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Auszug aus dem Urteil der ARK vom 11. Februar 2003 i.S. A. G., Serbien und Montenegro (Kosovo)

Art. 63 Abs. 1 und 64 Abs. 1 VwVG; Art. 4a KostenV: Erlass der Verfahrenskosten und Zusprechung einer Parteientschädigung trotz Unterliegens.

Wird ein zu Recht gerügter Verfahrensmangel, welcher grundsätzlich zur Kassation der angefochtenen Verfügung hätte führen müssen, im Beschwerdeverfahren geheilt, so stellt dies einen Grund dar, trotz materieller Abweisung der Beschwerde dem Beschwerdeführer die Verfahrenskosten zu erlassen und ihm eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen.

Art. 63 al. 1 et 64 al. 1 PA ; art. 4a OFIPA : exemption des frais de procédure et allocation de dépens en cas de rejet du recours.

Si un vice de procédure invoqué à bon droit dans le recours - et qui, en principe, aurait dû conduire à la cassation de la décision entreprise - est guéri durant la procédure de recours, il se justifie de renoncer à la perception des frais de procédure et d'allouer des dépens au recourant, même si le recours est rejeté au fond.

Art. 63 cpv. 1 e 64 cpv. 1 PA; art. 4a OTSPA: condono delle spese processuali e attribuzione di spese ripetibili malgrado la reiezione del gravame.

Nei casi in cui un vizio procedurale - invocato nel ricorso e che di principio avrebbe dovuto comportare l'annullamento della decisione impugnata - è sanato in sede ricorsuale, vi è motivo di condonare le spese processuali e d'attribuire delle spese ripetibili al ricorrente, malgrado la reiezione del gravame.

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Der Beschwerdeführer, geboren 11. Mai 1985, ist albanischer Ethnie und stammt aus B. bei Pejë (Kosovo). Er verliess seine Heimat im Alter von weniger als 14 Jahren im Januar 1999 und stellte am 8. März 1999 ein Asylgesuch in der Schweiz. In der Kurzbefragung in der Empfangsstelle sowie bei der Anhörung durch die kantonale Behörde machte er im Wesentlichen geltend, er habe seine


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Heimat wegen des Krieges verlassen. Die Menschen seien vor der serbischen Polizei geflüchtet. In seiner Heimat lebten die Eltern sowie drei Geschwister. Er habe vernommen, dass das Haus seiner Familie in B. in Brand gesteckt worden sei.

Das BFF verzichtete auf weitere Abklärungen.

Mit Verfügung vom 17. November 2000 stellte das BFF fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, und lehnte das Asylgesuch ab. Gleichzeitig ordnete es die Wegweisung aus der Schweiz und den Vollzug an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, für die Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft sei der Zeitpunkt des Asylentscheides massgebend. Mit dem Einmarsch der KFOR am 12. Juni 1999 habe sich die Situation im Kosovo grundlegend geändert. Aufgrund dieser veränderten Situation im Kosovo bestehe für den Beschwerdeführer keine begründete Furcht vor staatlichen Verfolgungsmassnahmen mehr. Der Vollzug der Wegweisung erweise sich auch unter Berücksichtigung der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers als zulässig, zumutbar und möglich.

Mit Beschwerde vom 20. Dezember 2000 liess der Beschwerdeführer bei der ARK beantragen, die vorinstanzliche Verfügung sei aufzuheben. Die Sache sei zur umfassenden Abklärung und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es sei dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Eventuell sei die Unzumutbarkeit des Vollzugs der Wegweisung festzustellen und als Folge davon die vorläufige Aufnahme anzuordnen. Die Begehren werden im Wesentlichen damit begründet, die Vorinstanz habe es versäumt, die im Falle der Rückführung Minderjähriger notwendigen konkreten Abklärungen im Heimatland vorzunehmen. Der Entscheid des BFF stütze sich ausschliesslich auf die Akten sowie auf theoretische Erkenntnisse über die Lage vor Ort. Es bestehe keine Gewähr für die Rückkehr des Beschwerdeführers in den Kreis seiner Familie.

Im Rahmen der Vernehmlassung ersuchte das BFF die Schweizerische Vertretung in Pristina um nähere Abklärungen. Deren Bericht vom 24. März 2001 ergab, dass die Eltern sowie die Geschwister des Beschwerdeführers in B. lebten. Da das Haus im Krieg ausgebrannt sei, bewohne die Familie bis zu dessen Wiederaufbau ein einziges Zimmer. Sie werde finanziell vom in der Schweiz lebenden Onkel des Beschwerdeführers minimal unterstützt. Die Familie pflege telefonischen Kontakt mit dem Beschwerdeführer und es bestünden keine Hinweise auf innerfamiliäre Konflikte.

Mit Zwischenverfügung vom 20. April 2001 wurde dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör zum wesentlichen Inhalt der Botschaftsabklärungen gewährt.


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In seiner Vernehmlassung vom 16. Mai 2001 hielt das BFF an seinen Erwägungen fest, verwies auf die getätigten Abklärungen in der Heimat des Beschwerdeführers und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer machte von dem ihm gewährten Replikrecht keinen Gebrauch.

Die ARK weist Beschwerde ab, verzichtet indessen auf die Erhebung von Verfahrenskosten und weist die Vorinstanz an, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 400.-- auszurichten.

Aus den Erwägungen:

3. Was die Rüge der unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts betrifft, so war diese berechtigt. Das BFF hat das Asylgesuch des minderjährigen Beschwerdeführers abgewiesen und die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs ohne weitere Prüfung der Gegebenheiten in seinem Heimatland bejaht. Es hat namentlich nicht geprüft, ob der Vollzug in Übereinstimmung steht mit den von der Rechtsprechung der ARK entwickelten Anforderungen an die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs unbegleiteter Minderjähriger (vgl. EMARK 1998 Nr. 13). Dieser Mangel wurde indessen durch die nachträglich vorgenommenen Abklärungen im Heimatland des Beschwerdeführers und durch das dazu gewährte rechtliche Gehör behoben, weshalb auf eine Kassation des angefochtenen Entscheids verzichtet werden kann. Der Umstand, dass dieser unter Missachtung der erforderlichen Abklärungen ergangen ist, wird indessen im Kostenpunkt zu berücksichtigen sein.

[...]

7. Bei diesem Prozessausgang wären die Verfahrenskosten an sich dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Vorliegend ist indes zu berücksichtigen, dass die angefochtene Verfügung zur Zeit ihres Erlasses (zumindest) formell rechtswidrig war und dieser Mangel bloss durch die nachträgliche Vornahme der gebotenen Abklärungen durch das BFF im Rahmen der Vernehmlassung geheilt werden konnte; ohne diese wäre dem Hauptantrag des Beschwerdeführers auf Kassation des angefochtenen Entscheids zu entsprechen gewesen. Diesem Umstand ist dadurch Rechnung zu tragen, dass dem Beschwerdeführer gestützt auf Art. 4a KostenV i.V.m. Art. 63 Abs. 1 VwVG (am Ende) keine Verfahrenskosten aufzuerlegen sind, weshalb das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gegenstandslos wird.

Dieselbe Überlegung hat hinsichtlich der beantragten Parteientschädigung Platz zu greifen. Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer nur durch das Ergreifen 


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eines Rechtsmittels zu einem rechtskonformen Entscheid gelangt ist, darf ihm kostenmässig kein Nachteil erwachsen, weshalb ihm eine Parteientschädigung auszurichten ist (vgl. L. Kneubühler, Gehörsverletzung und Heilung, in: ZBl 99/1998 S. 118 f. sowie A. Häfliger, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 151, unter Hinweis auf BGE 107 Ia 3). Da sich der erforderliche prozessuale Aufwand der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers vorliegend auch ohne Kostennote mit hinreichender Genauigkeit ermitteln lässt, wird die Parteientschädigung ermessensweise auf Fr. 400.-- (inkl. Spesen und MWSt) festgesetzt.

topprevious


© 30.05.03