1993 / 17 - 114

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ANAG materiell von Bedeutung sind (also insb. menschenrechtswidrige Behandlung, private Verfolgung, Bürgerkriegsgefahr). Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der heutige Absatz 2 von Artikel 16 AsylG in der bundesrätlichen Vorlage zum AVB (BBl 1990 II 573 ff.) noch als Absatz 2 von Artikel 13 (Definition des Begriffes "Asylgesuch") vorgesehen war in folgendem Wortlaut:

"Kommt der Ausländer aus einem Staat, in dem nach den Feststellungen des Bundesrates Menschenrechtsverletzungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geahndet werden, liegt kein Asylgesuch vor."

Die Botschaft führte zu dieser Bestimmung folgendes aus (BBl 1990 II 625 f.): "Dadurch soll dem Bundesrat die Möglichkeit gegeben werden, für bestimmte Herkunftsländer von Asylbewerbern festzustellen, dass dort sowohl eine Verfolgung nach Artikel 3 des Gesetzes als auch eine unmenschliche Behandlung im Sinne von Artikel 3 EMRK ausgeschlossen werden und demnach objektiv gesehen kein Asylgesuch vorliegen kann, weil der betreffende Staat Menschenrechtsverletzungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen ahndet." Daraus ergibt sich, dass in beiden Absätzen des ursprünglichen Artikel 13 AVB in der negativen Umschreibung der gleiche - weite - Verfolgungsbegriff angesprochen war: Nach Absatz 1 liegt kein Asylgesuch vor, weil der Gesuchsteller keine Verfolgung - im weiten Sinne - geltend macht, mit der Folge, dass auf das Gesuch nicht eingetreten wird; nach Absatz 2 entsteht die gleiche Folge, wenn das Vorhandensein einer Verfolgung - im gleichen weiten Sinne - nach der objektiven, vom Bundesrat festgestellten Situation im betreffenden Land ausgeschlossen werden kann. Im Verlauf der parlamentarischen Beratung wurde Absatz 2 von Artikel 13 aus gesetzessystematischen Gründen in Artikel 16 umplaziert, wobei indessen keinerlei Aenderung bezüglich des weiten Verfolgungsbegriffs bezweckt wurde. Die einzige materielle Aenderung erfuhr die Bestimmung beim Transfer in Artikel 16 insofern, als nunmehr die bundesrätliche Bestimmung eines Landes als "sicher" zu einer im Einzelfall widerlegbaren Vermutung gemacht wurde. Bundesrat Koller hat denn auch nach der Umformulierung und Neuplazierung der Bestimmung in der Beratung im Nationalrat am 5. Juni 1990 inhaltlich auf die alte Version Bezug genommen, indem er von Ländern sprach, wo nach Beurteilung des Bundesrates "Menschenrechte nicht verletzt werden bzw. deren Verletzungen in rechtsstaatlichen Verfahren geahndet werden", wobei er sich "auf eine sorgfältige Beurteilung der Menschenrechtslage in einem solchen Staat" stütze. Der Begriff "Menschenrechtslage" kommt in der parlamentarischen Debatte zur "safe country"- Regel auch in verschiedenen anderen Voten vor.