessen Ehepartner der gleichen Staatsangehörigkeit weckt (vgl. S. Werenfels, a.a.O., S. 380 und insbesondere S. 341). 

Nach dem Gesagten ist somit festzustellen, dass die langjährige Praxis der Asylbehörden zu bestätigen und demzufolge der Ehegatte eines in der Schweiz erkannten Flüchtlings grundsätzlich (Rechtsmissbrauch vorbehalten; s. Erw. 6) in Anwendung von Artikel 3 Absatz 3 AsylG in die Flüchtlingseigenschaft miteinzubeziehen ist. Dabei ist unerheblich, ob die Ehe erst in der Schweiz und erst nach dem originären Anerkennungs- und Asylgewährungsentscheid geschlossen wurde. Dem Gesetz lässt sich nichts entnehmen, das eine unterschiedliche Behandlung der Ehegatten rechtfertigen würde, je nach dem, wann