1994 / 1 - 16

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IV 334 und 104 Ib 412ff). Allerdings finden sich in der bundesgerichtlichen Praxis auch Entscheide, in welchen keine Heilung stattgefunden hat: Es besteht insbesondere eine einschlägige - von der oben beschriebenen abweichende - Praxis des eidgenössischen Versicherungsgerichts, wonach lediglich eine "nicht besonders schwerwiegende" Verletzung des rechtlichen Gehörs geheilt werden kann und die Heilung die Ausnahme bleiben soll (BGE 116 V 182ff, BGE 115 V 297ff und BGE 108 V 136f).

In der Lehre wird die nahezu ausnahmslose "Heilungspraxis" des Bundesgerichts fast unisono kritisiert (Müller, a.a.O., S. 270; Huber, a.a.O., S.224ff; P. Saladin, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Basel 1979, S. 136f; Dubach, a.a.O, S. 63ff mit weiteren Hinweisen unter anderem auf Imboden). Müller scheint eine Heilung generell nicht zulassen zu wollen, mit der Begründung, dass dem Betroffenen eine Instanz verlorengehen könne und dass eine einmal getroffene Entscheidung mitsamt dem darin enthaltenen Vor-Urteil nur mit erhöhtem Argumentationsaufwand umgestossen werden könne. Differenzierter kritisieren Huber und Dubach, welche die Heilung aus prozessökonomischen Gründen nicht kategorisch ablehnen, sondern einen Mittelweg einschlagen. Eine Heilung der Tatsache, dass ein Betroffener durch die Gehörsverletzung zum reinen Verfahrensobjekt degradiert und nicht als Subjekt behandelt werde, sei nicht immer möglich und müsse sanktioniert werden. Imboden schlägt vor, eine Heilung der Verletzung des rechtlichen Gehörs nur dort eintreten zu lassen, wo reine Rechtsfragen zur Entscheidung stehen, weil in diesen Fällen der Gehörsanspruch nicht an die Instanz gebunden sei. Dagegen sei Heilung dort nicht eintreten zu lassen, wo Sachfragen zu entscheiden seien und echtes Ermessen zu handhaben sei. Bei der Entscheidung einer Ermessensfrage könne die Gewährung des rechtlichen Gehörs durch die zweite Instanz die Verletzung durch die erste Instanz nicht heilen, weil es im Ermessensbereich mehrere Lösungen geben könne, wogegen es bei der Entscheidung reiner Rechtsfragen nur eine richtige Lösung gebe. F. Gygi schliesslich vertritt die Auffassung, die Heilung bedeute einen rechtfertigungsbedürftigen Einbruch in das Prinzip, wonach der Anspruch auf Einhaltung der wesentlichen Verfahrensvorschriften und Gewährung des rechtlichen Gehörs formeller Natur sei (F. Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 298).

Der von der Mehrzahl der zitierten Autoren vorgeschlagene Mittelweg zwischen automatischer Heilung einer Gehörsverletzung durch die Beschwerdeinstanz und automatischer Kassation eines in Verletzung des Anspruches ergangenen Entscheides erscheint in der Tat als sachgerechteste Lösung. Einerseits würde es keinen Sinn machen, in jedem Fall einer bloss minimen Gehörsver-