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Richter in teilweise bloss wenige Minuten dauernden Schauprozessen nach
den Regeln der Scharia drakonische Strafen (wie Todesurteile, Amputationen von Gliedern,
Steinigungen, Auspeitschungen) ausfällen, welche meist unmittelbar nach dem
unanfechtbaren Urteilsspruch öffentlich vollstreckt werden. Verschiedene Quellen
berichten, dass die zuvor in weiten Landesteilen festzustellenden anarchistischen
Zustände, insbesondere die regelmässig ungeahndet bleibende Terrorisierung der
Zivilbevölkerung durch marodierende Mujahedin-Gruppen, durch die - im wörtlichen Sinne!
- scharfe Gerichtsbarkeit der Taliban weitgehend zum Verschwinden gebracht worden sind.
Die Taliban streben offenbar auch den (Wieder-) Aufbau der zivilen Verwaltung an, sehen
sich dabei aber durch den offenkundigen Mangel an fachlich kompetenten und ausgebildeten
Funktionären behindert.
Gemessen an den im erwähnten Grundsatzurteil festgelegten Kriterien für die Anerkennung
quasi-staatlicher Herrschaft ergibt sich folgendes Gesamtbild: Die Taliban beherrschen die
von ihnen eroberten umfangreichen Gebiete Afghanistans grösstenteils bereits deutlich
länger als ein Jahr. Die von ihnen zuvor lange Zeit belagerte Landeshauptstadt Kabul ist
zwar erst einige Monate unter ihrer Kontrolle; die Tatsache, dass die Taliban unmittelbar
nach Eroberung der Stadt einen aus Mullahs bestehenden provisorischen (Regierungs-) Rat
unter Mullah Omar einsetzten, bestätigte jedoch die von verschiedenen Beobachtern bereits
zuvor geäusserte Vermutung einer geplanten Verlagerung des Verwaltungssitzes der Taliban
aus dem im Südosten des Landes gelegenen Kandahar nach Kabul. Nach dem Einbruch des
Winters ist bis zum nächsten Frühjahr zudem kaum mit einer massgebenden Verschiebung der
Hauptfront nördlich von Kabul zu rechnen. Die militärische - beziehungsweise
religionspolizeiliche - Überwachung der Einhaltung der äusserst rigiden Verhaltensgebote
und -verbote durch die Bevölkerung funktioniert im Gegensatz zur Administration im
engeren Sinne offenbar effizient; ein Indiz für den Grad der polizeilichen Kontrolle
stellt beispielsweise der Umstand dar, dass die Taliban Visa für den Eintritt und das
Verlassen der von ihnen eroberten Gebiete ausstellen und verlangen. Opposition zur
Herrschaft der "Koranschüler" ist kaum feststellbar; allfällige entsprechende
Gelüste werden zweifellos durch die mit der zynischen Gerichtsbarkeit der Taliban
verbundenen Abschreckung gedämpft. Die erwähnten Verhaltensregeln für die Bevölkerung
schliesslich lassen kaum einen Bereich des (privaten) Alltags unberührt und haben
einschneidende Konsequenzen insbesondere auch für die Frauen in den von den Taliban
beherrschten Landesteilen. Einem vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP)
errechneten "Index für menschliche Entwicklung" zufolge, lag Afghanistan
bereits im Jahre 1995 unter den 174 untersuchten Staaten auf |