1994 / 11 - 91

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Altersmässig erscheinen beide Personenkategorien emotional gleichermassen abhängig von ihrer Kernfamilie. Insbesondere ist eine 18-jährige Bosnierin nicht weniger stark an ihre Eltern gebunden als ein gleichaltriges Flüchtlingskind aus einem Staat, der die Volljährigkeitsgrenze bei zwanzig Jahren ansetzt, oder als eine gleichaltrige Schweizerin. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die erstere bereits selbständig jede Art von Rechtsgeschäften abschliessen kann, während letztere bloss eingeschränkt dazu in der Lage ist, denn dies betrifft lediglich die geschäftlichen Belange. Im übrigen will auch das internationale Privatrecht grundsätzlich keinen Unterschied machen zwischen Personen verschiedener Herkunftsstaaten; so ist das IPRG - im Gegensatz zum früheren NAG - beherrscht vom Wohnsitzprinzip (vgl. die bundesrätliche Botschaft zum IPRG, BBl 1983, S. 277). Das IPRG will grundsätzlich die Handlungsfähigkeit an das Recht des Ortes anknüpfen, an welchem eine Person lebt, und nicht mehr an den Heimatstaat, zu welchem sie häufig weniger enge, wenn nicht gar zufällige Beziehungen hat. Artikel 35 IPRG bestimmt denn auch in seinem ersten Satz, dass die Handlungsfähigkeit dem Recht am Wohnsitz einer Person unterstehe. Satz 2 dieser Bestimmung soll lediglich eine gewisse Permanenz der Handlungsfähigkeit sichern, indem einer Person, die in ihrem Heimatstaat bereits rechtliche Selbständigkeit erlangt hat, diese nicht wieder entzogen werden soll. Die einmal erworbene Handlungsfähigkeit soll durch einen Wohnsitzwechsel nicht gefährdet werden (BBl 1983, S. 322 f.). Der gleiche Gedanke wird auch in Artikel 12 FK ausgedrückt, welcher in Ziffer 1 festhält, dass sich die personenrechtliche Stellung eines Flüchtlings nach dem Recht seines Wohnsitz- resp. Aufenthaltsstaates bestimme und in Ziffer 2 nur als Ausnahme auf das Heimatrecht des Flüchtlings verweist, um vorbestandene Rechtspositionen zu schützen. Für die zivilrechtlichen Belange erscheinen diese Regelungen durchaus sinnvoll. Würde man sie jedoch ohne weiteres auf die Frage der Mündigkeit in Artikel 3 Absatz 3 AsylG übertragen, so hätte dies zur Folge, dass der zivilrechtliche Schutz der Handlungsfähigkeit einem Flüchtlingskind unter Umständen den Verlust des asylrechtlichen Schutzes - nämlich den Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft seiner Eltern - zufügen würde. Dies jedoch würde dem im schweizerischen Asylrecht - insbesondere auch in Artikel 3 Absatz 3 AsylG - vorgesehenen Schutz der Einheit der Familie widersprechen.

Die Beschwerdeführerin verweist zudem zu Recht auf den Entscheid des EJPD vom 6. Oktober 1989 i.S. F.G. (abgedruckt in ASYL 1989/4, S. 14). Das EJPD hat in diesem Fall, in welchem es um die Auslegung des Begriffes der Familie im Sinne von Artikel 14a Absatz 3 AsylG ging, festgestellt, dass der Begriff "Familie" die Ehegatten und deren minderjährige Kinder umfasse und