1995 / 7 - 67

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Es stellt sich im folgenden die Frage, ob der Asylausschlussgrund von Artikel 8a AsylG absoluten Charakter hat, mithin stets zur Anwendung gelangt, solange die (Vor)Fluchtgründe nicht bereits für sich allein betrachtet zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen, oder ob er nur zum Tragen kommt, wenn sich ein Asylgesuch allein auf subjektive Nachfluchtgründe stützt. Mit anderen Worten gilt es zu prüfen, ob das Vorliegen subjektiver Nachfluchtgründe im Einzelfall zur Asylgewährung führen kann, wenn bereits vor der Ausreise gewisse Fluchtgründe bestanden, diese aber erst im Zusammenhang mit den Nachfluchtgründen die flüchtlingsrelevante Intensität und Aktualität erlangt haben.

Artikel 8a AsylG lautet, soweit hier interessierend, wie folgt:

"Einem Ausländer wird kein Asyl gewährt, wenn er erst [...] wegen seines Verhaltens nach der Ausreise Flüchtling im Sinne von Artikel 3 (AsylG) wurde."

a) Eine Klärung der Kontroverse aufgrund des reinen Wortlauts der Gesetzesbestimmung erscheint nicht möglich. Aufgrund einer grammatikalischen Auslegung (unter spezieller Berücksichtigung des Wortes "erst") können abweichende Bedeutungsinhalte zwischen der deutschen Wortfassung einerseits, der französischen und italienischen Formulierung (seul, soltanto) andererseits, zumindest nicht ausgeschlossen werden.

b) Ein näherer Blick in die Entstehungsgeschichte zeigt demgegenüber klar auf, dass man sich bei der Schaffung der Gesetzesnorm von Artikel 8a AsylG durchaus darüber im klaren war, dass mit der gewählten Formulierung, insbesondere dem Wörtchen "erst" (statt "allein"), unterschiedslos alle Fälle subjektiver Nachfluchtgründe unter diese Bestimmung subsumiert werden, mithin bewusst keine Unterscheidung zwischen missbräuchlicher und nicht missbräuchlicher Setzung subjektiver Nachfluchtgründe vorgenommen wurde. Besonders deutlich geht dies aus dem Protokoll der vierten Sitzung der AVB-Expertenkommission vom 17./18. Januar 1990 hervor. Unter anderem wurde dort ausgeführt:

"Das Wort 'allein' öffnet die Tore für die Argumentation. Bei verschiedenen Vorfällen" (solche vor und solche nach der Ausreise) "macht die Gesamtheit die betroffene Person zum Flüchtling ... Mit der Formulierung 'erst' würde diese Problematik entfallen. Dies deshalb, weil auf diese Art der entscheidende Grund bestimmt wird...." (Protokoll, a.a.O., S. 13).