1995 / 9 - 89

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vernünftige Asylpolitik" vertreten; er beantragt der Bundesversammlung die Ungültigerklärung des Volksbegehrens, weil es gegen zwingendes Völkerrecht (Art. 3 EMRK und Art. 33 FK) verstosse (vgl. BBl 1994 III 1493 ff., mit ausführlichen Hinweisen zum zwingenden Charakter der erwähnten Rechtsnormen). Daraus ergibt sich, dass Artikel 66 Absatz 3 VwVG auch im Falle eines echten Konfliktes den völkerrechtlichen Bestimmungen von Artikel 3 EMRK und Artikel 33 FK zu weichen hätte.

f) In Anbetracht der obenstehenden Erwägungen ergibt sich zusammenfassend, dass Artikel 66 Absatz 3 VwVG so angewandt werden muss, dass es zu keiner Verletzung des Gebotes des Non-refoulement, wie es die Artikel 3 EMRK und 33 FK statuieren, kommt. Die bisherige Rechtsprechung der ARK, welche Artikel 66 Absatz 3 VwVG ausnahmslos angewandt hat, kann daher in diesem absoluten Sinne nicht aufrecht erhalten werden; sie ist vielmehr im nachfolgend dargelegten Sinne zu modifizieren.

g) Zunächst ist festzuhalten, dass die völkerrechtskonforme Auslegung von Artikel 66 Absatz 3 VwVG nicht zur Folge hat, dass die schweizerischen Asylbehörden in jedem Fall verpflichtet wären, von sich aus vor dem effektiven Vollzug einer Wegweisung (erneut) zu prüfen, ob allenfalls das Gebot des Non-refoulement verletzt würde, nachdem der Wegzuweisende bereits ein ordentliches Asylverfahren durchlaufen hat; insoweit hat der Grundsatz der Rechtssicherheit durchaus Vorrang. Eine völkerrechtskonforme Auslegung gegen den Wortlaut von Artikel 66 Absatz 3 VwVG setzt vielmehr voraus, dass das Völkerrecht bei strikter Anwendung des Landesrechts tatsächlich tangiert würde. Es genügt daher nicht, dass ein Revisionsführer eine drohende Verletzung von Artikel 33 FK resp. Artikel 3 EMRK lediglich behauptet: Er muss die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen, ernsthaften Gefahr vielmehr schlüssig nachweisen, wobei allerdings der herabgesetzte Beweismassstab des Glaubhaftmachens genügt (vgl. BGE 111 Ib 71 mit Hinweisen; Entscheide EKMR Nrn. 14514/89, 14982/89 und 1840/93; Urteile EGMR Series A Vol. 161 [=EuGRZ 1989, S. 314], 201 [= EuGRZ 1991, S. 203], 215 [= HRLJ 1991, S. 432]; Villiger, a.a.O., S. 185, Rn 304; Kälin, Grundriss, S. 245 ff.; EMARK 1993 Nrn. 23, S. 155, Erw. 9b; 26, S. 184 f.; 1994 Nr. 3, S. 27 f., Erw. 5b). Ein Abweichen vom Wortlaut von Artikel 66 Absatz 3 VwVG rechtfertigt sich mit andern Worten nicht bereits bei Vorliegen von Tatsachen und Beweismitteln, welche geeignet sein können, zu einem anderen Ergebnis als im vorangegangenen ordentlichen Asylverfahren zu führen, sondern lediglich dann, wenn die Tatsachen und Beweismittel bei rechtzeitigem Bekanntwerden zu einem anderen Beschwerdeentscheid - und zwar zu