1995 / 9 - 84

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 insbesondere auch für die Anwendung landesrechtlicher Prozessbestimmungen gelte (Wolffers, a.a.O., S. 4, mit Hinweisen auf P. Saladin, Völkerrechtliches ius cogens und schweizerisches Landesrecht, in: Festgabe zum schweizerischen Juristentag 1988, Bern 1988, S. 67 ff.). Im weiteren sei zu beachten, dass Artikel 3 EMRK keinerlei Beschränkungen des durch diese Bestimmung statuierten Grundrechtes vorsehe und gemäss Artikel 15 Absatz 2 EMRK auch in Zeiten öffentlichen Notstandes nicht ausser Kraft gesetzt werden dürfe; zu dieser Schrankenlosigkeit würde es schlecht passen, wenn die Behörden nicht mehr an Artikel 3 EMRK gebunden wären, nachdem ein Asylbewerber im Verfahren die gebotene Sorgfalt habe vermissen lassen. Diese völkerrechtliche Betrachtungsweise wird im Ergebnis auch von W. Kälin in einem der ARK vorliegenden privaten Rechtsgutachten vom 12. März 1994 (nachfolgend kurz Kälin, Gutachten) zu derselben Frage vertreten, wonach Artikel 3 EMRK in absoluter Weise die Ausschaffung eines Menschen in ein Land verbiete, in dem ihm Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe, und somit selbst angesichts wichtiger öffentlicher Interessen - wozu etwa auch die Rechtssicherheit gehöre - keine Einschränkungen zulasse (vgl. Kälin, Gutachten, S. 4 f., mit Hinweis auf W. Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, Basel/Frankfurt a.M., 1990, S. 247).

Der von den soeben zitierten Autoren vertretenen Auffassung ist im Grundsatz zuzustimmen: Neben den bereits angeführten Aspekten ist von Bedeutung, dass der massgebliche Zeitpunkt für die Anwendung von Artikel 3 EMRK der Moment der effektiven Wegweisung ist (vgl. M. E. Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, Zürich 1993, S. 186, Randnote 307). Sodann ist nicht nur der Heimatstaat eines Gesuchstellers (sofern er die EMRK ratifiziert hat, was bei der Türkei der Fall ist) zur Einhaltung der konventionsrechtlichen Garantien verpflichtet, sondern ebenso der Gaststaat, was zur Folge hat, dass letzterer selber gegen Artikel 3 EMRK verstösst und dadurch völkerrechtlich verantwortlich wird, wenn er einen Ausländer in dessen Heimatstaat zurückschafft, obwohl feststeht, dass er dort der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde (Villiger, a.a.O., S. 183, Rn 301; Kälin, Gutachten, S. 5; BGE 111 Ib 71). Dazu hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im sogenannten 'Soering-Fall' ausgeführt, dass "(...) es mit den der Konvention zugrundeliegenden Werten kaum vereinbar (wäre), und auch nicht mit dem 'gemeinsamen Erbe an geistigen Gütern, politischen Überlieferungen, Achtung der Freiheit und Vorherrschaft des Gesetzes', auf die sich die Präambel bezieht, wenn ein Mitgliedstaat wissentlich einen Flüchtling an einen anderen Staat ausliefert, obwohl es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass der