1993 / 9 - 57

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(W. Weber/M. Günter/T. Reuter, Zur Lage der Christen in der Türkei, Bericht einer ökumenischen Besuchsreise vom 31.08. - 11.09.89 unter Leitung von Dr. Otmar Oehring, Missio, Aachen).

b) - Die im Südosten der Türkei lebende Gemeinde der syrisch-orthodoxen Christen sieht sich einem massiven Druck der kurdischen Bevölkerungsmehrheit und gewalttätigen Uebergriffen durch islamische Fundamentalisten gegenüber (Yonan, a.a.O. S. 3; NZZ vom 24.04.1991; Marx, a.a.O., Nr. 72/6, S. 1394); verschiedentlich werden Zwischenfälle bekannt, in denen Christen zu Schaden kommen oder gar getötet werden; wegen der stetig abnehmenden Zahl der Christen wird der Druck zunehmend grösser. Auch die Beschwerdeführerinnen weisen auf verschiedene Ereignisse hin, wo Christen unter gewaltsamen Umständen gestorben sind.

Die deutsche Gerichtspraxis anerkennt, syrisch-orthodoxe Christen im Südosten der Türkei seien einer vom Staat geduldeten Gruppenverfolgung ausgesetzt (Marx, a.a.O., Nr. 72/88 und 89, S. 1418 f.). Durch einen unumkehrbaren Flucht- und Abwanderungsprozess hat sich die Zahl der syrisch-orthodoxen Gemeinde im Südosten der Türkei - die in den 70er-Jahren noch auf 50'000 bis 60'000 Mitglieder geschätzt wurde (Yonan, a.a.O., S. 8) - dramatisch verkleinert; neue Schätzungen gehen davon aus, dass noch 5'000 bis 6'000 Personen im Jahre 1988 (Yonan, a.a.O., S. 8), beziehungsweise noch 4'000 Personen im Jahre 1989 (Weber u.a., a.a.O., S. 2, 13) oder noch 4'000 bis 5'000 Personen im Jahre 1991 (NZZ vom 24.04.1991) die christliche Restgemeinde bilden. Die sozialen Verhältnisse sind in Auflösung begriffen; praktisch keine Familie ist mehr intakt (Yonan, a.a.O., 8f., 13; Weber u.a., a.a.O., S. 14, 16). Im Heimatort der Beschwerdeführerinnen, einem Dorf von ungefähr dreitausend Einwohnern, leben ihren Angaben gemäss noch fünf oder sechs christliche Familien; alle anderen seien ausgewandert; auch der Geistliche, der früher in I. gelebt habe, sei geflohen.

Christlichen Mädchen und jungen Frauen droht insbesondere mit grosser Wahrscheinlichkeit die Gefahr, entführt zu werden und nach einer Zwangsheirat mit einem muslimischen Mann zum Uebertritt zum Islam gezwungen zu werden. (Marx, a.a.O., Nr. 72/6, S. 1394, 72/19, S. 1398 f. und 72/80, S. 1416 f.; Zusammenstellung deutscher Gerichtsurteile ZDWF 1988). C.B. gab in der kantonalen Befragung zu Protokoll, eine Freundin sei ins Ausland geflohen, nachdem man sie zu entführen versucht habe.