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Auszug aus dem Beschluss der ARK vom 8. August 2000 i.S. D. B.-S., Türkei

[English Summary]

Art. 64 Abs. 1 Bst. c AsylG: Erlöschen des Asyls durch Verzicht des Flüchtlings.

Nach der neuen Regelung von Art. 64 AsylG erlischt das Asyl bei Verzicht unmittelbar durch die Verzichtserklärung des Flüchtlings; einer Widerrufsverfügung bedarf es nicht mehr. Die nachträgliche Feststellung seitens des BFF dient zwar der Rechtssicherheit, hat aber bloss deklaratorischen Charakter. Will der Flüchtling auf seinen Verzicht zurückkommen (zum Beispiel wegen Willensmängeln), muss er beim BFF die Wiedereinsetzung in den früheren Rechtszustand verlangen. Erst die Ablehnung dieses Gesuchs durch das BFF stellt eine bei der ARK anfechtbare Verfügung dar.

Art. 64 al. 1 let. c LAsi : extinction de l'asile par renonciation du réfugié.

Aux termes de la nouvelle teneur de l'art. 64 LAsi, l'asile prend fin lorsque le réfugié déclare expressément y renoncer ; une décision de révocation ne se justifie plus. Le constat fait par l'ODR de cette renonciation sert certes la sécurité du droit, mais n'a qu'une valeur déclarative. Si le réfugié entend revenir sur sa renonciation (pour vice de la volonté, par exemple), il doit demander à l'ODR d'être réintégré dans sa situation juridique antérieure. Seul un refus de sa part sur cette demande constitue une décision susceptible de recours devant la CRA.

Art. 64 cpv. 1 lett. c LAsi: estinzione dell'asilo a seguito di rinuncia.

Conformemente alla nuova disposizione dell'art. 64 cpv. 1 lett. c LAsi, l'asilo prende fine allorquando il rifugiato dichiara espressamente di rinunciarvi; in siffatta evenienza, non si giustifica la pronunzia di una decisione di revoca. Se la constatazione dell'intervenuta rinuncia giova alla certezza del diritto, essa non ha tuttavia che valore dichiarativo. Se il rifugiato, perché viziata, ritratta la dichiarazione di rinuncia, deve dapprima inoltrare all'UFR domanda di reintegra nello statuto giuridico anteriore. Solo il respingimento di siffatta domanda è suscettibile di ricorso dinanzi alla CRA.


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Zusammenfassung des Sachverhalts:

Mit Verfügung vom 24. Februar 1992 gewährte das BFF Frau B.-S. Asyl. Am 6. Dezember 1999 erklärte Frau B.-S. beim BFF den Verzicht auf die Flüchtlingseigenschaft und das Asyl. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1999 bestätigte das BFF Frau B.-S. den Eingang der Verzichtserklärung und teilte ihr mit, dass dadurch das ihr in der Schweiz gewährte Asyl beendet sei.

Mit an das BFF gerichteter Eingabe vom 26. Januar 2000 ersuchte Frau B.-S. um "Wiederherstellung der Flüchtlingseigenschaft". Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass ihre Verzichtserklärung vom 6. Dezember 1999 auf einer Kurzschlusshandlung beruht habe. Sie habe sich nach dem Tod ihrer Mutter im September 1999 in einer schlechten psychischen Verfassung befunden, weil sie ihre in der Türkei wohnhaft gewesene Mutter in der Zeit vor ihrem Ableben nicht habe begleiten können; in dieser Gemütsverfassung habe sie den Entschluss gefasst, wenigstens deren Grab zu besuchen. Nach dem Erhalt des Antwortschreibens des BFF vom 15. Dezember 1999 habe sie jedoch erkannt, dass ihr Entschluss, auf den Flüchtlingsstatus zu verzichten, falsch gewesen sei.

Das BFF leitete die Eingabe im Sinne eines Meinungsaustausches über die Zuständigkeit an die ARK weiter.

Die ARK erklärt sich zur Behandlung der Eingabe unzuständig und überweist die Akten dem BFF zum Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung.

Aus den Erwägungen:

2.a) Es stellt sich im vorliegenden Fall in verfahrensrechtlicher Hinsicht vorab die Frage, ob überhaupt ein taugliches Anfechtungsobjekt für eine Beschwerde an die ARK vorliegt.

b) Im alten Asylgesetz vom 5. Oktober 1979 waren die Folgen einer freiwilligen Asylverzichtserklärung nicht explizit geregelt. Soweit ersichtlich, verfügte das BFF jedoch bei Vorliegen einer Verzichtserklärung in konstanter Praxis jeweils ausdrücklich den Widerruf des Asyls. Dieses Vorgehen stützte sich auf ein Gutachten des Bundesamtes für Justiz (BJ) vom 8. August 1983, gemäss welchem das einmal gewährte Asylrecht aus Gründen der Rechtssicherheit nicht durch einseitige Erklärung des Rechtsträgers beendet werden könne, sondern vielmehr förmlich aufzuheben sei, und zwar nicht durch eine blosse Feststellungs-, son-


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dern durch eine anfechtbare Widerrufsverfügung (vgl. Gutachten BJ, auszugsweise publiziert in VPB 47/1983 Nr. 1, S. 17 ff.). Die ARK trat sodann auf gegen derartige Verfügungen des BFF erhobene Beschwerden grundsätzlich ein und unterzog die Vorbringen einer materiellen Prüfung.

c) Im Rahmen der Asylgesetzesrevision vom 26. Juni 1998 wurde nunmehr die freiwillige Verzichtserklärung explizit als Erlöschensgrund aufgenommen (vgl. Art. 64 Abs. 1 Bst. c AsylG). Zur Begründung wurde in der Botschaft des Bundesrates vom 4. Dezember 1995 ausgeführt, dass die bisher fehlende gesetzliche Grundlage in formeller Hinsicht zu einem unbefriedigenden Ergebnis geführt habe, weil das BFF grundsätzlich eine Asylwiderrufsverfügung habe erlassen müssen (vgl. BBl 1996 II 77). Die Bestimmung trat am 1. Oktober 1999 in Kraft, ohne dass sie im Rahmen der parlamentarischen Beratungen nochmals Gegenstand von Diskussionen geworden war.

Unter dem neuen Asylgesetz erlischt somit das gewährte Asyl mit der Verzichtserklärung des Flüchtlings automatisch, mithin ohne weiteren Verwaltungsakt. Der Gesetzgeber hat mit Art. 64 Abs. 1 Bst. c AsylG der Geltung der Dispositionsmaxime im Bereich der Beendigung des Asyls durch Verzicht Ausdruck verliehen (vgl. zur Geltung der Dispositionsmaxime bei Rückzug eines erstinstanzlich hängigen Asylgesuches beziehungsweise einer Asylbeschwerde EMARK 1993 Nr. 5, Erw. 3, S. 29 und Nr. 33, S. 230 ff.). Eine nachträgliche "Feststellung" seitens des BFF hinsichtlich der Beendigung des Asyls hat daher - entgegen der früheren Praxis - nicht mehr gestaltende Wirkung, sondern lediglich noch den deklaratorischen Charakter einer blossen Bestätigung (welcher allerdings aus Gründen der Rechtssicherheit durchaus erwünscht ist, da dadurch gegenüber allen Behörden Klarheit über den Status der betroffenen Person geschaffen wird).

d) In der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege bildet Anfechtungsgegenstand die Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG, das heisst die auf öffentliches Recht des Bundes gestützte behördliche Anordnung im Einzelfall, durch welche ein konkretes und individuelles Rechtsverhältnis in verbindlicher Weise geregelt wird (vgl. dazu und zum Folgenden auch F. Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 127 ff.; A. Kölz / I. Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 174 ff.). Da - wie obenstehend ausgeführt - nach Art. 64 Abs. 1 Bst. c AsylG die Beendigung des Asyls bereits mit der Abgabe der einseitigen Verzichtserklärung des Flüchtlings erfolgt, fehlt es der nachträglichen behördli-


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chen Bestätigung am autoritativen, anordnenden Charakter, weshalb sie keine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG darstellt und somit - wie etwa auch ein Abschreibungsbeschluss des BFF - nicht direkt mit Beschwerde bei der ARK angefochten werden kann; allerdings erwächst sie mangels Verfügungsqualität auch nicht in Rechtskraft (vgl. dazu EMARK 1997 Nr. 8, Erw. 2a-f, S. 56 ff.). Will die Person, welche den Verzicht auf das ihr gewährte Asyl erklärt hat, nachträglich auf ihren Entscheid zurückkommen (weil sie beispielsweise das Vorliegen eines Willensmangels geltend macht), hat sie sich daher zunächst an das BFF zu wenden und die Wiedereinsetzung in den früheren Rechtszustand zu beantragen. Erst wenn das Bundesamt auf ein derartiges Gesuch nicht eintritt oder es abweist, liegt eine Verfügung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Bst. c VwVG vor, welche bei der ARK angefochten werden kann.

3. Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass dem Schreiben des BFF vom 15. Dezember 1999 kein Verfügungscharakter zukommt, mithin auch kein taugliches Anfechtungsobjekt vorliegt. Unter diesen Umständen kann die - richtigerweise an das BFF gerichtete - Eingabe von Frau B.-S. vom 26. Januar 2000 nicht als Beschwerde entgegengenommen werden. Gestützt auf Art. 8 Abs. 1 VwVG senden wir Ihnen [dem BFF] deshalb die Unterlagen inklusive das Dossier N (...) zur weiteren Behandlung der Eingabe vom 26. Januar 2000 beziehungsweise zum Erlass einer Verfügung im Sinne der obenstehenden Erwägungen zurück.

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