1993 / 9 - 59

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werden muss, dass solche private Uebergriffe staatlicherseits faktisch geduldet werden, ohne dass ein wirksamer Schutz gewährt würde (vgl. W. Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, Basel und Frankfurt am Main, 1990, S. 62f.; A. Achermann/Ch. Hausammann, Handbuch des Asylrechts, 2. Auflage, Bern und Stuttgart, 1991, S. 84f.). Es erscheint in diesem Zusammenhang auch nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerinnen nach den Vorfällen, als von Soldaten auf sie geschossen wurde, bei den Behörden keine Anzeige erstattet haben.

Um eine begründete Furcht vor künftigen Verfolgungsmassnahmen als asylrelevant im Sinne von Artikel 3 AsylG zu bejahen, muss glaubhaft gemacht werden, dass begründeter Anlass zur Annahme besteht, die Verfolgung werde sich mit erheblicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft verwirklichen. Eine bloss entfernte Möglichkeit zukünftiger Verfolgung genügt nicht; es müssen konkrete Indizien und tatsächliche Anhaltspunkte dargelegt werden, die die Furcht vor einer real drohenden Verfolgung nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. Kälin, a.a.O., S. 143ff.; Achermann/Hausammann, a.a.O., S. 107ff.).

Diesen Anforderungen wird die Asylbegründung der Beschwerdeführerinnen - die im übrigen in widerspruchsfreier, glaubhafter Weise dargelegt worden ist und mit den dargestellten Lageanalysen zur Situation der syrisch-orthodoxen Minderheit in der Türkei übereinstimmt - gerecht. Nach den bereits erlebten Belästigungen durch muslimische Jugendliche, dem Vorfall vom April 1991, als ein Soldat offenbar grundlos auf die beiden Beschwerdeführerinnen schoss, sowie dem Ereignis vom Dezember 1991, als ein betrunkener Soldat die ältere der beiden Beschwerdeführerinnen sexuell belästigte und später wiederum auf sie schoss, mussten die Beschwerdeführerinnen mit grosser Wahrscheinlichkeit aufgrund ihrer christlichen Religionszugehörigkeit weitere Nachstellungen befürchten, vor denen auch ihre Eltern - die noch in I. lebenden Brüder sind erst vier- und achtjährig - sie nicht hätten beschützen können.

Angesichts der obigen Ausführungen insbesondere zur Gefährdungslage, die für christliche Mädchen und junge Frauen im Südosten der Türkei besteht, erscheint die Angst der achtzehn- und vierzehnjährigen Beschwerdeführerinnen vor einer Vergewaltigung oder einer Entführung, Zwangsheirat und Zwangsislamisierung begründet. Dies würde einen intensiven Eingriff in die physische und psychische Integrität und religiöse Selbstbestimmung der Beschwerdeführerinnen darstellen, der als ernsthafter Nachteil im Sinne von Artikel 3 AsylG anzuerkennen ist. Es ist daher zu bejahen, dass die Beschwer-