1995 / 2 - 22

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Heimatstaates zu stellen, was neben dessen Schutzwillen jedoch notwendigerweise auch dessen Schutzfähigkeit voraussetzt. Eine historische und teleologische Auslegung der erwähnten Bestimmung führt, wie von Kälin (a.a.O., S. 67 f.) ausführlich dargelegt, zum gleichen Ergebnis. Soweit die Verfolgung von Personen durch bestimmte Bevölkerungsgruppen betreffend, folgt die Staatenpraxis (zur Praxis Frankreichs: F. Thibergien, Chronique de jurisprudence: la crise yougoslave devant la Commission de recours, in: Documentation-réfugiés, supplément au no 223 - 17/30 août 1993) dieser Auffassung, welche im übrigen auch vom UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) geteilt wird (vgl. Handbuch UNHCR nicht-amtliche Übersetzung der englischen Originalfassung, Genf 1993, S. 18 f., Note 65). 

Nach diesen Ausführungen bleibt zu klären, ab welchem Grad die faktische Herrschaft über ein bestimmtes Territorium als quasi-staatlich zu qualifizieren ist: Dass diese Qualifikation bei raschen Herrschaftswechseln - etwa durch sich kurzfristig verändernde Frontverläufe in (Bürger-) Kriegsgebieten - wenig sachgerecht erschiene, ergibt sich ohne weiteres. In solchen Fällen könnte dem Schutzbedürfnis der betroffenen Gewaltflüchtlinge (zu diesem Begriff: EMARK 1993 Nr. 37, S. 267 f.) durch das Institut der jeweils für die Dauer eines Jahres angeordneten und erforderlichenfalls zu verlängernden individuellen - beziehungsweise der durch den Bundesrat angeordneten kollektiven - vorläufigen Aufnahme (vgl. Art. 14a Abs. 5 und Art. 14c ANAG) in sinnvollerer Weise Rechnung getragen werden als durch die Asylgewährung, welche nach der Wiedererlangung der Herrschaft der Zentralregierung über das betreffende Gebiet und der Stabilisierung der Verhältnisse grundsätzlich zu widerrufen wäre (vgl. Art. 41 Abs. 1 lit. b AsylG in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt C Ziff. 5 FK). Für die Annahme quasi-staatlicher Herrschaft ist demnach zunächst eine gewisse zeitliche Konstanz der Fremdherrschaft vorauszusetzen. Diesbezüglich kann zwar keine starre Grenze gezogen werden; jedenfalls wäre beispielsweise in Kriegsgebieten mit unklar definierten Frontverläufen und schnellen Herrschaftswechseln aber kaum von für die Annahme quasi-staatlicher Herrschaft genügender Beständigkeit auszugehen. Neben der zeitlichen Dimension sind zudem jeweils auch die gesamten übrigen Umstände der Fremdherrschaft zu berücksichtigen: Deren Stabilität beziehungsweise Effektivität kann sich beispielsweise aus dem Grad ihrer Autonomie gegen aussen oder aus Art und Umfang der Übernahme staatlicher - etwa exekutiver (insbesondere auch verwaltungsmässiger oder polizeilicher), legislativer oder judikativer - Funktionen ergeben. Zu den letztgenannten Kriterien ist indessen anzumerken, dass in (Bürger-) Kriegsgebieten rechtsprechende und vor allem auch gesetzgeberische Funktionen selbst von der ordentlichen Staatsmacht re-