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Auszug aus dem Urteil der ARK vom 25. Juni 2003 i.S. A.D.S., Sri Lanka

Humanitäre Aktion 2000.

Kein Ausschluss von der Humanitären Aktion 2000 aufgrund einer Güterabwägung zwischen der Schwere der begangenen Straftaten (zwei nicht sehr schwere Strassenverkehrsdelikte, welche zudem schon mehre Jahre zurückliegen) und dem Grad der Integration, insbesondere der langen Anwesenheit in der Schweiz und des guten übrigen Verhaltens.

Action humanitaire 2000.

Bénéfice de l'"Action humanitaire 2000" accordé à un demandeur d'asile ayant commis deux infractions à la loi sur la circulation routière - de peu de gravité et remontant à plusieurs années - mais qui, pour le reste, a fait preuve d’un bon comportement au cours de son long séjour en Suisse (mise en balance de la gravité d'un comportement délictueux et du degré d’intégration dans le pays d'accueil).

Azione umanitaria 2000.

Inclusione nell'"Azione umanitaria 2000" - nonostante la commissione, anni addietro, di due infrazioni di poca gravità alla Legge sulla circolazione stradale - in considerazione del grado d'integrazione del richiedente l’asilo, segnatamente della lunghezza del soggiorno in Svizzera e del buon comportamento generale tenuto, fatta astrazione delle menzionate infrazioni.

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Der Beschwerdeführer reichte am 22. Februar 1991 ein Asylgesuch in der Schweiz ein.

Mit Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft X. vom 28. November 1996 wurde der Beschwerdeführer wegen Entwendung eines Fahrzeugs zum Gebrauch, falscher Anschuldigung, Fahren ohne Führerausweis und weiteren Widerhandlungen ge-


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gen das SVG sowie wegen Verletzens von Verkehrsregeln zu einer bedingten Gefängnisstrafe von fünf Tagen verurteilt. Am 21. Juli 1999 verurteilte ihn der Bezirksstatthalter von Y. wegen Fahrens mit übersetzter Geschwindigkeit und Sachbeschädigung zu einer Busse von Fr. 1'000.--.

Am 10. Mai 2000 ersuchte das BFF die zuständige Fremdenpolizei zu prüfen, ob der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für eine vorläufige Aufnahme gemäss Bundesratsbeschluss vom 1. März 2000 betreffend die Humanitäre Aktion 2000 (HUMAK 2000) erfülle. Am 26. Mai 2000 beantragte die Fremdenpolizei den Vollzug der Wegweisung.

Mit Verfügung vom 11. Dezember 2000 stellte das BFF fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, und lehnte das Asylgesuch ab. Gleichzeitig ordnete es die Wegweisung und deren Vollzug aus der Schweiz an. Mit Beschwerde vom 15. Januar 2001 an die ARK beantragte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter, die Verfügung des BFF sei aufzuheben und es sei ihm Asyl zu erteilen. Eventualiter sei er im Rahmen der HUMAK 2000 vorläufig aufzunehmen.

Die ARK heisst die Beschwerde gut, soweit den Vollzug der Wegweisung betreffend, weitergehend weist sie die Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

6. a) Das BFF hat den Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers als möglich, zulässig und auch als zumutbar erachtet und ihm zugleich die vorläufige Aufnahme gestützt auf den BRB vom 1. März 2000 (HUMAK 2000) verweigert. Es begründete dies mit seiner Delinquenz: Personen, die in der Schweiz straffällig geworden oder nicht willens oder in der Lage seien, sich in die in der Schweiz geltende gesellschaftliche Ordnung einzufügen, seien von der Humanitären Aktion 2000 ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten im Strassenverkehr das Leben von Drittpersonen gefährdet. Bei dieser Sachlage seien die Voraussetzungen zur vorläufigen Aufnahme gemäss Bundesratsbeschluss vom 1. März 2000 nicht erfüllt.

b) Das BFF hat seine Praxis hinsichtlich der vorläufigen Aufnahme im Rahmen der HUMAK 2000 in einem Kreisschreiben vom 14. März 2000 über die Behandlung aller bis zum 31. Dezember 1992 eingereichten Asylgesuche, die entweder im Verfahren oder im Vollzug hängig sind (im Folgenden HUMAK-Kreisschreiben) geregelt. […] Gemäss Ziff. 5 des genannten Kreisschreibens wird im Rahmen der HUMAK 2000 nicht vorläufig aufgenommen, wer straffäl-


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lig geworden oder nicht willens oder in der Lage ist, sich in die in der Schweiz geltende gesellschaftliche Ordnung einzufügen. Als straffällig gilt, wer in schwerer oder wiederholter Weise gegen Strafbestimmungen, namentlich gegen das Betäubungsmittelgesetz, das Strafgesetzbuch oder das Strassenverkehrsgesetz verstossen hat. Zugleich wird aber auch festgehalten, dass aufgrund einzelner Bagatelldelikte kein Ausschluss erfolgen solle.

c) Im hier zu beurteilenden Fall braucht nicht vertieft auf die Qualifikation der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten eingegangen zu werden. Ohne die ihm vorzuwerfende Verhaltensweise zu bagatellisieren, ist jedenfalls festzuhalten, dass die von ihm begangenen Delikte nicht als schwere Verstösse gegen die schweizerische (Straf-)Rechtsordnung angesprochen werden können. Entscheidend ist vorliegend indes die Zeitdauer, die seit den aktenkundigen Verurteilungen verflossen ist, sowie das Verhältnis zwischen den Straftaten und der Dauer der Anwesenheit des Beschwerdeführers in der Schweiz. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers als Lenker eines Motorfahrzeugs liegt rund sechseinhalb bzw. vier Jahre zurück, was objektiv eine recht lange Zeitdauer darstellt, während der sich der Beschwerdeführer wohlverhalten hat; dies ist bei der Gewichtung der Fernhalteinteressen der Schweiz mit zu berücksichtigen (vgl. EMARK 2002 Nr. 1, Erw. 4b). Im Verhältnis zu den rund zwölf Jahren, die er sich bereits in der Schweiz aufhält, erscheinen die beiden Delikte auch nicht als geeignet, grundsätzliche Zweifel an der Integrationsfähigkeit des Beschwerdeführers in der Schweiz zu erwecken.

Sodann ist der Beschwerdeführer während seines Aufenthalts in der Schweiz regelmässig einer Erwerbstätigkeit nachgegangen und verfügt über zahlreiche positive Arbeits- und andere Zeugnisse. Namentlich bei seinem gegenwärtigen Arbeitgeber (seit Oktober 2000) gilt er als kompetenter, gewissenhafter und hilfsbereiter Mitarbeiter. Auch die Wohnungsvermieter beurteilen den Beschwerdeführer als freundlichen und korrekten Mitbewohner ihres Hauses. Aufgrund dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass ihm eine günstige Prognose gestellt werden kann. Auch kann der Beschwerdeführer als in der Schweiz integriert betrachtet werden, was wiederum darauf schliessen lässt, dass er nach dem zwölfjährigen Aufenthalt in der Schweiz in seinem Heimatland kaum mehr über ein Beziehungsnetz verfügt. Dies um so mehr, als offensichtlich während seines Aufenthalts in der Schweiz sowohl sein Vater als auch seine Mutter verstorben sind. Vor diesem Hintergrund muss der vom BFF angeordnete Wegweisungsvollzug als unangemessen bezeichnet werden. Dem Beschwerdeführer ist eine Rückkehr nach Sri Lanka nicht zuzumuten und er ist in der Schweiz vorläufig aufzunehmen. Es wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allfällige weitere Verfehlungen in strafrechtlicher Hinsicht die Aufhebung der vorläufigen Aufnahme und den Vollzug der Wegweisung zur Folge haben könnten.


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d) Bei diesem Ergebnis braucht nicht geprüft zu werden, ob die vom BFF angeordnete Wegweisung des Beschwerdeführers in sein Heimatland aus einem andern Grund nicht vollziehbar wäre, etwa weil diese Massnahme zu einer schwerwiegenden persönlichen Notlage im Sinne von Art. 44 Abs. 3 AsylG führen würde.

 

 

 

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