1995 / 2 - 20

previous next

dem Gesichtspunkt der Asylrelevanz - im Gegensatz zu demjenigen der Zulässigkeit und Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs - grundsätzlich unbeachtlich bleiben muss. Einigkeit herrscht auch darüber, dass sich der Staat private Nachstellungen dann als sogenannte mittelbare Verfolgung zurechnen lassen muss, wenn er diese anregt, unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt, obwohl er zur Schutzgewährung in der Lage wäre, und damit seinen fehlenden Schutzwillen zum Ausdruck bringt. 

Umstritten ist jedoch die Frage der mittelbaren Verfolgung bei - beispielsweise aufgrund einer Bürgerkriegssituation - fehlender staatlicher Schutzfähigkeit, wobei hier je nach der Kategorie der Täter zwei Konstellationen zu unterscheiden sind: Die Asylrelevanz der Verfolgung durch private Dritte im schutzunfähigen Staat wird von der massgebenden Lehre uneinheitlich beurteilt (zurückhaltend bejahend: Kälin, a.a.O., S. 64 ff.; eher verneinend: Werenfels, a.a.O., S. 222 ff.; hier unklar: Achermann/Hausammann, a.a.O., vgl. S. 86 f.), während die Praxis der schweizerischen Asylbehörden diese Frage verneint. Den Fall der Verfolgung durch "private" Körperschaften, welche, ohne anerkannte Träger der Staatsordnung zu sein, faktisch die Herrschaft über bestimmte Teilgebiete des staatlichen Territoriums und die dort lebende Bevölkerung ausüben, qualifiziert die Lehre hingegen einhellig als sogenannte quasi-staatliche Verfolgung und stellt sie hinsichtlich der Asylrelevanz derjenigen der (unmittelbar) staatlichen gleich (Kälin, a.a.O., S. 70; Achermann/Hausammann, a.a.O., S. 87; Werenfels, a.a.O., S. 219). Die frühere Praxis folgt, soweit feststellbar, dieser Auffassung nicht, während die Asylrekurskommission die Existenz und Relevanz quasi-staatlicher Verfolgung im erwähnten Sinne in neueren Entscheidungen anerkannt hat (vgl. beispielsweise die unveröffentlichten Urteile vom 9. März 1994 i.S. T.V., und 27. Mai 1994 i.S. Z.A., beide Bosnien-Herzegowina, sowie vom 19. August 1994 i.S. G.K., Sri Lanka). Zur diesbezüglichen Praxis des BFF ist folgendes festzustellen: Die Tatsache, dass die Vorinstanz im Jahre 1993 "fast die Hälfte" der Asylgesuche bosnischer Staatsangehöriger gutgeheissen hat (ASYLON, Ausgabe März 1994, S. 9; gemäss der Darstellung in ASYL 1994/1 S. 20 betrug die betreffende Quote im Jahre 1993 45,1%), legt für die Asylrekurskommission - angesichts des Umstands, dass Angehörige dieser Gruppe als Asylgründe erfahrungsgemäss am häufigsten den Aufenthalt in einem auf dem Territorium ihres Heimatstaats von bosnischen Serben oder Kroaten geführten Internierungslager unter schlechten Bedingungen geltend machen - den Schluss nahe, die Vorinstanz anerkenne im Falle von Bosnien-Herzegowina (nicht nur in Einzelfällen) die asylrechtliche Relevanz quasi-staatlicher Verfolgung im dargelegten Sinne. Hingegen scheint das BFF diese Frage nach den Erfahrun-