1994 / 11 - 88

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den, ob sich Zweck und Inhalt dieser Begriffe und Institutionen im privaten und im öffentlichen Recht decken. Trifft dies zu, können sie, so wie sie sind, übernommen werden. Im anderen Fall müssen sie den Bedürfnissen des öffentlichen Rechts angepasst werden, da sie auch im Privatrecht nur als Ausprägung von Rechtsgrundsätzen und allgemeinen Rechtssätzen in Erscheinung treten (...)." (vgl. B. Knapp, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, Basel/Frankfurt a.M. 1992, S. 20 Randnote 86). F. Gygi spricht sich ebenfalls für die grundsätzlich bestehende Möglichkeit, zivilrechtliche Erscheinungen ins öffentliche Recht zu übernehmen, aus. In jedem Fall könne jedoch eine vom Zivilrecht abweichende Auslegung angezeigt erscheinen (vgl. F. Gygi, Verwaltungsrecht, Eine Einführung, Bern 1986, S. 140). Nach Saladin/ Zimmerli darf, für den Fall dass verwaltungsrechtliche Rechtssätze Begriffe verwenden, die im Zivilrecht definiert seien, und keine eigenständige Definition anböten, nicht automatisch "zivilrechtskonform" ausgelegt werden. Vielmehr sei auch hier, wie überall, der spezifische Sinn der verwaltungsrechtlichen Normierung zu ermitteln (vgl. P. Saladin/U. Zimmerli, Einführung in das Verwaltungsrecht, Skriptum für die Vorlesung, Ausgabe 1990, S. 79 f.).

cc) - Auch in der privatrechtlichen Literatur wird das Problem aufgegriffen und ähnlich gewürdigt. So findet sich beispielsweise in einem aktuellen Kommentar zum IPRG zur Regelung der Handlungsfähigkeit in Artikel 35 dieses Erlasses folgende Passage: "Wie weit die IPRG-Regelung für die nicht zivilrechtlichen Bereiche der Rechtsordnung massgebend ist, muss im Wege der Auslegung des Begriffes bei dem jeweils in Frage stehenden Rechtsinstitut beantwortet werden. Soweit die Regelung nicht an die Handlungsfähigkeit anknüpft, ist eine autonome Auslegung geboten" (vgl. A. Heini und Mitherausgeber, Kommentar zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht, Zürich 1993, S. 338 Randnote 10). Der Kommentar verweist im weiteren auf BGE 109 IV 44 (siehe weiter unten); Das Bundesgericht habe in jenem Fall zu Recht den Begriff der Mündigkeit ohne Rücksicht auf das Privatrecht autonom ausgelegt. Das Strafrecht meine bei seiner Verweisung auf einen Begriff des Privatrechts nur dessen 'Tatbestandsinhalt', verwende den Begriff nur als 'Kürzel'. Der Begriff der Mündigkeit im Zusammenhang mit der Kuppelei beurteile sich gemäss dem Zweck der Norm ausschliesslich nach schweizerischem Recht.

dd) - Im weiteren wird auch in der öffentlichrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichts die direkte Übernahme zivilrechtlicher Institute nur sehr eingeschränkt bejaht. So hat das Bundesgericht im Steuerrecht einen eigenen Wohnsitzbegriff, welcher von der zivilrechtlichen Ausgestaltung abweicht, ge-