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Auszug aus dem Urteil der ARK vom 3. Februar 2004 i.S. M. F., Jemen

Art. 24 Abs. 1 VwVG, Art. 8 Abs. 3 AsylG: Wiederherstellung der Beschwerdefrist nach unverschuldetem Versäumnis.

1. Formelle Voraussetzungen eines Gesuchs um Wiederherstellung einer Frist (Erw. 1 und 2).

2. Den Gesuchsteller, der sich im Zeitpunkt der Entscheideröffnung mit Urlaubsbewilligung ausserhalb seines Durchgangszentrums aufhielt, trifft am Versäumen der Beschwerdefrist kein Verschulden, da er von der - an sich rechtsgültig erfolgten - Eröffnung nicht rechtzeitig Kenntnis erhielt (Erw. 3).

3. Tragweite der Mitwirkungspflicht bei behördlich bewilligter vorübergehender Abwesenheit vom zugewiesenen Aufenthaltsort (Erw. 4).

Art. 24 al. 1 PA, art. 8 al. 3 LAsi : restitution pour inobservation non fautive du délai de recours.

1. Conditions formelles mises à la restitution d'un délai (consid. 1 et 2).

2. Il ne peut être reproché l'inobservation fautive du délai de recours à un demandeur d'asile qui, étant au bénéfice d'un congé dûment autorisé au moment de la notification de la décision au centre d'hébergement, n'a pas été en mesure de prendre connaissance à temps de cette notification, en soi valable (consid. 3).

3. Etendue du devoir de collaboration en cas d'absence - temporaire et dûment autorisée - d'un requérant d'asile du lieu de séjour qui lui a été assigné (consid. 4).


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Art. 24 cpv. 1 PA, art. 8 cpv. 3 LAsi: restituzione per inosservanza del termine ricorsuale.

1. Presupporti formali di una domanda di restituzione per inosservanza di un termine (consid. 1 e 2).

2. Al richiedente l’asilo - assente giustificato, al momento della tentata notificazione della decisione di prima istanza, dal centro cui è stato attribuito - non può essere imputata alcuna colpa per l’inosservanza del termine ricorsuale (consid. 3).

3. Portata dell’obbligo di collaborare in caso d'assenza - autorizzata e temporanea - dal luogo di soggiorno stabilito dalle autorità (consid. 4).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Mit Verfügung vom 31. Oktober 2003 lehnte das BFF das Asylgesuch des Gesuchstellers ab. Diese Verfügung wurde dem Gesuchsteller am 4. November 2003 an dessen Wohnadresse (Zentrum für Asylsuchende X.) mit eingeschriebenem Brief und Rückschein zugesandt, indessen von der schweizerischen Post am 12. November 2003 mit dem Vermerk "Annahme verweigert/nicht abgeholt" zurückgeschickt.

Mit Datum vom 15. Dezember 2003 erging in der Folge eine Mitteilung des BFF an die zuständigen Behörden des Kantons St. Gallen, der Entscheid vom 31. Oktober 2003 sei am 9. Dezember 2003 in Rechtskraft erwachsen.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2003 teilte das Amt für Soziales des Kantons St. Gallen (Zentrum für Asylsuchende X.) dem BFF mit, der Gesuchsteller habe den Entscheid vom 31. Oktober 2003 aufgrund eines Fehlers des Durchgangszentrums nicht persönlich entgegennehmen können und habe somit unverschuldet keine Kenntnis von der Verfügung erlangt. Eine Abwesenheit des Gesuchstellers sei irrtümlicherweise als unentschuldigt interpretiert worden, während sich dieser tatsächlich erlaubterweise mit einem Urlaubsschein ausserhalb des Zentrums aufgehalten habe. Das BFF werde daher darum ersucht, dem Gesuchsteller den Entscheid nochmals zuzustellen und die Beschwerdefrist wiederherzustellen.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2003 teilte das BFF dem Amt für Soziales des Kantons St. Gallen (Zentrum für Asylsuchende X.) mit, aus Gründen der Gleichbehandlung bestehe keine Möglichkeit, dem Ersuchen zu entsprechen.


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Zur Begründung wurde weiter ausgeführt, gemäss Art. 8 AsylG müssten sich Asylsuchende, die sich in der Schweiz aufhielten, während des Verfahrens den Behörden von Bund und Kantonen zur Verfügung halten. Demnach sei der Gesuchsteller verpflichtet gewesen, für die Dauer seiner Abwesenheit eine ihm geeignet erscheinende Person für die allfällige Entgegennahme von Postsachen zu bevollmächtigen.

Mit Eingabe vom 23. Dezember 2003 focht der Gesuchsteller die Verfügung des BFF vom 31. Oktober 2003 an. Dabei ersuchte er in prozessualer Hinsicht unter anderem darum, in Anwendung von Art. 24 VwVG sei zunächst die Frist zur Beschwerde gegen die Verfügung des BFF vom 31. Oktober 2003 wiederherzustellen.

Die ARK heisst das Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist gut.

Aus den Erwägungen:

1. a) Die ARK befindet über ein Gesuch um Wiederherstellung einer Frist nach Art. 24 VwVG in der Besetzung mit drei Richtern, soweit es sich nicht als offensichtlich unzulässig erweist und damit in die Zuständigkeit des Einzelrichters nach Art. 111 Abs. 2 AsylG fällt (vgl. Art. 104 Abs. 2 AsylG).

b) Gemäss Art. 24 Abs. 1 VwVG kann die Wiederherstellung einer Frist erteilt werden, wenn der Gesuchsteller oder sein Vertreter unverschuldet abgehalten worden ist, innert Frist zu handeln, binnen zehn Tagen nach Wegfall des Hindernisses ein begründetes Begehren um Wiederherstellung einreicht und die versäumte Rechtshandlung nachholt.

c) Mithin statuiert Art. 24 Abs. 1 VwVG im Hinblick auf die allfällige Wiederherstellung einer verpassten Frist einerseits formelle Voraussetzungen (Einreichung eines entsprechenden, begründeten Begehrens innert einer selbständigen Frist; Nachholung der versäumten Rechtshandlung binnen eben dieser Frist). Andererseits erfordert die Wiederherstellung der verpassten Frist die Prüfung einer materiellen Frage, nämlich des Verschuldens beziehungsweise Nichtverschuldens in Bezug auf das Verpassen einer im Rahmen einer bestimmten Frist zu erfolgenden Handlung.

2. Vorliegend ist somit zunächst im Sinne einer Eintretensfrage zu prüfen, ob die durch Art. 24 Abs. 1 VwVG statuierte formelle Voraussetzung erfüllt sei, wonach binnen zehn Tagen nach Wegfall des Hindernisses ein begründetes Begeh-


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ren um Wiederherstellung eingereicht werden muss, unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Rechtshandlung. Diesbezüglich ist festzustellen, dass als Hindernis bezüglich der fristgerechten Ausübung des Beschwerderechts die bis zum 15. Dezember 2003 währende Unkenntnis des Gesuchstellers vom negativen Asylentscheid des BFF zu betrachten ist. Indem dem Gesuchsteller der Entscheid der Vorinstanz bis zum 15. Dezember 2003, dem Datum der Rechtskraftmitteilung durch das BFF, nicht persönlich eröffnet worden war und auch sonst kein Anlass zur Annahme besteht, er habe in der Zwischenzeit anderweitig davon erfahren, lässt sich davon ausgehen, dass diese Unkenntnis – wie vom Gesuchsteller geltend gemacht – bis zu jenem Zeitpunkt auch tatsächlich bestand. Des Weiteren ist festzustellen, dass der Gesuchsteller, nachdem er im Anschluss an die Rechtskraftmitteilung gleichentags durch einen Zentrumsmitarbeiter von der festgesetzten Ausreisefrist und mithin vom negativen Asylentscheid erfahren hatte, mittels der Beschwerdeeingabe vom 23. Dezember 2003 innert der gesetzlichen Frist von zehn Tagen sowohl ein begründetes Begehren um Wiederherstellung der Beschwerdefrist stellte als auch die versäumte Rechtshandlung (Einreichen einer rechtsgenüglichen Beschwerde) nachholte. Auf das Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist ist somit einzutreten.

3. a) In materieller Hinsicht ist sodann die Frage zu beurteilen, ob der Gesuchsteller unverschuldet davon abgehalten worden ist, innert der fraglichen Frist zu handeln, das heisst binnen der gesetzlichen Rechtsmittelfrist von dreissig Tagen (vgl. Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 50 VwVG) bei der ARK Beschwerde gegen den Asylentscheid des BFF zu erheben.

b) Ein Versäumnis im erwähnten Sinn ist unverschuldet, „wenn dafür objektive Gründe vorliegen und der Partei bzw. der Vertretung keine Nachlässigkeit vorgeworfen werden kann“ (A. Kölz/I. Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 124). Als ausreichende objektive Gründe gelten dabei praxisgemäss etwa schwerwiegende Krankheit (BGE 108 V 109, 110, Erw. 2c; vgl. in Bezug auf den inhaltlich gleichlautenden Art. 35 OG auch BGE 112 V 255 f.), nicht aber blosse Ferienabwesenheit (vgl. VPB 1987 Nr. 1). Zu erwähnen ist ausserdem, dass gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Zusammenhang mit Art. 24 VwVG eine versuchte Postzustellung als erfolgt gelten lassen muss, wer „sich während eines hängigen Verfahrens für längere Zeit von dem den Behörden bekanntgegebenen Adressort entfernt, ohne für die Nachsendung der an die bisherige Adresse gelangenden Korrespondenz zu sorgen und ohne der Behörde zu melden, wo er nunmehr zu erreichen ist, bzw. ohne einen Vertreter zu beauftragen, nötigenfalls während seiner Abwesenheit für ihn zu handeln“; dies unter der weiteren Voraussetzung, dass „die Zustellung eines behördlichen Aktes während der Abwesenheit mit ei-


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ner gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist“ (BGE 107 V 187, 189, Erw. 2; vgl. auch BGE 107 V 190, 191).

c) Vorweg ist festzuhalten, dass als geltend gemachter Grund für das Versäumen einer fristgerechten Rechtsmitteleingabe nicht die Tatsache der Urlaubsabwesenheit an sich zu betrachten ist: Dies, indem der Gesuchsteller nicht geltend macht, es sei ihm gerade aufgrund seiner urlaubsbedingten Abwesenheit unmöglich gewesen, die versäumte Rechtshandlung vorzunehmen. Sondern im Vordergrund stehend und somit zu beurteilen ist die Frage, ob unter den – wenn auch mittelbar durch eine urlaubsbedingte Abwesenheit von der Wohnadresse verursachten – besonderen Voraussetzungen des vorliegenden Falles den Gesuchsteller ein Verschulden daran trifft, dass er die Beschwerdefrist nicht einzuhalten vermochte, indem er erst nach deren Ablauf überhaupt vom Asylentscheid des BFF vom 31. Oktober 2003 Kenntnis erhielt. Insofern ist festzustellen, dass die erwähnte Praxis betreffend blosse Ferienabwesenheit vorliegend nicht von Belang ist.

d) In Bezug auf die zu untersuchende Fragestellung ist zunächst allgemein davon auszugehen, dass während eines laufenden Asylverfahrens objektiv jederzeit eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Zugang einer (auch abschliessenden) Verfügung besteht. Des Weiteren ist festzustellen, dass die fragliche Verfügung des BFF vom 31. Oktober 2003 dem Adressaten in rechtsgültiger Weise eröffnet worden ist (vgl. zum Folgenden EMARK 2001 Nr. 9). Eine Verfügung gilt in dem Moment als eröffnet, da sie dem Adressaten tatsächlich übergeben wurde. Wird eine Verfügung mit eingeschriebener Post versandt, so wird auf den Moment der Zustellung durch die Post oder auf den Moment der Abholung auf der Poststelle abgestellt. Art. 12 Abs. 1 AsylG bestimmt dabei, dass eine Verfügung nach Ablauf der siebentägigen Abholfrist als rechtsgültig eröffnet gilt, auch wenn der Adressat aufgrund einer besonderen Vereinbarung mit der Post erst zu einem späteren Zeitpunkt davon Kenntnis erhalten hat oder wenn die Verfügung als unzustellbar zurückkommt. Art. 12 Abs. 1 AsylG kodifiziert dabei für das Asylverfahren die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur sogenannten Zustellfiktion (vgl. BGE 115 Ia 12 f.). Indem die Verfügung des BFF vom 31. Oktober 2003 von der schweizerischen Post am 12. November 2003 nach Ablauf der siebentägigen Abholfrist als unzustellbar zurückgesandt wurde, nachdem sie korrekt im Sinne von Art. 12 Abs. 1 AsylG adressiert worden war, sind die genannten Kriterien für eine rechtsgültige Eröffnung erfüllt.

e) Auf der Grundlage der zuvor (Erw. 3b) erwähnten bundesgerichtlichen Praxis erscheint allerdings im vorliegenden Fall der Schluss unzulässig, aus der Tatsa-


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che der rechtsgültigen Eröffnung der fraglichen Verfügung folge auch ein Verschulden des Gesuchstellers in Bezug auf das Verpassen der Beschwerdefrist.

aa) Dabei ist zunächst auf den Umstand hinzuweisen, dass die urlaubsbedingte Abwesenheit – wie aus der mit dem Schreiben des Zentrums für Asylsuchende X. vom 15. Dezember 2003 an das BFF übermittelten Kopie des Urlaubsscheins hervorgeht – mit Kenntnis sowie Erlaubnis der kantonalen Behörden (nämlich des Amts für Soziales des Kantons St. Gallen, repräsentiert durch das Zentrum für Asylsuchende X.) erfolgte. Des Weiteren war den Behörden der während der Zustellung des Asylentscheids aktuelle Aufenthaltsort des Verfügungsadressaten tatsächlich bekannt, ist doch aus der genannten Kopie ausserdem ersichtlich, bei welcher Person und unter welcher Adresse sich der Gesuchsteller während der bewilligten Urlaubszeit aufzuhalten hatte; des Weiteren ist eine Mobiltelefonnummer angeführt. Mithin wäre es den Verantwortlichen des Zentrums für Asylsuchende X. möglich gewesen, den Gesuchsteller auch während seiner Abwesenheit zu erreichen.

bb) Im gegebenen Kontext kann zudem auch die besondere Wohnsituation des Gesuchstellers nicht ausser Betracht gelassen werden. Gemäss Art. 2 der kantonalen Verordnung über die Aufnahme von Asylsuchenden (sGS 381.12, gestützt auf Art. 28 AsylG) erfolgt die Betreuung von Asylsuchenden im vorliegend zuständigen Kanton St. Gallen bis zur Zuweisung an die politischen Gemeinden durch den Kanton, der zu diesem Zweck Kollektivunterkünfte führt. Beim Zentrum für Asylsuchende X., in welchem der Asylsuchende untergebracht ist, handelt es sich um eine solche kantonale Kollektivunterkunft. Die in diesem Zentrum wohnhaften Asylsuchenden sind einer bestimmten Hausordnung unterworfen, die unter anderem in Bezug auf Urlaube spezifische Regeln vorsieht. So ergibt sich aus der dem Schreiben vom 15. Dezember 2003 beiliegenden Kopie des Urlaubsscheins, dass Abwesenheiten im Rahmen eines Urlaubs zeitlich und örtlich klar beschränkt sind; die Urlaubsberechtigten müssen sich zudem laut dem aufgedruckten Text „gemäss den Bestimmungen der kantonalen Fremdenpolizei und unserer Hausordnung (…) mindestens 1 x pro Woche während der Bürozeiten telefonisch melden“. Zudem muss der Schein am Urlaubsende zur Kontrolle der Zentrumsleitung abgegeben werden. Dabei ist auch davon auszugehen, dass derartige Regeln mit Disziplinarmassnahmen sanktioniert werden können, sei es etwa durch Verweigerung eines künftigen weiteren Urlaubsrechts oder anderweitig. Ein solches spezifisches Urlaubsregime wie auch weitere für den geregelten Betrieb in einem Durchgangszentrum notwendige Verhaltensnormen implizieren gewisse besondere Pflichten und Einschränkungen der persönlichen Freiheit, womit sich die Bewohnerinnen und Bewohner des Zentrums für Asylsuchende in einem rechtlichen Status befinden, der einem besonderen Rechtsverhältnis bzw. Sonderstatusverhältnis gleichkommt (vgl. diesbezüglich,


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wenn auch primär auf das Regime in einer Empfangsstelle Bezug nehmend, BGE 128 II 156, 163, Erw. 3 b, unter Hinweis auf A. Achermann/Ch. Hausammann, Handbuch des Asylrechts, 2. Aufl., Bern/Stuttgart 1991, S. 368; vgl. zu diesem Entscheid auch den Kommentar von J. Schertenleib in Asyl 2002, Nr. 2, S. 21 ff.; allgemein zum Begriff und zu den Wirkungen des Sonderstatusverhältnisses s. nur etwa U. Häfelin/G. Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2002, S. 101 f., 249). Mit dem Sonderstatusverhältnis zwischen einer asylsuchenden Person und den ein Durchgangszentrum (oder, wie in BGE 128 II 156, eine Empfangsstelle) betreibenden Behörden ist – wie auch bei Beispielen in anderen Lebensbereichen (etwa Bildungs- oder Pflegeanstalten, vgl. die diversen Beispiele aus der Rechtsprechung bei Häfelin/Müller, a.a.O., S. 101 f.) – ein besonderes, sich aus einem konkreten Zweck ergebendes Betreuungsverhältnis verbunden. Diese Feststellung ist im vorliegenden Zusammenhang insofern relevant, als für die Bewohnerinnen und Bewohner einer Kollektivunterkunft für Asylsuchende klar ersichtlich ist, dass die Heimleitung bestimmte Aufsichtsfunktionen wahrnimmt, was sich im konkreten Fall des Gesuchstellers gerade darin geäussert hat, dass diesem unter bestimmten Auflagen eine Urlaubsbewilligung erteilt wurde.

cc) Indem sich der Gesuchsteller mit Erlaubnis der Heimleitung und zudem unter genauer Angabe der während seiner Abwesenheit bestehenden Erreichbarkeit in Urlaub befand, wären die Verantwortlichen des Zentrums für Asylsuchende X. verpflichtet gewesen, zugunsten des Gesuchstellers bestimmte Vorkehrungen zu treffen. Dabei mag zwar das bestehende Sonderstatusverhältnis nicht derart weit gehen, dass die Heimleitung hätte tun müssen, was sie hätte tun können, nämlich in Funktion einer eigentlichen Vertretung die eingeschriebene Postsendung anstelle des Verfügungsadressaten entgegenzunehmen. Indessen hätte die Heimleitung den Gesuchsteller (angesichts der gegebenen Erreichbarkeit) auch während der noch laufenden Abholfrist über das Vorliegen einer eingeschriebenen Sendung orientieren können, was jenem die Wahl des weiteren Vorgehens ermöglicht hätte. Im Sinne einer weiteren nahe liegenden Option hätte die Heimleitung den Gesuchsteller schliesslich noch nach dessen Rückkehr aus dem Urlaub über – nach zwischenzeitlichem Ablauf der siebentägigen Abholfrist – die versuchte Zustellung eines eingeschriebenen Briefs informieren können, mit dem Hinweis, sich beim BFF über den Inhalt zu erkundigen. Ausschlaggebend ist dabei einzig und alleine, ob der Gesuchsteller damit realistischerweise in die Möglichkeit versetzt worden wäre, trotz Verfügungseröffnung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 AsylG und somit laufender Beschwerdefrist sein Beschwerderecht fristgerecht wahrzunehmen.


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dd) Zu erwähnen ist schliesslich (auch wenn dies angesichts des Gesagten nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein kann), dass sich die Heimleitung ihrer Verpflichtung, bei gegebener Urlaubsberechtigung in bestimmter Weise zugunsten eines abwesenden Bewohners tätig werden zu müssen, offenbar durchaus bewusst war. Dies geht implizit aus dem an das BFF gerichteten Schreiben vom 15. Dezember 2003 hervor, indem dabei zum einen der Irrtum betreffend die Erlaubnis zur Abwesenheit eingestanden wurde, aufgrund dessen offenbar entsprechende Massnahmen unterlassen worden waren, zum anderen das BFF um nochmalige Zustellung des Entscheids an den Gesuchsteller und Wiederherstellung der Beschwerdefrist ersucht wurde.

f) Nach den angestellten Erörterungen lässt sich somit zusammenfassend festhalten, dass dem Gesuchsteller keine Nachlässigkeit im Sinne des Art. 24 Abs. 1 VwVG (vgl. Kölz/Häner, a.a.O., S. 124; s. auch zuvor, Erw. 3b) vorzuwerfen ist. Vielmehr hätten die Verantwortlichen des Zentrums für Asylsuchende X. geeignete Massnahmen ergreifen müssen, um den Gesuchsteller über den erfolgten Zustellungsversuch in Kenntnis zu setzen und ihm somit die Möglichkeit zu fristgerechter Ausübung des Beschwerderechts zu eröffnen.

4. Ergänzend ist schliesslich festzustellen, dass auch der vom BFF im Schreiben vom 16. Dezember 2003 an das Zentrum für Asylsuchende X. angerufene Art. 8 Abs. 3 AsylG an der dargestellten Rechtslage nichts zu ändern vermag. Aus dieser Norm geht einzig hervor, dass Asylsuchende verpflichtet sind, sich während des Asylverfahrens den Behörden von Bund und Kantonen zur Verfügung zu halten, wobei sie ihre Adresse und jede Änderung derselben der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde des Kantons oder der Gemeinde sofort mitteilen müssen. Indem sich der Gesuchsteller mit Erlaubnis des Zentrums für Asylsuchende X. bzw. des Amts für Soziales des Kantons St. Gallen, mithin der zuständigen kantonalen Behörde, im Urlaub befand, hat er in keiner Weise gegen die spezifische Mitwirkungspflicht gemäss Art. 8 Abs. 3 AsylG verstossen. Indem den kantonalen Behörden die Aufenthaltsadresse während des bewilligten Urlaubs wie auch eine Mobiltelefonnummer bekannt waren, wäre der Gesuchsteller jederzeit zu erreichen gewesen. Mit der Inanspruchnahme des bewilligten Urlaubsrechts unter diesen Bedingungen und im Rahmen der vorhandenen Erlaubnis hielt sich der Gesuchsteller somit auch während der Abwesenheit von seinem eigentlichen Wohnort den Behörden im Sinne von Art. 8 Abs. 3 AsylG zur Verfügung. Demgegenüber ist dieser Bestimmung entgegen der im Schreiben vom 16. Dezember 2003 geäusserten Ansicht des BFF keine Verpflichtung des Gesuchstellers zu entnehmen, für die Dauer einer mit Kenntnis sowie Erlaubnis der kantonalen Behörden erfolgenden Abwesenheit eine andere Person mit der Entgegennahme allfälliger Postsendungen zu betrauen. Vielmehr ist diesbezüglich auf die zuvor (Erw. 3) gemachten Überlegungen zu verweisen.


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5. Aus den angestellten Erwägungen ergibt sich zusammenfassend, dass der Gesuchsteller im Sinne des Art. 24 Abs. 1 VwVG sowohl binnen zehn Tagen nach Wegfall des Hindernisses ein begründetes Begehren um Wiederherstellung eingereicht und die versäumte Rechtshandlung nachgeholt hat (Erw. 2) als auch unverschuldet davon abgehalten worden ist, innert Frist zu handeln (Erw. 3, 4). Das Gesuch um Wiederherstellung der Frist gemäss Art. 24 VwVG ist somit gutzuheissen, verbunden mit der Feststellung, dass die Beschwerde vom 23. Dezember 2003 rechtzeitig erfolgt ist. Schliesslich wird es am zuständigen Instruktionsrichter der ARK liegen, in Bezug auf die Beschwerde das Bestehen der weiteren Eintretensvoraussetzungen zu prüfen.

 

 

 

 

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