1995 / 1 - 8

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Viransehir - aus dem auch die Beschwerdeführer stammen - wird das Land der Yeziden für die Grossgrundbesitzer noch wertvoller; mithin bewirkt dieses Projekt jedenfalls für die Yeziden keine wirtschaftliche Förderung. Diese geraten vielmehr unter noch grösseren Druck der "Aga's", da der Wert der Ländereien steigt und ein möglicher Reichtum von Yeziden kaum hingenommen wird.

e) Diese Diskriminierungen verschärfen sich zusätzlich durch weitere, auf die Yeziden zutreffende, Besonderheiten:

Durch die anhaltende Verdrängungspolitik leben mittlerweile nur noch wenige Yeziden in der Türkei, weshalb es ihnen nicht mehr möglich ist, sich hinter einen eigenen Stamm zurückzuziehen und Schutz bei befreundeten Grossfamilien - vor deren Abwanderung waren dies oft Christen - und Clans zu suchen. Zudem verfügen sie durch die ständige wirtschaftliche Diskriminierung auch nicht über die finanziellen Mittel, eine Lobby für sich zu kaufen. Eine weitere Besonderheit ist die archaische Gesellschaftsstruktur in der Türkei, in der die Yeziden - von den Grossverbänden her betrachtet - die unterste Stufe einnehmen. Demgegenüber sind die muslimischen Grossverbände (türkischer und kurdischer Ethnie, wobei namentlich der Grossverband der muslimischen Türken im Besitz der obersten Macht ist) die Träger einer Macht, die durch den Islam legitimiert ist. Grundprinzip des Islam ist die Ungleichheit der Menschen, wobei die Muslims die wertvollste Gruppe sind. Die Angehörigen anderer Buchreligionen (Juden, Christen usw.) werden gerade noch geduldet, während den Angehörigen der Religionen ausserhalb der Muslims und der Gemeinschaften der Buchreligionen vor Gott und den Muslimen kein Recht auf Existenz zukommt. Da der Yezide nebst dem Schöpfer (Gott) den Engel Pfau verehrt, durchbricht er zudem die Einzigkeit Gottes, weshalb der Yezide der moralisch Verkommenste ist. Diese Einstellung der Muslims gegenüber den Yeziden ist mithin geprägt durch diese verinnerlichte religiös geprägte archaische Gesellschaft, womit so gut wie keine Hemmschwelle besteht, die den Muslim an seinem Umgang mit Yeziden hindern könnte. Es entsteht eine dauernde, latente Spannung, die aus den nichtigsten Gründen zur Explosion führen kann, das heisst es kommt in diesen schlimmsten Fällen zu Frauenraub, Diebstahl, Totschlag und Mord. Das Fehlen dieser Hemmschwelle kommt auch im obengenannten Verhalten der Aga's gegenüber den Yeziden zum Ausdruck (aus einem Referat von Prof.Dr.Dr. G. Wiessner, Yezidi in ihrer türkischen Heimatregion, Archaische Strukturen der Gesellschaft Ostanatoliens).