1993 / 9 - 58

previous next

Wenn auch von einer eigentlichen unmittelbaren staatlichen Verfolgung der syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei nicht gesprochen werden kann, ist diese Minderheit doch verschiedenen staatlichen Diskriminierungen ausgesetzt. Die syrisch-orthodoxen Christen werden vom türkischen Staat als religiöse Körperschaft nicht anerkannt; ihr Status entspricht lediglich dem der Duldung. Sie fallen nicht unter die Minderheitenschutz-Bestimmungen des Lausanner Vertrages vom 24. Juli 1923; damit ist es ihnen verunmöglicht, eigene Schulen oder soziale und kulturelle Einrichtungen zu unterhalten; sie besitzen keine rechtlichen Möglichkeiten, Kirchen zu bauen oder zu renovieren; in diesem Zusammenhang wird von einer eigentlichen staatlichen Zerfalls- und Konfiszierungspolitik gesprochen; ebenso besteht keine Möglichkeit, Geistliche auszubilden (Yonan, a.a.O., S. 6, 7, 11, 36, 41; Weber u.a., a.a.O., S. 4). Die Haltung des türkischen Staates ist von einer Assimilationspolitik geprägt (NZZ vom 24.04.1991), wodurch einer christlichen Identität die Grundlage entzogen wird; bis im Juli 1990 war der islamische Religionsunterricht Pflichtfach an den Schulen; die aramäische Sprache ist verboten; Stellen im öffentlichen Dienst oder militärische Führungspositionen sind Christen nicht zugänglich; auch im Militärdienst werden sie aus religiösen Gründen diskriminiert (Yonan, a.a.O., S. 15, 18, 22ff., 39ff.; Marx, a.a.O., Nr. 72/22, S. 1400 und 72/35, S. 1404; Weber u.a., a.a.O., S. 6).

Insbesondere muss jedoch davon ausgegangen werden, dass der türkische Staat der religiösen Verfolgung der christlichen Minderheit durch Private nicht entgegenwirkt und den Christen gegen kriminelle Uebergriffe keinen Schutz gewährt; an Christen begangene Straftaten werden durch Polizei und Gerichte völlig unzureichend geahndet; im Gegenteil kann sich der Geschädigte, der Anzeige erheben will, dem Risiko weiterer Gefahren ausgesetzt sehen (Yonan, a.a.O., S. 20; Marx, a.a.O., Nr. 72/6, S. 1394 und 72/16, S. 1397 f.). Die Beschwerdeführerinnen gaben diesbezüglich zu Protokoll, im Dezember 1991 sei in ihrer Gemeinde ein Christ, der Vater einer Schulfreundin, umgebracht worden; die Staatsanwaltschaft habe trotz Anzeige keine Ermittlungen eingeleitet.

c) - Die Beschwerdeführerinnen machen zur Begründung ihrer Asylgesuche geltend, sie hätten die Türkei aus Angst vor Vergewaltigung, Entführung und Zwangsheirat oder gar Tötung verlassen.

Die befürchteten, von privater Seite ausgehenden Nachstellungen müssen mittelbar dem türkischen Saat zugerechnet werden, da davon ausgegangen