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Auszug aus dem Urteil der ARK vom 19. Juli 2004 i.S. Z.J. und Familie, Serbien und Montenegro

Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 30 Abs. 1, Art. 32 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 1 VwVG: Anspruch auf rechtliches Gehör, behördliche Begründungspflicht.

1. Mit dem Recht einer Verfahrenspartei auf vorgängige Äusserung und Anhörung ist untrennbar verbunden, dass die verfügende Behörde von deren Äusserungen auch tatsächlich Kenntnis nimmt und sich mit diesen auseinandersetzt, was sich in entsprechender Weise in der Entscheidbegründung niederschlagen muss (Erw. 6.1.-6.3.).

2. Die Begründungspflicht bedeutet, dass die verfügende Behörde die Überlegungen zu nennen hat, von denen sie sich leiten liess und auf die sich der Entscheid stützt, um eine sachgerechte Anfechtung der Verfügung durch die Betroffenen beziehungsweise eine Beurteilung ihrer Rechtmässigkeit durch die Rechtsmittelinstanz zu ermöglichen (Erw. 6.3.-6.4.). Eine Verletzung der Begründungspflicht hat gegebenenfalls die Kassation der Verfügung zur Folge (Erw. 7).

Art. 29 al. 2 Cst. ; art. 30 al. 1, 32 al. 1 et 35 al. 1 PA : droit d’être entendu et obligation de motiver.

1. Au droit de la partie d’être entendue avant qu’une décision ne soit rendue est indissociablement liée l’obligation pour l’autorité saisie de tenir compte des allégations de cette partie et d’exposer de manière circonstanciée dans la motivation de la décision les raisons pour lesquelles celles-ci ont été écartées (consid. 6.1.-6.3.).

2. L’obligation de motiver implique, pour l’autorité saisie, qu’elle indique les motifs retenus pour fonder sa décision, afin de permettre à la partie de recourir en connaissance de cause et à l’autorité de recours de se prononcer sur la légalité de la décision entreprise (consid. 6.3.-6.4.). En l’espèce, une violation de l’obligation de motiver a conduit à la cassation de la décision (consid. 7).


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Art. 29 cpv. 2 Cost.; art. 30 cpv. 1, 32 cpv. 1 e 35 cpv. 1 PA: diritto d’essere sentito e obbligo di motivare.

1. Al diritto della parte d’esprimersi prima della pronuncia di una decisione, è indissociabilmente legato anche l’obbligo per l’autorità decidente di tenere conto ed apprezzare i fatti determinanti, ciò che deve apparire nella motivazione della decisione (consid. 6.1.-6.3.).

2. L’obbligo della motivazione costringe l’autorità decidente ad indicare le risultanze probatorie acquisite e i criteri di valutazione adottati per trarre determinate conclusioni alfine di consentire alla parte di ricorrere con criteri adeguati e all’autorità di ricorso d’esperire il sindacato di legittimità della decisione impugnata (consid. 6.3.-6.4.). Una violazione dell’obbligo di motivare può comportare la cassazione della decisione medesima (consid. 7).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die Beschwerdeführer stellten am 22. Juli 2002 bei der Empfangsstelle des BFF in Basel ein Asylgesuch, wo sie am 26. Juli 2002 summarisch zu den Gründen für ihr Asylgesuch und zum Reiseweg befragt wurden.

Mit Entscheid vom 29. Juli 2002 wurden die Beschwerdeführer für den Aufenthalt während des Asylverfahrens dem Kanton Wallis zugewiesen.

Am 17. September 2002 führte die Dienststelle für Zivilstandswesen und Fremdenkontrolle des Kantons Wallis die Anhörung zu den Asylgründen durch.

Das BFF wies die Beschwerdeführer mit an ihren Rechtsvertreter gerichtetem Schreiben vom 23. Juli 2003 darauf hin, eine Durchsicht der Protokolle der Anhörung vom 17. September 2002 habe ergeben, dass sie in bestimmten - vom BFF einzeln aufgezählten - Punkten einander widersprechende Aussagen gemacht hätten. Den Beschwerdeführern wurde Gelegenheit gegeben, sich zu diesem Vorhalt innert angesetzter Frist schriftlich zu äussern.

Mit Eingabe ihres Rechtsvertreters vom 14. August 2003 nahmen die Beschwerdeführer Bezug auf das Schreiben des BFF vom 23. Juli 2003 und hielten fest, dass die Angaben des Beschwerdeführers zuträfen; bei den Darlegungen der Beschwerdeführerin seien die von ihr erlittenen Verletzungen und ihre psychische Verfassung zu berücksichtigen.


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Mit Schreiben an den Rechtsvertreter vom 26. August 2003 stellte die Vorinstanz fest, dass er in seinem Schreiben vom 14. August 2003 geltend mache, es sei aufgrund der gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen, der schriftlichen Aufforderung zu einer Stellungnahme innert angesetzter Frist Folge zu leisten. Gestützt auf diese Feststellung forderte das BFF den Rechtsvertreter auf, zur Stützung seiner Ausführungen innert angesetzter Frist ein ärztliches Zeugnis einzureichen, unter Hinweis darauf, dass er diese letzte Frist gleichzeitig auch dafür nutzen könne, um allfällige Erklärungen für die Widersprüche zwischen den Vorbringen der Beschwerdeführerin und denjenigen des Beschwerdeführers zu liefern.

Mit Eingabe vom 8. September 2003 ersuchte der Rechtsvertreter um eine Fortsetzung des Verfahrens auf Deutsch, indem er geltend machte, dass ihm dies leichter falle und überdies auch die Beschwerdeführer relativ gut Deutsch, dagegen kein Wort Französisch sprächen.

Dieses Gesuch wurde vom BFF mit Schreiben vom 19. September 2003 gestützt auf Art. 16 AsylG abgewiesen, wobei es festhielt, dass es Sache des Rechtsvertreters sei, sein Mandat allenfalls niederzulegen, wenn er sich zu dessen Weiterführung aus sprachlichen Gründen ausser Stande sehe.

Mit Eingabe vom 30. September 2003 nahm der Rechtsvertreter unter anderem erneut Stellung zu den Widersprüchen, die das BFF den Beschwerdeführern vorgehalten hatte. Er verwies diesbezüglich auf die psychische Situation der Beschwerdeführerin, wie sie durch das bei den Akten liegende ärztliche Zeugnis vom 5. September 2003 belegt sei. Die Beschwerdeführerin sei in Serbien schwerwiegend traumatisiert worden; abzustellen sei auf die Darlegungen des Beschwerdeführers beziehungsweise der Mutter der Beschwerdeführerin.

Diese Eingabe wurde vom BFF mit Schreiben vom 9. Januar 2004 als Gesuch um Einsicht in die Verfahrensakten behandelt („demande de consultation du dossier“).

Mit Verfügung vom 22. Januar 2004 lehnte das BFF das Asylgesuch der Beschwerdeführer ab und ordnete gleichzeitig deren Wegweisung aus der Schweiz und den Vollzug der Wegweisung an.

Diese Verfügung fochten die Beschwerdeführer mit Eingabe ihres Rechtsvertreters vom 23. Februar 2004 bei der ARK an. Sie beantragten in der Hauptsache die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Rückweisung der Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz, eventualiter die Gewährung von Asyl


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in der Schweiz. In verfahrensrechtlicher Hinsicht stellten sie - unter anderem - verschiedene Beweisanträge.

Das BFF hielt in seiner Vernehmlassung vom 5. März 2004 an der angefochtenen Verfügung fest und beantragte entsprechend die Abweisung der Beschwerde. Angemerkt wurde, dass ein professioneller Rechtsvertreter aufgrund der jeweils massgeblichen Verfahrenssprache vorab zu prüfen habe, ob er sprachlich überhaupt in der Lage sei, ein bestimmtes Mandat zu übernehmen; dies gelte ganz besonders, wenn ein Rechtsvertreter seine Tätigkeit in einem zweisprachigen Kanton ausübe.

Die ARK heisst die Beschwerde gut, hebt die angefochtene Verfügung auf und weist die Sache zur Weiterführung des Asylverfahrens an die Vorinstanz zurück.

Aus den Erwägungen:

5.

5.1. Das BFF begründete seinen Befund, dass die Vorbringen der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 7 AsylG als nicht glaubhaft zu erachten seien, im Wesentlichen damit, dass sie bestimmte, von beiden gleichzeitig zur Begründung ihres Asylgesuchs vorgebrachte Umstände unterschiedlich beschrieben hätten; dabei hätten sie vom Recht, sich zu diesen Widersprüchen zu äussern, das ihnen mit Schreiben vom 23. Juli 2003 eingeräumt worden sei, keinen Gebrauch gemacht („Aucune suite n’a été donnée au droit d’être entendu accordé le 23 juillet 2003“).

5.2. Dem wird von Beschwerde führender Seite entgegengehalten, dass die Feststellung der Vorinstanz, wonach dem Schreiben vom 23. Juli 2003 keine Folge geleistet worden sei, nachweislich falsch sei. Mit Eingabe vom 30. September 2003 habe der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer bezüglich der „gesuchten Schilderungsdivergenzen“ auf die psychische Situation der vergewaltigten und schwerstes verletzten Beschwerdeführerin hingewiesen, wie sie im eingereichten ärztlichen Zeugnis beschrieben sei, und entsprechend erklärt, dass auf die Darlegungen des Beschwerdeführers beziehungsweise der Mutter der Beschwerdeführerin abzustellen sei. Statt gestützt darauf die Akten der Mutter der Beschwerdeführerin beizuziehen oder diese und den Beschwerdeführer nochmals zu vernehmen oder anderweitige Beweismittel zu beschaffen und so beispielsweise die in den Akten erwähnte Psychiaterin der Beschwerdeführerin zu befragen, sei „im Schnellverfahren“ aktenwidrig behauptet worden, vom gewährten rechtlichen Gehör sei nicht Gebrauch gemacht worden, um gestützt darauf das Asylgesuch abzuweisen und die Beschwerdeführer wegzuweisen, ohne ihre


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effektive Verfolgungssituation ernsthaft geprüft zu haben. Offensichtlich habe die Vorinstanz die Akten nicht gebührend durchgesehen und einen aktenwidrigen Entscheid gefällt, welcher die Ansprüche auf rechtliches Gehör und Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens verletze, so dass der Entscheid als nichtig aufzuheben und die Verfügung im Anschluss an die Gewährung dieser elementaren Verfahrensrechte neu zu erlassen sei.

6.

6.1. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 29 ff. VwVG i.V.m. Art. 6 AsylG) ergibt sich, dass eine asylsuchende Person mit Aussagen Dritter, die ihren eigenen Aussagen widersprechen, vorgängig zu konfrontieren ist, um allfällige Erklärungen vorbringen und Missverständnisse beheben zu können. Das Recht auf vorgängige Äusserung und Anhörung (vgl. Art. 30 Abs. 1 VwVG) sichert den Betroffenen in diesem Zusammenhang einen Einfluss auf die Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhalts. Entsprechend stellt der Versuch der Behörden, durch Hinweise auf bestehende Widersprüche zu einer Klärung der Ungereimtheiten zu gelangen, noch einen Teil der Sachverhaltsermittlung dar. Erst anschliessend kann geprüft werden, ob die diesbezüglichen Stellungnahmen der asylsuchenden Person die Ungereimtheiten in plausibler Weise zu erklären und zu beseitigen vermögen, oder ob die Widersprüche und Tatsachenwidrigkeiten ungeklärt bleiben und - im Sinne von Art. 7 AsylG - als Anhaltspunkt gegen die Glaubhaftigkeit der Vorbringen der asylsuchenden Person zu gewichten sind (vgl. dazu EMARK 1994 Nr. 14).

6.2. Das BFF hielt zwar den Beschwerdeführern die Widersprüche, die es gestützt auf die Protokolle der kantonalen Anhörung vom 17. September 2002 zwischen ihren Aussagen ausgemacht hatte, mit Schreiben an ihren Rechtsvertreter vom 23. Juli 2003 einzeln vor und gab ihnen Gelegenheit, sich dazu zu äussern. Offensichtlich aktenwidrig ist aber die Feststellung in der angefochtenen Verfügung, dass die Beschwerdeführer von ihrem Recht, sich zu äussern, keinen Gebrauch gemacht hätten. Vielmehr geht aus der vorstehenden Zusammenfassung des Sachverhalts ohne weiteres hervor, dass die Beschwerdeführer mit zwei verschiedenen Eingaben vom 14. August 2003 und 30. September 2003 zu den ihnen vom BFF vorgehaltenen Widersprüchen durchaus Stellung genommen haben, wobei geltend gemacht wurde, dass angesichts des psychischen Gesundheitszustands der Beschwerdeführerin auf die Aussagen des Beschwerdeführers beziehungsweise der Mutter der Beschwerdeführerin - diese hatte in einem separaten Verfahren ebenfalls um Asyl nachgesucht - abzustellen sei. Offen bleiben kann an dieser Stelle, worauf die aktenwidrige Feststellung der Vorinstanz zurückzuführen ist. Fest steht jedenfalls, dass sie sich mit den von den Beschwerdeführern in den Stellungnahmen vom 14. August 2003 und 30. September 2003 vorgebrachten Argumenten in keiner erkennbaren Weise auseinandergesetzt hat,


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insbesondere auch nicht in den Erwägungen der angefochtenen Verfügung. Entsprechend zu Recht wird von den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang eine „aktenwidrige Nichtberücksichtigung“ ihrer Stellungnahmen gerügt.

6.3. Mit dem Äusserungsrecht der Verfahrensparteien ist untrennbar verbunden, dass die Behörden von deren Äusserungen auch tatsächlich Kenntnis nehmen und sich mit diesen auseinandersetzen. Dieser Aspekt liegt bereits Art. 30 Abs. 1 VwVG immanent zugrunde, wonach die Behörde die Parteien anhört, bevor sie verfügt, kommt aber besonders deutlich in Art. 32 Abs. 1 VwVG zum Ausdruck, der bestimmt, dass die Behörde alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien würdigt, bevor sie verfügt. Die Pflicht der Behörden, erhebliche Vorbringen der Parteien sorgfältig und ernsthaft zu prüfen und bei der Entscheidfindung zu berücksichtigen, bildet als Gegenstück zu den Mitwirkungsrechten der Parteien einen Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör, was ohne weiteres an der systematischen Einordnung von Art. 32 VwVG unter die Bestimmungen von Art. 29 ff. VwVG mit der Marginalie „Rechtliches Gehör“ erkennbar ist, sich aber im Übrigen bereits aus dem verfassungsmässigen Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV ergibt (vgl. BGE 123 I 31, Erw. 2c, S. 34; A. Kölz/I. Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, Rz. 312 und 325). Das Ergebnis der Würdigung der erheblichen Vorbringen der Parteien durch die Behörde muss sich in der Entscheidbegründung niederschlagen. Diese Begründungspflicht folgt ebenfalls unmittelbar aus Art. 29 Abs. 2 BV (vgl. BGE 123 I 31, Erw. 2c; 125 II 369, Erw. 2c, S. 372; vgl. auch Art. 35 Abs. 1 VwVG). Die verfügende Behörde hat die Überlegungen zu nennen, von denen sie sich leiten liess und auf die sich der Entscheid stützt. Die Begründungspflicht ist ein Element rationaler und transparenter Entscheidfindung und dient nicht zuletzt auch der Selbstkontrolle der Behörden. Entsprechend bildet eine hinreichende Begründung die Grundlage für eine sachgerechte Anfechtung der Verfügung durch die Betroffenen und stellt gleichzeitig eine unabdingbare Voraussetzung für die Beurteilung ihrer Rechtmässigkeit durch die Beschwerdeinstanz dar (vgl. EMARK 1995 Nr. 12, Erw. 12c, S. 114 f.; Kölz/Häner, a.a.O., Rz. 325 und 354 f.).

6.4. Im vorliegenden Fall gibt die Begründung der angefochtenen Verfügung keinen Aufschluss darüber, aus welchen Gründen das BFF die Erklärungen der Beschwerdeführer für die ihnen mit Schreiben vom 23. Juli 2003 vorgehaltenen Widersprüche als nicht plausibel erachtet haben mag. Die Ausführungen des BFF lassen nicht einmal erkennen, ob es die Stellungnahmen der Beschwerdeführer vom 14. August 2003 und 30. September 2003 überhaupt je zur Kenntnis genommen hat, woran jedoch zu zweifeln ist, wenn in der angefochtenen Verfügung - wie erwähnt - unzutreffend festgestellt wird, die Beschwerdeführer hätten


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von ihrem Äusserungsrecht keinen Gebrauch gemacht. Indem aber das BFF im angefochtenen Entscheid auf die den Beschwerdeführern vorgehaltenen Widersprüche abgestellt hat, ohne sich vorher in erkennbarer Weise mit ihren diesbezüglichen Stellungnahmen auseinandergesetzt zu haben, hat es seine Begründungspflicht und damit den Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör verletzt.

7.

7.1. Es stellt sich im Weiteren die Frage, ob die festgestellte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geheilt werden kann oder zur Kassation der angefochtenen Verfügung führen muss. Aus prozessökonomischen Gründen hat der Gesetzgeber die Verwaltungsbeschwerde und damit auch die Beschwerde an die ARK grundsätzlich reformatorisch ausgestaltet (vgl. Art. 105 Abs. 1 AsylG); gemäss Art. 61 Abs. 1 VwVG darf eine Kassation und Rückweisung an die Vorinstanz nur ausnahmsweise erfolgen, so etwa, wenn weitere Tatsachen festgestellt werden müssen und ein umfassendes Beweisverfahren durchzuführen ist (vgl. EMARK 1995 Nr. 6, Erw. 3d, S. 62; Kölz/Häner, a.a.O., Rz. 694). Die in diesen Fällen fehlende Entscheidungsreife kann zwar grundsätzlich auch durch die Beschwerdeinstanz selbst hergestellt werden, wenn dies im Einzelfall aus prozessökonomischen Gründen angebracht erscheint (vgl. F. Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 232 f.). Allerdings muss irgendwo eine Grenze gezogen werden, deren Überschreitung nicht mehr ohne weiteres durch die Beschwerdeinstanz rückgängig gemacht werden kann. Eine sachgerechte Lösung im Sinne einer Heilung oder Kassation wird sich entscheidend an der Schwere der Verletzung einer Verfahrensvorschrift, aber auch daran zu orientieren haben, ob die Verletzung auf einem Versehen beruht oder das Resultat einer gehäuften unsorgfältigen Verfahrensführung ist. Ob indessen die Missachtung von Verfahrensvorschriften durch die Vorinstanz auch Einfluss auf das Ergebnis hatte, kann bei einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör angesichts seiner formellen Natur von vornherein keine Rolle spielen (vgl. EMARK 1994 Nr. 1, Erw. 6b, S. 16 f.; 1998 Nr. 34, Erw. 10d, S. 292 f.; Kölz/Häner, a.a.O., Rz. 131).

7.2. Vorliegend ist die Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör als schwerwiegender Mangel zu erachten, weil das BFF seinen Entscheid in erster Linie auf die den Beschwerdeführern mit Schreiben vom 23. Juli 2003 vorgehaltenen Widersprüche gestützt hat, ohne sich vorher in irgendeiner erkennbaren Weise mit deren diesbezüglichen Stellungnahmen vom 14. August 2003 und 30. September 2003 auseinanderzusetzen. Damit aber ist eine Überprüfung des erstinstanzlichen Entscheidfindungsprozesses durch die ARK nur äusserst beschränkt möglich. Hinzu kommt, dass eine Auseinandersetzung mit den Erklärungen der Beschwerdeführer für die ihnen vorgehaltenen


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Widersprüche - wie bereits dargelegt - auch im Hinblick auf eine vollständige Sachverhaltsfeststellung erforderlich gewesen wäre (vgl. vorne, Erw. 6.1.). Sinn des Beschwerdeverfahrens vor der ARK kann es aber nicht sein, für eine vollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts zu sorgen, wenn im vorinstanzlichen Verfahren die erforderlichen Sachverhaltsabklärungen - wie im vorliegenden Fall - nur infolge einer wiederholten unsorgfältigen Verfahrensführung unterblieben sind. Es ist denn auch besonders hervorzuheben, dass das BFF selbst in seiner Vernehmlassung vom 5. März 2004 in keiner Weise auf die Stellungnahmen der Beschwerdeführer vom 14. August 2003 und 30. September 2003 näher eingeht, obwohl in der Beschwerdeschrift - wie erwähnt - ausdrücklich auf diese „aktenwidrige Nichtberücksichtigung“ hingewiesen worden ist. Es geht nicht an, diese bereits im erstinstanzlichen Verfahren abgegebenen Stellungnahmen erstmals im Beschwerdeverfahren zu würdigen, ganz abgesehen davon, dass den Beschwerdeführern durch ein solches Vorgehen eine Instanz verloren ginge. Eine Kassation ist daher angebracht.

8. Es ergibt sich damit, dass die Beschwerde im Hauptbegehren gutzuheissen, die angefochtene Verfügung vom 22. Januar 2004 aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an das BFF zurückzuweisen ist. Bei dieser Sachlage erübrigt es sich an dieser Stelle, auf die ausführlichen Darlegungen in der Beschwerdeschrift sowie auf die verschiedenen Beweisanträge näher einzugehen.

 

 

 

 

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