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Auszug aus dem Urteil der ARK vom 28. Juli 2003 i.S. B.T.H.V. und Familie, Vietnam

Art. 64 Abs. 1 Bst. a und Abs. 2 AsylG: Erlöschen des Asyls wegen Auslandaufenthalt von mehr als drei Jahren; Reiseausweis; Treu und Glauben.

Auch nach einem Auslandaufenthalt von mehr als drei Jahren  ist das Asyl nicht erloschen (Art. 64 Abs. 1 Bst. a AsylG), wenn die Flüchtlinge nach Treu und Glauben darauf vertrauen durften, das BFF habe ihnen durch vorbehaltlose Erneuerung ihrer Reiseausweise stillschweigend diese dreijährige Frist verlängert (vgl. 64 Abs. 2 AsylG).

Art. 64 al. 1 let. a et al. 2 LAsi : extinction de l'asile par suite d'un séjour de plus de trois ans à l'étranger ; titre de voyage; bonne foi.

Même après un séjour à l'étranger de plus de trois ans, l’asile ne prend pas fin (art. 64 al. 1 let. a LAsi) si les réfugiés pouvaient croire en toute bonne foi qu'en leur renouvelant, sans réserve, leurs titres de voyage, l'ODR avait prolongé tacitement ce délai (cf. art. 64 al. 2 LAsi).

Art. 64 cpv. 1 lett. a e cpv. 2 LAsi: fine dell'asilo a seguito di un soggiorno all'estero di più di tre anni; titolo di viaggio; buona fede.

Anche dopo un soggiorno di più di tre anni all'estero l’asilo non termina (v. art. 64 cpv. 1 lett. a LAsi), se il rifugiato poteva, in buona fede, credere che l'UFR, con il rinnovo del titolo di viaggio, aveva tacitamente prolungato il termine triennale di cui all’art. 64 cpv. 2 LAsi.

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die Beschwerdeführer wurden im Jahre 1993 vom BFF als Flüchtlinge anerkannt und erhielten Asyl.

Die Beschwerdeführer begaben sich am 3. Juli 1997 als Touristen nach Australien und stellten dort am 8. August 1997 ein Gesuch um dauernden Aufenthalt ("permanent residence"). In der Folge wurden ihnen von den australischen Be­


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hörden für die Dauer des Verfahrens Überbrückungsvisa ("bridging visa") ausgestellt. Anschliessend kehrten die Beschwerdeführer für kurze Zeit in die Schweiz zurück und meldeten der zuständigen kantonalen Stelle am 8. September 1997 ihren Wegzug nach Australien per 30. September 1997.

Mit BFF-Verfügung vom 6. September 1999 wurde der am 15. Juni 1998 in Australien geborene Sohn M.V. auf Gesuch der Beschwerdeführer vom 26. August 1999 in deren Flüchtlingseigenschaft einbezogen. Gleichzeitig verlängerte die Vorinstanz die Reiseausweise der Beschwerdeführer bis zum 17. September 2002 und trug M.V. in den Reiseausweis der Mutter ein (vgl. Art 2 der Verordnung über die Abgabe von Reisepapieren an ausländische Personen, SR 143.5).

Nachdem den Beschwerdeführern in Australien der dauernde Aufenthalt mit Entscheid vom 24. Juli 2000 verweigert worden war, erhoben sie gegen diese Verfügung am 14. August 2000 eine Beschwerde beim australischen Migration Review Tribunal.

Mit Telefax vom 13. März 2001 ersuchte eine Vertreterin des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) im Namen der Beschwerdeführer das BFF um Informationen betreffend deren Möglichkeit, in die Schweiz zurückzukehren. Am folgenden Tag teilte ihr die Vorinstanz gemäss interner Aktennotiz telefonisch mit, dass das Asyl der Beschwerdeführer in der Schweiz aufgrund ihrer mehr als dreijährigen Landesabwesenheit erloschen sei und diese daher nicht mehr dem Asyl-, sondern dem Ausländerrecht unterstehen würden.

Mit Telefax vom 30. März 2001 wandte sich die Vertreterin des SRK an das Schweizerische Generalkonsulat in Sydney mit der Bitte, den Beschwerdeführern behilflich zu sein. In der Folge nahm dieses telefonisch Kontakt auf mit den Beschwerdeführern und teilte ihnen mit, sie müssten in der Schweiz ein Gesuch um Aufenthaltsbewilligung stellen, da das Asyl erloschen sei, nachdem der Wegzug aus der Schweiz schon über drei Jahre zurückliege.

Mit Urteil vom 25. Februar 2002 wurde der Rekurs der Beschwerdeführer betreffend das Gesuch um dauernden Aufenthalt in Australien durch das Migration Review Tribunal abgewiesen.

Die Beschwerdeführer reichten am 25. April 2002 beim Schweizerischen Generalkonsulat in Melbourne einen Visumsantrag um Wiedererteilung einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz ein. Dieses Gesuch wurde an die zuständige kantonale Fremdenpolizeibehörde weiter geleitet und von dieser mit Verfügung vom 13. Juni 2002 abgelehnt.


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Mit Verfügung vom 30. August 2002 teilte das BFF den Beschwerdeführern mit, dass das Asyl in der Schweiz infolge des mehr als dreijährigen Aufenthalts in Australien erloschen sei.

Mit Eingabe vom 9. Oktober 2002 reichten die Beschwerdeführer durch ihren Rechtsvertreter gegen diese Verfügung Beschwerde ein und beantragten deren Aufhebung, die Feststellung, dass das den Beschwerdeführern gewährte Asyl in der Schweiz nicht erloschen sei, und die Ausstellung einer Einreisebewilligung.

In ihrer Vernehmlassung vom 22. November 2002 hielt die Vorinstanz an der angefochtenen Verfügung fest und beantragte, unter Berufung auf eine Mitteilung der australischen Botschaft in der Schweiz vom 20. August 2002, wonach das Einwanderungsverfahren in Australien noch hängig sei, die Abweisung der Beschwerde.

Mit Eingabe ihres Rechtsvertreters vom 9. Januar 2003 nahmen die Beschwerdeführer Stellung zur Vernehmlassung der Vorinstanz. In diesem Zusammenhang reichten sie ein Schreiben des australischen Department of Immigration and Multicultural and Indigenous Affairs vom 20. September 2002 in Kopie ein, wonach sie das Land bis zum 2. Oktober 2002 zu verlassen hätten.

Die ARK heisst die Beschwerde gut, hebt die angefochtene Verfügung auf und weist das BFF an, den Beschwerdeführern die Einreise in die Schweiz innert einer angemessenen Frist - welche gleichzeitig als Frist gemäss Art. 64 Abs. 2 AsylG gilt - zu bewilligen.

Aus den Erwägungen:

2. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob das den Beschwerdeführern gewährte Asyl in der Schweiz infolge ihres mehrjährigen Aufenthalts in Australien erloschen ist (vgl. Art. 64 AsylG). Die übrigen Tatbestände von Art. 64 Abs. 1 Bst. b - d AsylG fallen vorliegend ausser Betracht.

a) Gemäss Art. 64 Abs. 1 Bst. a AsylG erlischt das Asyl in der Schweiz, wenn sich Flüchtlinge während mehr als drei Jahren im Ausland aufgehalten haben. Das Bundesamt kann diese Frist von drei Jahren verlängern, wenn besondere Umstände vorliegen (Art. 64 Abs. 2 AsylG). Das Asyl erlischt daher - unter dem Vorbehalt besonderer Umstände, die eine Verlängerung der Frist implizieren - mit Ablauf von drei Jahren Auslandaufenthalt automatisch, mithin ohne weiteren Verwaltungsakt (vgl. EMARK 2000 Nr. 25, Erw. 2c, S. 223). Die Regelung des Erlöschens des Asyls infolge Wohnsitzverlegung ins Ausland blieb mit In­ 


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krafttreten des neuen Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 per 1. Oktober 1999 inhaltlich unverändert (vgl. Art. 42 Abs. 1 und 2 aAsylG).

b) Aus den Akten geht hervor, dass die Beschwerdeführer am 8. August 1997 in Australien eine dauernde Aufenthaltsbewilligung beantragt und sich per 30. September 1997 bei den schweizerischen Behörden abgemeldet haben, worauf sie nach Australien ausgereist sind, um sich dort niederzulassen. Sie haben sich in der Folge bis zum Ablauf der dreijährigen Frist von Art. 64 Abs. 1 Bst. a AsylG - 7. August oder eventuell 29. September 2000 - in Australien aufgehalten, was grundsätzlich das Erlöschen des Asyls zur Folge hätte. [...]

c) Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Organen nach Treu und Glauben behandelt zu werden. Gestützt auf dieses Grundrecht ist eine Behörde gegenüber den Bürgern unter gewissen Bedingungen an eine Zusicherung oder an ein sonstiges, bestimmte Erwartungen weckendes Verhalten gebunden (vgl. BGE 126 II 377 ff., Erw. 3, mit weiteren Hinweisen; J.P. Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 488 ff.; Ch. Rohner, St. Galler Kommentar zu Art. 9 BV, Zürich / Basel / Genf / Lachen 2002, Rz. 41 ff.; C. Rouiller, Protection contre l'arbitraire et protection de la bonne foi, in: D. Thürer / J.-F. Aubert / J.P. Müller (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, § 42 Rz. 18 ff.; A. Auer / G. Malinverni / M. Hottelier, Droit constitutionnel suisse, Vol. II, Les droits fondamentaux, Bern 2000, Rz. 1115 ff.). Verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz setzt einerseits eine Vertrauensgrundlage voraus; d.h. das fragliche Verhalten oder die Äusserung der Behörde müssen hinreichend bestimmt sein, das Vertrauen der Rechtssuchenden zu erwecken. Damit das Vertrauen in eine unrichtige behördliche Auskunft geschützt wird, ist zudem erforderlich, dass diese von der dafür zuständigen Behörde erteilt wurde, der Fehler für die betroffene Person nicht erkennbar war und sich der Sachverhalt oder die Rechtslage in der Zwischenzeit nicht geändert hat. Im Weiteren kann sich auf das individuelle Grundrecht des Vertrauensschutzes nur berufen, wer gestützt auf die behördliche Zusicherung eine für sich nachteilige Disposition getroffen hat. Schliesslich dürfen dem Interesse des Einzelnen, in seinem guten Glauben geschützt zu werden, keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegen stehen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so darf dem Rechtsunterworfenen aus dem widersprüchlichen Verhalten der Behörden kein Nachteil erwachsen (vgl. B. Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, Basel / Frankfurt a. M. 1983, S. 79 ff.; U. Häfelin / G. Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Zürich / Basel / Genf 2002, Rz. 631 ff.).

d) Eine formelle Verfügung des BFF, wonach dieses den Beschwerdeführern die Frist gemäss Art. 64 Abs. 2 AsylG explizit verlängert hätte, liegt nicht vor. Hin­


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gegen hat die Vorinstanz mit Verfügung vom 6. September 1999 - nach rund zwei Jahren Aufenthalt der Beschwerdeführer in Australien - den dort geborenen Sohn M.V. in die Flüchtlingseigenschaft seiner Eltern einbezogen und gleichzeitig die Reiseausweise der Beschwerdeführer um weitere drei Jahre bis zum 17. September 2002 vorbehaltlos verlängert. Bei dieser Sachlage ist zwar - mangels eines von den Beschwerdeführern geltend gemachten besonderen Grundes gemäss Art. 64 Abs. 2 AsylG - nicht von einer (konkludenten) Verlängerung der Frist für das Erlöschen des Asyls auszugehen, jedoch durften die rechtsunkundigen und im damaligen Zeitpunkt nicht rechtlich vertretenen Beschwerdeführer gutgläubig von einer solchen Fristverlängerung durch das BFF ausgehen. Dies umso mehr, als die Möglichkeit der Verlängerung der Frist für das Erlöschen des Asyls gemäss Art. 64 Abs. 2 AsylG gesetzlich vorgesehen ist, das BFF die dafür zuständige Behörde ist und es für die Beschwerdeführer - zumindest im damaligen Zeitpunkt und auch zufolge der ortsbedingten Erschwernis, eine des Schweizer Rechts kundige Person zu kontaktieren - nicht ohne weiteres erkennbar war, dass die Verlängerung der Reiseausweise bis ins Jahr 2002 offenbar auf einem Versehen beruhte.

Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, ob die Beschwerdeführer im Jahre 1999 tatsächlich beabsichtigten, in die Schweiz zurückzukehren. Diese Ankündigung der Beschwerdeführer hat weder die Bewilligung der Verlängerung an sich noch die Dauer der vom BFF verfügten Verlängerung in relevanter Weise beeinflusst. Die Beschwerdeführer hatten im Zeitpunkt ihres Verlängerungsgesuchs einen gesetzlichen Anspruch auf Verlängerung ihrer Reiseausweise bis Ende September 2000. Wenn die Vorinstanz die Reiseausweise über dieses Datum hinaus bis zum 17. September 2002 verlängert hat, so ist dies nicht auf ein allfälliges unlauteres Verhalten der Beschwerdeführer zurückzuführen, welches einer Berufung auf den Gutglaubensschutz entgegen stehen würde, sondern auf eine Nachlässigkeit des BFF.

e) Da der gute Glaube nur solange geschützt wird, als er tatsächlich besteht ("dolus malus superveniens nocet"), ist im Weiteren zu prüfen, ob sich die Beschwerdeführer auch im heutigen Zeitpunkt noch auf den Schutz ihrer ursprünglichen Gutgläubigkeit berufen können.

Es ist aktenkundig und wird von den Beschwerdeführern denn auch nicht bestritten, dass sie im März 2001 mit Hilfe des SRK [...] versucht haben, beim BFF beziehungsweise beim Schweizerischen Generalkonsulat in Sydney Informationen zu erhalten über die Möglichkeit, in die Schweiz zurückzukehren. Gemäss den vorinstanzlichen Akten wurde daraufhin der Vertreterin des SRK [...] und der Schwägerin der Beschwerdeführer von den schweizerischen Behörden im Wesentlichen mündlich mitgeteilt, dass das Asyl in der Schweiz erlo­


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schen sei und die Beschwerdeführer nicht mehr dem Asyl-, sondern dem Ausländerrecht unterstehen würden, weshalb sie ein Gesuch um Aufenthaltsbewilligung stellen müssten. Der genaue Inhalt der bloss mündlich und lediglich an Drittpersonen übermittelten Auskunft kann hingegen nicht eruiert werden. Die Vorinstanz hat es in der Folge als nicht notwendig erachtet, den Beschwerdeführern eine entsprechende Verfügung zukommen zu lassen.

Somit ist zwar davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im März 2001 effektiv erfahren haben, dass ihr Asyl in der Schweiz bereits im August/September 2000 grundsätzlich erloschen war. Indessen ist zugunsten der Beschwerdeführer anzuführen, dass sie zu diesem Zeitpunkt nach wie vor im Besitz von (vermeintlich) bis zum 17. September 2002 gültigen Reiseausweisen gemäss Genfer Flüchtlingskonvention waren und als rechtsunkundige Laien - mangels gegenteiliger Auskunft beziehungsweise schriftlicher Verfügung der Vorinstanz, mit welcher die Ungültigkeit der Reisepapiere festgestellt oder deren Einziehung angeordnet worden wäre - annehmen durften, dass ihnen mit diesen Papieren - zumindest auf Gesuch bei den schweizerischen Ausländerbehörden hin - die Wiedereinreise in die Schweiz bewilligt würde. Bei dieser Sachlage bestand für die Beschwerdeführer kein hinreichender Anlass, bei der Vorinstanz, welche sich selber infolge Erlöschens des Asyls als unzuständig erklärt hatte, ein Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (sog. restitutio in integrum) einzureichen. Die Beschwerdeführer durften daher auch nach der (mangelhaften) Information durch die involvierten schweizerischen Behörden im März 2001 gutgläubig darauf vertrauen, bis zum 17. September 2002 in die Schweiz zurückkehren zu können. Diese Schlussfolgerung rechtfertigt sich umso mehr, als die Beweislast für den nachträglichen Wegfall des guten Glaubens bei der Vorinstanz liegt und nicht bei den Beschwerdeführern, und der genaue Inhalt der gegenüber den Beschwerdeführern abgegebenen Auskünfte - wie bereits erwähnt - nicht mehr eruiert werden kann.

Wie aus den kantonalen Akten hervorgeht, haben die Beschwerdeführer bei ihrer nächsten aktenkundigen Kontaktnahme mit schweizerischen Behörden am 25. April 2002  - mithin vor Ablauf der Gültigkeit ihrer Reiseausweise per 17. September 2002 und kurze Zeit nach der definitiven Ablehnung ihres Antrages auf Aufenthaltsbewilligung in Australien - einen Visumsantrag um Wiedererteilung einer Aufenthaltsbewilligung eingereicht. Damit haben sie genau jenen Rechtsweg eingeschlagen, der ihnen vom BFF gewiesen wurde. Nach Annullierung der Reiseausweise der Beschwerdeführer und während des noch hängigen kantonalen Verfahrens, teilte die Vorinstanz, welche wegen des Visumsantrags erneut auf das Dossier aufmerksam wurde, den Beschwerdeführern mit Verfügung vom 30. August 2002 schliesslich mit, dass ihr Asyl in der Schweiz aufgrund des mehr als dreijährigen Aufenthalts in Australien erloschen sei.


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f) Da aufgrund der Aktenlage sodann davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführer in Australien im heutigen Zeitpunkt über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügen und eine allfällige Rückkehr in ihr Heimatland Vietnam nicht ohne Weiteres als zumutbar erachtet werden kann, überwiegen die privaten Interessen der Beschwerdeführer an der Weitergeltung des Asyls in der Schweiz - auch unter Berücksichtigung der als sehr singulär zu bezeichnenden Fallkonstellation - gegenüber den öffentlichen Interessen der Rechtssicherheit und der korrekten Rechtsanwendung.

g) Nach dem Gesagten sind die materiellen Voraussetzungen des Vertrauensschutzes im vorliegenden Verfahren erfüllt, weshalb sich die Beschwerdeführer nach wie vor auf den Schutz ihres guten Glaubens berufen können.

h) Schliesslich ist der Visumsantrag der Beschwerdeführer vom 25. April 2002 - der nicht zuletzt auf die mangelhafte Rechtsmittelbelehrung vom März 2001 zurückzuführen ist - in verfahrensrechtlicher Hinsicht gleichzeitig als sinngemässes Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand im Asylverfahren und die vorinstanzliche Verfügung des BFF vom 30. August 2002 als Ablehnung dieses Gesuchs zu betrachten. Damit liegt eine anfechtbare Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG vor (vgl. EMARK 2000 Nr. 25, Erw. 2d, S. 223 f.). Anders zu entscheiden hiesse, einen prozessualen Leerlauf zu produzieren. Würde nämlich das Vorliegen eines Gesuchs um restitutio in integrum verneint, so hätte dies zur Folge, dass der Verfügung des BFF vom 30. August 2002 aufgrund der automatischen Verwirkung des Asyls bei Eintritt eines der Erlöschensgründe von Art. 64 AsylG bloss deklaratorischer Charakter zukäme. Aus diesem Grund könnte mangels Anfechtungsobjekt auf die vorliegende Beschwerde nicht eingetreten werden, obwohl das BFF die Anstrengungen der Beschwerdeführer um Bewilligung der Rückkehr in die Schweiz mit der angefochtenen Verfügung bereits negativ beantwortet hat.

i) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer aufgrund der Aktenlage bis zur Einreichung ihres Visumsantrags am 25. April 2002 - welcher gleichzeitig als sinngemässes Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand im Asylverfahren zu betrachten ist - gutgläubig darauf vertrauen durften, ihr Asyl in der Schweiz bestehe bis zum 17. September 2002 fort, beziehungsweise die ihnen aufgrund ihres Flüchtlingsstatus ausgestellten Reisepapiere würden sie zur Rückkehr in die Schweiz bis zum genannten Datum berechtigen.

j) Bei dieser Sachlage hätte das BFF den Beschwerdeführern daher eine angemessene Frist zur Rückkehr in die Schweiz ansetzen müssen, damit diese (wieder) in den Genuss des Asyls hätten gelangen können. Da die Vorinstanz dies unterlassen hat, hat sie Bundesrecht verletzt (vgl. Art. 106 Abs. 1 Bst. a AsylG).


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k) Bei diesem Resultat kann offen bleiben, ob seitens der schweizerischen Asylbehörden aus der - allerdings nur im europäischen Kontext verbindlichen - Bestimmung von Art. 2 Abs. 2 Bst. b der Europäischen Vereinbarung über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge (SR 0.142.305) eine Verpflichtung oder wenigstens Anleitung herauszulesen ist, wie vorzugehen ist, wenn ein im aussereuropäischen Ausland angehobenes Verfahren um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung scheitert. Die genannte Bestimmung hält nämlich fest, dass diesfalls der Zeitraum des Aufenthaltes während des entsprechenden Verfahrens im Hinblick auf den Übergang der Verantwortung auf den neuen Aufenthaltsstaat nicht gerechnet wird.

3. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen und die Verfügung des BFF vom 30. August 2002 aufzuheben. Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen, verbunden mit der Anweisung, den Beschwerdeführern die Einreise in die Schweiz innert einer angemessenen Frist - welche gleichzeitig als Frist im Sinne von Art. 64 Abs. 2 AsylG gilt - zu bewilligen.

 

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