1994 / 12 - 107

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In der Asylrechtsliteratur wird diese Frage mehrheitlich überhaupt nicht aufgeworfen (vgl. unter anderem Kälin, a.a.O., S. 195, welcher den Terminus "namentlich" zwar in Anführungszeichen setzt, ohne aber weiter darauf einzugehen, sowie Achermann/Hausammann, a.a.O., S. 332). Einzig Bersier äussert sich dahingehend, dass neben den im Gesetz aufgezählten Zumutbarkeitsgründen auch andere Umstände eine vorsorgliche Wegweisung zu rechtfertigen vermöchten. Wörtlich schreibt er: "La loi en donne deux exemples (Gemeint sind die in Art. 19 Abs. 2 Bst. b und c AsylG aufgezählten Gründe; die in Buchstaben a genannten staatsvertraglichen Regelungen erwähnt er - da sie zur Zeit noch nicht aktuell sind - weiter unten separat) (...). D'autres circonstances pourraient justifier un tel renvoi pendant la procédure (R. Bersier, Droit d'asile et statut du réfugié en Suisse, 2. Auflage, Lausanne 1991, S. 97).". Die Asylrechtslehre scheint also - zumindest stillschweigend - davon auszugehen, dass eine vorsorgliche Wegweisung auch bei Vorliegen anderer als der in Artikel 19 Absatz 2 AsylG explizit genannten Voraussetzungen zumutbar sein kann. Diese Auffassung erscheint denn auch als sachgerecht: Das Kriterium der Zumutbarkeit kann vom Gesetzgeber sinnvollerweise nicht von vornherein ausnahmslos definiert werden, würde dies doch bedingen, dass er die zum Regelungsgegenstand gehörenden Lebensverhältnisse vollständig - auch für die Zukunft - zu überblicken vermöchte. Er hat sich hier aus diesem Grund mit der Verwendung des Terminus' "namentlich" eines sogenannt unbestimmten Gesetzesbegriffes bedient, welcher den rechtsanwendenden Behörden einen gewissen Beurteilungsspielraum eröffnet, damit diese in der Lage sind, einzelfallgerecht zu entscheiden. Die vom Gesetzgeber geforderte Prüfung der Zumutbarkeit bezweckt, sicherzustellen, dass ein vorsorglich Weggewiesener zum Drittstaat eine nicht nur sehr lose Verbindung aufweist, sondern eine solche von gewisser Qualität, sei es beispielsweise dadurch, dass der Betroffene dort über ein Beziehungsnetz zu Verwandten oder bestimmten anderen Personen verfügt, oder indem er aufgrund eines dortigen Aufenthaltes von gewisser Dauer vor seiner Einreise in die Schweiz zumindest eine nicht bloss zufällige Beziehung zum Drittstaat geknüpft hat. Eine nähere Beziehung zum Drittstaat kann sich indessen auch dadurch ergeben, dass eine Person dort über einen Rechtsstatus verfügt, welcher Ausländern ansonsten nicht ohne weiteres zusteht.

In casu verfügt der Beschwerdeführer über eine Bewilligung der italienischen Behörden, welche ihn dazu berechtigt, sich mindestens bis zum 23. Juli 1994 in Italien aufzuhalten. Entgegen der von ihm erstmals in seiner Eingabe vom 15. Oktober 1993 angemeldeten Zweifel an der Echtheit dieser Aufenthaltsbewilligung gelangt die ARK zum Schluss, dass es sich um ein gültiges Doku-