1995 / 24 - 231

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der bundesgerichtlichen Praxis - wonach ein Familienmitglied über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügen muss, was bei einer vorläufigen Aufnahme nicht bejaht wird - könnten in diesen Fällen nicht bejaht werden; vielmehr kommt Artikel 17 Absatz 1 AsylG hier eine weitergehende Bedeutung zu.

aa) Sofern das vorläufig aufgenommene Familienmitglied die Flüchtlingseigenschaft erfüllt, ist die ganze Familie gemäss Artikel 3 Absatz 3 AsylG - welcher nur die Flüchtlingseigenschaft, nicht dagegen die Asylgewährung voraussetzt - in die Flüchtlingseigenschaft des Angehörigen und (sofern nicht in eigener Person die Voraussetzungen von Artikel 3 Absatz 1 und 2 AsylG erfüllt sind) in dessen vorläufige Aufnahme miteinzubeziehen (vgl. EMARK 1993 Nr. 23, EMARK 1993 Nr. 24).

bb) Sofern das vorläufig aufgenommene Familienmitglied dagegen die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt und aus einem Grund, der nicht ohnehin für die ganze Familie erfüllt ist (beispielsweise wenn alle Familienmitglieder als Gewaltflüchtlinge anerkannt werden), vorläufig aufgenommen wird, hat dies praxisgemäss in der Regel ebenfalls die vorläufige Aufnahme der ganzen Familie zur Folge. Dogmatisch wird die beim vorläufig Aufgenommenen erfüllte Schranke des Wegweisungsvollzuges - die Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzuges - auf die ganze Familie ausgedehnt; die völkerrechtliche Zulässigkeit des Wegweisungsvollzugs der Familienangehörigen im Hinblick auf Artikel 8 EMRK wäre demgegenüber, in Anlehnung an die bundesgerichtliche Rechtsprechung, nicht zu verneinen.

b) In analoger Weise zu Artikel 3 Absatz 3 AsylG - wo die anerkannte Flüchtlingseigenschaft einer Person sich auf ihre Familie ausdehnt, auch wenn die Voraussetzungen in eigener Person nicht erfüllt wären, und wo der ganzen Familie ein einheitlicher Rechtsstatus vermittelt wird - weitet die Praxis mithin gestützt auf Artikel 17 Absatz 1 AsylG den Status einer Person, die vorläufig aufgenommen worden ist, ebenfalls auf deren Familie aus. Unerheblich ist - wiederum analog zur Rechtslage bei Artikel 3 Absatz 3 AsylG (EMARK 1994 Nr. 11 S. 81 ff., 1995 Nr. 15) - die zeitliche Reihenfolge, in der die Familienmitglieder in die Schweiz gelangt sind; auch der erst nachträglich eingereiste Familienangehörige ist in die Rechtsstellung des in der Schweiz vorläufig Aufgenommenen einzubeziehen. Unerheblich ist auch, ob die Familie bereits vor der Flucht bestanden hat oder erst hier in der Schweiz gegründet worden ist; der Asylbewerber, der sich erst in der Schweiz mit einer vorläufig