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Urteil der ARK vom 15. November 2005 i.S. I.E., Mazedonien, und V.B., Ukraine

Art. 44, 52 und 67 VwVG: Behandlung eines unsubstanziierten Wiedererwägungsgesuchs (Präzisierung von EMARK 2003 Nr. 7); Art. 60 VwVG, Art. 156 Abs. 6 OG: mutwillige Prozessführung.

1. Auf unsubstanziierte Wiedererwägungsgesuche hat das BFM nicht einzutreten (vgl. EMARK 2003 Nr. 7); nimmt das BFM in solchen Fällen das unsubstanziierte Wiedererwägungsgesuch nicht an die Hand, ohne eine formelle Verfügung zu treffen, stellt dies kein Anfechtungsobjekt dar, die ARK tritt folglich auf eine entsprechende Beschwerde nicht ein (Präzisierung der Praxis; Erw. 4.).

2. Bei mutwilliger Prozessführung können dem Rechtsvertreter persönlich die Verfahrenskosten auferlegt werden (Erw. 6.).

Art. 44, 52 et 67 PA : traitement d’une demande de réexamen insuffisamment motivée (précision de la JICRA 2003 n° 7); art. 60 PA, art. 156 al. 6 OJ : procédure téméraire.

1. L’ODM n'a pas à entrer en matière sur une demande de réexamen insuffisamment motivée (JICRA 2003 n° 7) ; le fait pour l’ODM de ne pas se saisir d’une telle demande et de renoncer à rendre une décision formelle, ne donne pas matière à recours devant la Commission (précision de jurisprudence ; consid. 4.).

2. Le mandataire peut être personnellement astreint à supporter les frais d’une procédure téméraire (consid. 6.).

Art. 44, 52 e 67 PA: trattazione di una domanda di riesame insufficientemente motivata (precisazione di GICRA 2003 n. 7) ; art. 60 PA, art. 156 cpv. 6 OG: procedura temeraria.

1. L’UFM non deve entrare nel merito di una domanda di riesame insufficientemente motivata (GICRA 2003 n. 7). La CRA dichiara pertanto irricevibili i ricorsi contro il rifiuto dell’UFM d’esaminare una siffatta


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domanda e d’emettere una decisione formale (precisazione della giurisprudenza; consid. 4.).

2. Il rappresentante può essere obbligato a sopportare personalmente le spese processuali di una procedura temeraria dinanzi alla CRA (consid. 6.).

Aus den Erwägungen :

1.
1.1. Die Gesuchsteller reichten am 9. Dezember 2002 Asylgesuche in der Schweiz ein, welche vom Bundesamt für Flüchtlinge (BFF, neu: Bundesamt für Migration, BFM) mit Verfügungen vom 24. April 2003 bzw. vom 28. April 2003 abgelehnt wurden.

1.2. Auf die von den Gesuchstellern gegen diese Verfügungen erhobenen Beschwerden trat die ARK mit Urteilen vom 27. Juni 2003 bzw. vom 15. Juli 2003 wegen Nichtleisten des Kostenvorschusses nicht ein.

1.3. Auf ein von der Gesuchstellerin am 9. Juli 2003 erhobenes Revisionsgesuch trat die ARK mit Urteil vom 7. August 2003 wegen ungenügender Begründung (fehlende Angabe des Revisionsgrundes) nicht ein.

1.4. Mit Eingabe ihres Rechtsvertreters an das BFF (datiert vom 24. Juli 2003, beim Bundesamt eingelangt am 15. September 2003) ersuchten die Gesuchsteller um Wiedererwägung der Asylentscheide vom 24. bzw. 28. April 2003, im Wesentlichen (nebst der Schwangerschaft der Gesuchstellerin) mit der Begründung, "die Probleme in der Heimat seien erneut aufgeflammt".

1.5. Mit separaten Verfügungen vom 19. September bzw. vom 23. September 2003 wies das Bundesamt die Wiedererwägungsgesuche ab. Diese Verfügungen liessen die Gesuchsteller durch ihren Rechtsvertreter mit Beschwerden vom 21. bzw. 22. Oktober 2003 bei der ARK anfechten. Der zuständige Instruktionsrichter setzte am 29. Dezember 2003 den Vollzug einstweilen aus. Mit zwei separaten Urteilen vom 19. Juli 2005 wies die ARK die Beschwerden ab.

2.
2.1. Mit Eingabe ihres Rechtsvertreters vom 7. Oktober 2005 an das BFM reichten die Gesuchsteller erneut ein Wiedererwägungsgesuch ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, "die Probleme in der Heimat seien erneut aufgeflammt"; der Gesuchsteller sei wegen seiner UÇK-Aktivitäten


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bedroht, er werde erneut polizeilich gesucht; im Weiteren wurde geltend gemacht, es seien "psychische Probleme aufgetaucht"; der Gesuchsteller stehe in Behandlung bei einem Arzt, der "die Überweisung an einen Spezialisten erwäge"; der Gesuchsteller halte sich nunmehr angeblich in der Klinik Königsfelden auf.

2.2. Das BFM leitete diese Eingabe am 12. Oktober 2005 an die ARK weiter, da das Gesuch nach seiner Ansicht vorab Revisionsgründe enthalte.

2.3. Mit Zwischenverfügung des zuständigen Instruktionsrichters der ARK vom 17. Oktober 2005 wurde dem Rechtsvertreter der Gesuchsteller mitgeteilt, entgegen der Auffassung des BFM liege kein Revisionsgesuch vor. Es werde zwar in der Eingabe behauptet, im vorangehenden Verfahren hätten "gewisse rechtserhebliche Tatsachen nicht rechtzeitig beigebracht werden" können; indessen werde an keiner Stelle des "Wiedererwägungsgesuchs" in irgendeiner Weise ein derartiger Revisionsgrund dargelegt. Vielmehr würden in pauschaler Weise ausschliesslich angeblich neu eingetretene Veränderungen des Sachverhalts behauptet, ohne diese indessen auch nur ansatzweise zu substanziieren. Dies gelte auch für die behaupteten gesundheitlichen Probleme, welche in keiner Weise näher spezifiziert würden. Weder für die angeblichen psychischen Probleme, weswegen der Gesuchsteller in Behandlung bei Dr. Z. stehe, noch für den angeblichen Aufenthalt in der Klinik Königsfelden werde ein Beleg geliefert. Auf das Gesuch - falls die Gesuchsteller auf dessen Behandlung als Revisionsgesuch beharrten - sei daher mangels hinreichender Begründung nicht einzutreten. Den Gesuchstellern wurde innert der siebentägigen Verbesserungsfrist Gelegenheit geboten, ihr Gesuch ohne Kostenfolge zurückzuziehen oder dieses allenfalls im Sinne der strengen formellen Anforderungen von Art. 67 i.V.m. Art. 52 Abs. 1 und 2 VwVG zu verbessern. Bei unbenützter Frist werde auf das Gesuch kostenfällig nicht eingetreten. Überdies wurde dem Rechtsvertreter unter Hinweis auf EMARK 2003 Nr. 7 mitgeteilt, bei unveränderter Sachlage würde davon abgesehen, das Gesuch dem BFM zur Prüfung als Wiedererwägungsgesuch zurückzusenden, da keine Wiedererwägungsgründe substanziiert würden und daher das BFM nicht gehalten wäre, auf die Eingabe überhaupt einzutreten.

Im Weiteren verfügte der Instruktionsrichter, dass der Vollzug nicht ausgesetzt werde und forderte die Gesuchsteller - unter Vorbehalt fristgerechter Revisionsverbesserung - zur Leistung eines Kostenvorschusses von Fr. 1'400.-- bis zum 1. November 2005 auf. Ein allfälliges Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege würde bei unveränderter Sachlage ohne Ansetzung einer Nachfrist abgewiesen.

Schliesslich wurde der Rechtsvertreter darauf hingewiesen, dass sein Gesuch nach derzeitiger Aktenlage den Anschein einer trölerischen Eingabe erwecke


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und sich die ARK daher allfällige prozessuale Massnahmen oder Kostenfolgen wegen mutwilliger Prozessführung vorbehalte.

2.4. Mit Eingabe vom 24. Oktober 2005 teilte der Rechtsvertreter der Gesuchsteller mit, er bestehe darauf, dass das als Wiedererwägungsgesuch bezeichnete Gesuch als solches durch das BFM behandelt werde. Die Überweisung an die ARK sei in keiner Weise gerechtfertigt gewesen. Soweit in der Zwischenverfügung des Instruktionsrichters das Fehlen von Belegen für die Wiedererwägungsgründe bemängelt werde, werde "geflissentlich" darauf hingewiesen, dass die Behandlung bei Dr. Z. ausgewiesen sei; im Übrigen müsse nach herrschender Lehre und Praxis auf ein Wiedererwägungsgesuch auch dann eingetreten werden, wenn das Vorliegen eines qualifizierten Wiedererwägungsgrundes lediglich behauptet werde.

3. Das Gesuch vom 7. Oktober 2005 wurde innert der siebentägigen Frist weder zurückgezogen noch als Revision verbessert. Wie in der Zwischenverfügung vom 17. Oktober 2005 angedroht, ist somit auf das Revisionsgesuch mangels Begründung nicht einzutreten.

4. Der Rechtsvertreter ist der Auffassung, das Gesuch sei vom BFM als Wiedererwägungsgesuch zu behandeln. Dem ist jedoch nicht so. Wie in der Zwischenverfügung vom 17. Oktober 2005 ausgeführt, besteht kein Anlass, das Gesuch der Vorinstanz zur Prüfung als Wiedererwägungsgesuch zurückzusenden, da keine solchen Gründe - im Sinne nachträglicher Veränderungen des Sachverhalts - substanziiert wurden.

4.1. Der Rechtsvertreter geht in seiner Eingabe vom 24. Oktober 2005 nicht weiter auf den Vorhalt der mangelnden Substanziierung ein, weist jedoch, soweit das Fehlen von Belegen bemängelt wurde, "geflissentlich" darauf hin, die Behandlung bei Dr. med. Z. sei "ausgewiesen". Auch dies trifft nicht zu. Als "Beweisstück" war dem Wiedererwägungsgesuch lediglich die Fotokopie einer Karte (vermutlich der Krankenkasse) beigelegt, welche die Angaben zur medizinischen Versorgung des Gesuchstellers enthält (Personalien, zuständige Krankenkasse und Versicherungsnummer sowie die Adresse des zuständigen Arztes Dr. Z.). Eine konkrete Behandlung wird damit nicht belegt.

4.2. Entgegen der Auffassung des Rechtsvertreters genügt es nicht, das Vorliegen eines Wiedererwägungsgrundes bloss zu behaupten, damit bereits darauf einzutreten ist. Eine solche Aussage lässt sich dem in der Eingabe vom 24. Oktober zitierten BGE 113 Ia 152 keineswegs entnehmen. Im Urteil vom 20. Februar 2003 - publiziert als EMARK 2003 Nr. 7 - wurde klar festgehalten, dass auf ein Wiedererwägungsgesuch nur dann einzutreten ist, wenn aus der Rechts-


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schrift die tatsächlichen Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen eines Wiedererwägungsgrundes hindeuten sollen, ersichtlich sind. Dieses Urteil sollte dem Rechtsvertreter insbesondere auch deshalb geläufig sein, weil er auch in jenem Verfahren Rechtsvertreter war und überdies seine dortige Vorgehensweise derjenigen im vorliegenden Verfahren sehr ähnlich war. Es ist denn auch bezeichnend, dass der Rechtsvertreter nicht etwa die vorgehaltene mangelnde Substanziierung durch Ergänzungen oder Beweismittel zu verbessern versucht, sondern sich damit begnügt, den (unzutreffenden) Standpunkt zu vertreten, es genüge die blosse Behauptung, um einen Anspruch auf materielle Prüfung auszulösen. Damit räumt er implizit ein, dass das Gesuch tatsächlich nur reine Behauptungen enthält.

4.3. Das Gesuch ist deshalb nicht dem BFM zu überweisen, da dieses auf die Eingabe gar nicht einzutreten hätte - ja nicht einmal gehalten wäre, darüber in Form einer anfechtbaren Verfügung zu entscheiden (EMARK 2003 Nr. 7, S. 45). Die Gesuchsteller können auch nicht etwa unter Berufung auf Art. 9 Abs. 2 VwVG den Erlass einer Verfügung durch das BFM verlangen, da es hier nicht um die Frage der Zuständigkeit bzw. deren Abgrenzung zwischen verschiedenen Behörden geht, sondern um die Frage, ob überhaupt ein genügend substanziiertes Gesuch vorliegt, auf das einzutreten ist.

Sollten sich die Gesuchsteller erneut mit einem entsprechenden Wiedererwägungsbegehren an das BFM wenden, wäre ihnen dies unbenommen, doch müssten sie gewärtigen, dass auch darauf nicht eingetreten bzw. es nicht an die Hand genommen würde, wenn es den gleichen Substanziierungsgrad wie das vorliegende aufwiese. Auf eine allfällige Beschwerde, welche sich gegen die formlose Nichtanhandnahme eines solchen unsubstanziierten Wiedererwägungsgesuches richten würde, wäre dementsprechend - dies in Präzisierung des erwähnten Urteils vom 20. Februar 2003 (EMARK 2003 Nr. 7) - gar nicht mehr einzutreten.

5. Die vorliegende Eingabe hat offensichtlich trölerischen Charakter. Wie oben dargelegt, stellt die Vorgehensweise des Rechtsvertreters - gerade auch in Anbetracht dessen Stellungnahme zur Zwischenverfügung vom 17. Oktober 2005 -eine mutwillige Prozessführung dar und ist deshalb, wie in dieser Zwischenverfügung angedroht, in Anwendung von Art. 60 VwVG mit einer verfahrensdisziplinarischen Massnahme zu ahnden. Da der Rechtsvertreter von der ARK schon wiederholt wegen mutwilliger Prozessführung ermahnt wurde, kann es diesmal nicht bei einem Verweis bleiben. Sein Vorgehen hat systematischen Charakter und ist notorisch (vgl. dazu das erwähnte Urteil vom 20. Februar 2003). Zudem ist bezeichnend, dass der Rechtsvertreter in seiner Eingabe vom 24. Oktober 2005 auf Ziff. 6 der Zwischenverfügung vom 17. Oktober 2005,


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welche auf den trölerischen Charakter der Eingabe hinwies, mit keinem Wort einging, somit nicht einmal den Versuch unternahm, den Vorhalt der Mutwilligkeit zu entkräften. Eine Ordnungsbusse von Fr. 200.-- erscheint unter diesen Umständen angemessen.

6. Die Kosten des Verfahrens sind aus den angeführten Gründen wegen Mutwilligkeit zu verdoppeln (vgl. Art. 2 Abs. 3 KostenV) und werden auf Fr. 400.-- festgelegt. Sie wären grundsätzlich den Gesuchstellern aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). In Anwendung von Art. 156 Abs. 6 OG (i.V.m. Art. 6 AsylG) sind sie jedoch in Anbetracht des missbräuchlichen Vorgehens des Rechtsvertreters diesem selbst aufzuerlegen (vgl. dazu BGE 129 IV 206).

 

 

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