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Auszug aus dem Urteil der ARK vom 3. März 2003 i.S. M. F., Türkei

Art. 63 AsylG, Art. 1 C FK: Widerruf des Asyls; Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft.

1. Der Widerruf des Asyls wegen "besonders verwerflichen strafbaren Handlungen" gemäss Art. 63 Abs. 2 AsylG setzt eine qualifizierte Asylunwürdigkeit voraus, d.h. eine schwerere Straftat, als sie für den Ausschluss von der Asylgewährung wegen "verwerflichen Handlungen" im Sinne von Art. 53 AsylG genügen würde. Im konkreten Fall wird dies aufgrund einer Verurteilung zu vier Jahren Zuchthaus u.a. wegen bewaffnetem Raubüberfall bejaht (Erw. 7).

2. Für die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen nachträglich entstandener Asylunwürdigkeit fehlt indessen die Rechtsgrundlage. Dies gilt auch dann, wenn der Beschwerdeführer nur die abgeleitete (derivative) und nicht die originäre Flüchtlingseigenschaft besitzt. Dieser Unterschied in der Entstehung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. EMARK 1997 Nr. 1) hat allein eine Schranke der Weiterübertragung, dagegen keine unterschiedliche Rechtsstellung zur Folge. Für die Aberkennung sind daher einzig die in Art. 1 C FK vorgesehenen Gründe massgeblich; die Begehung von Straftaten im Gastland fällt nicht darunter (Erw. 8).

3. Ob sich eine Ausnahme vom Refoulementverbot (Art. 5 Abs. 2 AsylG bzw. Art. 33 Abs. 2 FK) rechtfertige, ist demgegenüber nicht Prozessgegenstand des vorliegenden Verfahrens (Erw. 3 und 6a).

Art. 63 LAsi, art. 1 C Conv. : révocation de l'asile ; reconnaissance de la qualité de réfugié.

1. La révocation de l'asile pour des "actes délictueux particulièrement répréhensibles" au sens de l'art. 63 al. 2 LAsi suppose une indignité qualifiée. Satisfait à cette condition, la commission d'un délit plus grave que celui qui conduit à l'exclusion de l'asile "en raison d'actes répréhensibles" comme le prévoit l'art. 53 LAsi. Ainsi en va-t-il, comme en l'espèce, d'une attaque à main armée ayant entraîné une condamnation à quatre ans de réclusion.


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2. Cependant, s'agissant de la révocation de la qualité de réfugié pour des motifs d'indignité survenus postérieurement, il manque une base légale. Il en est de même des situations où le recourant bénéficie de la qualité de réfugié, non pas à titre originel, mais à titre dérivé ; si cette différence dans l'origine de la qualité de réfugié a, en particulier, pour conséquence une limitation de la transmission de la qualité de réfugié (cf. JICRA 1997 n° 1), elle n'en a toutefois aucune en ce qui concerne le statut juridique. Autrement dit, en matière de révocation, seuls sont déterminants les motifs prévus à l'art. 1 C Conv.. Ainsi, la commission de délits dans le pays d'accueil ne tombe pas sous le coup de cette disposition (consid. 8).

3. La question de savoir si une exception au principe de non-refoulement (art. 5 al. 2 LAsi et art. 33 al. 2 Conv.) se justifie sort du cadre de la présente procédure (consid. 3 et 6a).

Art. 63 LAsi, art. 1 C Conv: revoca dell'asilo; disconoscimento della qualità di rifugiato.

1. La revoca dell'asilo a causa della commissione di reati particolarmente riprensibili ai sensi dell'art. 63 cpv. 2 LAsi presuppone un'indegnità qualificata, segnatamente la perpetrazione di un reato più grave del semplice atto riprensibile di cui all'art. 53 LAsi, ostativo alla concessione dell'asilo. Nel caso concreto, la condanna a quattro anni di reclusione, per rapina a mano armata, adempie la menzionata condizione (consid. 7).

2. Non v'è base legale per il disconoscimento della qualità di rifugiato in seguito alla perpetrazione in Svizzera di un reato particolarmente riprensibile, indipendentemente dal fatto se il ricorrente beneficia della qualità di rifugiato a titolo originario o derivato, circostanza, quest'ultima, che ha conseguenze sulla trasmissibilità della qualità di rifugiato medesima (GICRA 1997 n. 1), ma non sullo statuto giuridico. In altri termini, per il disconoscimento della qualità di rifugiato sono determinanti i motivi previsti all'art. 1 C Conv., tra i quali non è ricompresa la commissione di reati particolarmente riprensibili nel Paese ospitante (consid. 8).

3. Ritenuto che l'esame dell'esecuzione dell'allontanamento non è oggetto della presente vertenza, non è dato esaminare se si giustifichi un'ecce-

 


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zione al divieto di respingimento (art. 5 cpv. 2 LAsi, art. 33 cpv. 2 Conv.) (consid. 3 e 6a).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Der Beschwerdeführer, Kurde aus der Türkei, reiste am 13. März 1987 als Minderjähriger zu seinem in der Schweiz als Flüchtling anerkannten Bruder und stellte am 17. März 1987 ein Asylgesuch.

Das BFF stellte mit Verfügung vom 2. Oktober 1987 fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, und lehnte das Asylgesuch ab; gegen diese Verfügung wurde Beschwerde erhoben. Während hängigem Beschwerdeverfahren ersuchte der Beschwerdeführer ausserdem mit Eingabe vom 11. April 1988 um Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft seiner Geschwister.

Am 31. August 1988 erteilte das BFF dem Beschwerdeführer wiedererwägungsweise Asyl; das noch hängige Beschwerdeverfahren wurde damit gegenstandslos.

Der Beschwerdeführer wurde am 23. November 2001 vom Appellationsgericht des Kantons X. wegen qualifizierten Raubes und Widerhandlung gegen das Waffengesetz zu 4 Jahren Zuchthaus und 12 Jahren Landesverweis verurteilt. Bereits zuvor war der Beschwerdeführer mit Urteil des Strafamtsgerichts Y. am 26. Februar 1998 wegen einfacher Körperverletzung, mehrfacher Gefährdung des Lebens, Sachbeschädigung, Nötigung, Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und Widerhandlung gegen die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch türkische Staatsangehörige zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von 22 Monaten und fünf Jahren Landesverweisung verurteilt worden. Am 24. Januar 1991 schliesslich hatte das Bezirksgericht Z. den Beschwerdeführer wegen einfacher Körperverletzung mit einem gefährlichen Werkzeug, falscher Anschuldigung und Beschimpfung zu einer (bedingten) Gefängnisstrafe von 30 Tagen sowie zu einer Busse in Höhe von 200.-- verurteilt.

Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs widerrief das BFF mit Verfügung vom 1. November 2002 das seinerzeit gewährte Asyl und aberkannte dem Beschwerdeführer dessen Flüchtlingseigenschaft. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer am 29. November 2002 Beschwerde.

Das BFF schloss mit Vernehmlassung vom 7. Januar 2003 auf Abweisung der Beschwerde.

 


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Die ARK heisst die Beschwerde betreffend Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gut. Betreffend Asylwiderruf weist die ARK die Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

3. In der Bundesverwaltungsrechtspflege bestimmt sich der Prozessgegenstand gemäss dem Dispositiv der angefochtenen Verfügung, soweit dieses in den Rechtsbegehren der Beschwerdeschrift bestritten wird (vgl. F. Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 42 ff.). Prozessgegenstand im vorliegenden Beschwerdeverfahren sind demnach - den beiden Dispositivziffern der angefochtenen Verfügung zufolge - einzig die Fragen des Asylwiderrufs und der Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft; beide Dispositivziffern werden vom Beschwerdeführer angefochten.

Fragen der Wegweisung oder des Wegweisungsvollzuges werden demgegenüber vom Dispositiv der angefochtenen Verfügung nicht beschlagen; auf das Rechtsbegehren betreffend Feststellung der Unzulässigkeit eines Wegweisungsvollzuges ist demnach nicht einzugehen.

Ebenso sind Fragen betreffend die Feststellung, ob allenfalls die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulement-Schutz gemäss Art. 5 Abs. 2 AsylG beziehungsweise Art. 33 Abs. 2 FK erfüllt seien, nicht Prozessgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.

4. Die vorinstanzliche Vernehmlassung vom 7. Januar 2003 wurde dem Beschwerdeführer bis anhin nicht zur Kenntnis gebracht oder zur Stellungnahme unterbreitet. Die Erwägungen, die das BFF in dieser Vernehmlassung darlegt, beziehen sich ausschliesslich darauf, ob der Beschwerdeführer - selbst wenn ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht abzuerkennen wäre und er demnach weiterhin als Flüchtling gelten würde - sich jedenfalls angesichts der von ihm begangenen Delikte nicht auf den Non-Refoulement-Schutz des AsylG und der FK berufen könne. Wie vorstehend festgestellt, werden indessen diese Fragen vom Prozessgegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht umfasst; aus prozessökonomischen Gründen hat die ARK daher bis anhin auf eine Gewährung des rechtlichen Gehörs in diesem Zusammenhang verzichtet, und die Vernehmlassung vom 7. Januar 2003 wird dem Beschwerdeführer zusammen mit dem vorliegenden Urteil zur Kenntnis gebracht.

5. Vorauszuschicken ist, dass dem Beschwerdeführer offenbar ein Laissez Passer durch das türkische Konsulat in Zürich ausgestellt wurde, obwohl das Verfahren vor den Asylbehörden noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Dieses


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Vorgehen verletzt Verfahrensvorschriften; ob sich dies allerdings für den Beschwerdeführer nachteilig auswirken könnte, insbesondere ob sich daraus objektive Nachfluchtgründe ergeben, kann vorliegend aufgrund der nachfolgenden Erwägungen offen bleiben.

6.a) Art. 63 AsylG regelt die Fragen der Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft und des Widerrufs des Asyls.

Die Flüchtlingseigenschaft wird durch das BFF aberkannt, wenn die ausländische Person sie durch falsche Angaben oder Verschweigen wesentlicher Tatsachen erschlichen hat, beziehungsweise wenn Gründe im Sinne der Beendigungsklauseln der Flüchtlingskonvention (nämlich Art. 1 Bst. C Ziffern 1 - 6 FK) erfüllt sind (vgl. Art. 63 Abs. 1 AsylG). Festzuhalten ist ausdrücklich, dass die FK einen Aberkennungsgrund wegen im Gastland begangener Straftaten nicht kennt. Diesbezüglich ist immerhin darauf hinzuweisen, dass sich eine Person grundsätzlich nicht mehr auf das asyl- beziehungsweise flüchtlingsrechtliche Rückschiebungsverbot berufen kann, wenn erhebliche Gründe dafür vorliegen, dass sie die Sicherheit des Gastlandes gefährdet oder eine Bedrohung für die Gemeinschaft dieses Landes bedeutet (vgl. Art. 5 Abs. 2 AsylG und Art. 33 Abs. 2 FK; W. Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, Basel/Frankfurt a.M. 1990, S. 181). Die Beziehung dieser Bestimmungen zu Art. 25 Abs. 2 BV bleibt zu klären. Diese Fragen bilden jedoch wie in Erw. 3 in fine erwähnt nicht Prozessgegenstand dieses Verfahrens.

Das Asyl wird durch das BFF widerrufen, wenn die ausländische Person es durch falsche Angaben oder Verschweigen wesentlicher Tatsachen erschlichen hat (Art. 63 Abs. 1 Bst. a AsylG). Weiter wird das Asyl widerrufen, wenn Flüchtlinge die innere oder die äussere Sicherheit der Schweiz verletzt haben, gefährden oder besonders verwerfliche strafbare Handlungen begangen haben (vgl. Art. 63 Abs. 2 AsylG).

b) Mit den Fragen des Widerrufs des Asyls befassen sich die Ausführungen in der nachstehenden Erwägung 7; auf die Problematik der Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft ist in der nachfolgenden Erwägung 8 Bezug zu nehmen.

7. Soweit den Widerruf des gewährten Asyls betreffend, den die Vorinstanz gestützt auf Art. 63 Abs. 2 AsylG angeordnet hat, ist die angefochtene Verfügung nicht zu beanstanden. Die Erwägungen der Vorinstanz erweisen sich in dieser Hinsicht als zutreffend; ebenso wird der Widerruf des Asyls in der angefochtenen Verfügung hinlänglich begründet.

[...]


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Zu Recht betrachtet die Vorinstanz die vom Beschwerdeführer begangenen Delikte als besonders verwerfliche strafbare Handlungen im Sinne des Art. 63 Abs. 2 AsylG. In gefestigter Praxis (vgl. etwa W. Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, Basel/Frankfurt am Main 1990, S. 173 ff.; A. Achermann/Ch. Hausammann, Handbuch des Asylrechts, 2. Aufl., Bern/Stuttgart 1991, S. 160 ff.; A. Achermann, Der Ausschluss vom Asyl wegen Asylunwürdigkeit, in ASYL 1989/1 S. 3 ff.) werden als "verwerfliche Handlungen", welche die Asylunwürdigkeit gemäss Art. 53 AsylG nach sich ziehen, diejenigen Delikte aufgefasst, die dem abstrakten Verbrechensbegriff von Art. 9 StGB entsprechen. Die in Art. 63 Abs. 2 AsylG vorausgesetzten "besonders verwerflichen Handlungen" müssen qualitativ eine Stufe über den einfachen verwerflichen Handlungen stehen. Das heisst, bei einer "besonders verwerflichen Handlung" muss es sich um eine Straftat mit erheblicher Strafandrohung und einer gewissen Intensität handeln (vgl. W. Stöckli in: Uebersax/ Münch/Geiser/Arnold, Ausländerrecht, Basel 2002, Rz 8.63). Bei der Würdigung eines Delikts als verwerfliche oder als besonders verwerfliche Handlung im Sinne von Art. 53 und Art. 63 Abs. 2 AsylG muss allerdings der Grundsatz der Verhältnismässigkeit beachtet werden (vgl. Kälin, a.a.O., S. 185). Nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip muss eine behördliche Anordnung zunächst geeignet und erforderlich sein, um ein angestrebtes Ziel zu erreichen. Darüber hinaus muss aber auch eine Ausgewogenheit hinsichtlich Eingriffsschwere und Gewicht des verfolgten öffentlichen Interesses gegeben sein (sogenannte Verhältnismässigkeit im engeren Sinne), das heisst der mit einer behördlichen Anordnung verbundene Eingriff darf im Vergleich zur Bedeutung des verfolgten öffentlichen Interesses nicht unangemessen schwer wiegen (vgl. J.P. Müller, Elemente einer schweizerischen Grundrechtstheorie, Bern 1982, S. 132 ff.). Der Beschwerdeführer hat unter anderem einen bewaffneten Raubüberfall begangen, was besonders schwer zu gewichten ist, da die entsprechende Strafandrohung Zuchthaus oder Gefängnis nicht unter einem Jahr lautet (vgl. Art. 140 Abs. 2 StGB) und der Beschwerdeführer zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist. Damit sind die Voraussetzungen der hohen Strafandrohung wie auch der gewissen Intensität der Straftat zweifellos erfüllt. An dieser Einschätzung vermag auch die persönliche Situation des Beschwerdeführers nichts zu ändern. Es ist ausserdem festzustellen, dass der Widerruf des Asyls nicht automatisch die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft nach sich zieht. Mit dem Entzug des Asylstatus sind [im vorliegenden Fall] noch nicht derart unzumutbare Nachteile verbunden, dass dadurch der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt würde.

Bei dieser Sachlage und in Würdigung der gesamten Umstände und Vorbringen des Beschwerdeführers ist zusammenfassend festzustellen, dass der Asylwiderruf zu Recht erfolgt ist. Es erübrigt sich, auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde im Einzelnen näher einzugehen.


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8. a) Was die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft betrifft, führte die Vorinstanz in der angefochtenen Verfügung zur Begründung an, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht originär aufgrund seiner eigenen Vorbringen, sondern vielmehr derivativ, indem sie ihm nämlich allein aufgrund des Einbezugs in die Flüchtlingseigenschaft seiner Geschwister zuerkannt worden sei. Aus diesem Grund könne die seinerzeit derivativ erlangte Flüchtlingseigenschaft dem Beschwerdeführer aberkannt werden; eine Prüfung von Art. 5 Abs. 2 AsylG könne offen bleiben.

b) Diesbezüglich ist vorab festzuhalten, dass aus der Verfügung vom 31. August 1988, mit der dem Beschwerdeführer seinerzeit Asyl gewährt worden ist, nicht hervorgeht, ob damals die Flüchtlingseigenschaft in einem originären oder in einem derivativen Sinne bejaht worden sei. Zum damaligen Zeitpunkt war ein Gesuch um Asyl im Sinne des Familiennachzuges wie auch eine Beschwerde gegen den abweisenden Asylentscheid bei der damals zuständigen Rekursinstanz hängig. Aus der Verfügung des BFF vom 31. August 1988 geht nicht hervor, aufgrund welcher Bestimmung der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft erfülle.

Um die originäre Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu verneinen, wäre sodann jedenfalls aufgrund der aktuell bestehenden Situation zu würdigen gewesen, inwiefern der Beschwerdeführer heute keine begründete Furcht vor flüchtlingsrechtlich relevanter Verfolgung im Heimatland in glaubhafter Weise mehr aufzeigen könne. Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang verschiedene Vorbringen geltend, die betreffend die Frage einer begründeten Furcht vor zukünftiger Verfolgung in der Türkei von Relevanz sein könnten; insbesondere die Hinweise auf seine Herkunft aus einer erwiesenermassen politisch aktiven Familie sowie auf die exilpolitischen Aktivitäten des Beschwerdeführers selber sowie auch seiner Familienmitglieder sind diesbezüglich zu erwähnen. In der Tat gehen aus den Akten exilpolitische Aktivitäten des Beschwerdeführers hervor; so wurde gegen ihn offenbar in Deutschland ein Verfahren wegen Besitzes einer Fahne zu Demonstrationszwecken angestrebt, und im Urteil des Appellationsgerichtes [...] wurde auf die PKK-Nähe des Beschwerdeführers hingewiesen. Diese Umstände wurden von der Vorinstanz bei ihren Erwägungen, der Beschwerdeführer erfülle jedenfalls die Flüchtlingseigenschaft nicht in originärem Sinne, nicht in hinlänglicher Weise berücksichtigt, was im Hinblick auf den politischen Hintergrund der Familie des Beschwerdeführers und die Tatsache, dass ihm in der Türkei allenfalls auch der Militärdienst noch bevorsteht, nicht gerechtfertigt erscheint. Soweit die Vorinstanz demgegenüber auf die Tatsache hinweist, dem Beschwerdeführer sei vor 15 Jahren, im Jahr 1987, ein Pass ausgestellt worden, vermag dies offenkundig kaum etwas darüber zu besagen, inwiefern dem Beschwerdeführer heute auf-


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grund seiner eigenen politischen Exilaktivitäten oder aufgrund der Aktivitäten seiner Angehörigen allenfalls eine Verfolgung drohe.

c) Selbst wenn indessen feststünde, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht in originärem, sondern in derivativem Sinne erfülle, würde sich die Auffassung der Vorinstanz als unzutreffend erweisen, dass diesfalls die Flüchtlingseigenschaft aufgrund der in der Schweiz begangenen Straftaten aberkannt werden könne.

Dem schweizerischen Asylgesetz liegt ein einziger und einheitlicher Flüchtlingsbegriff zu Grunde. Bei der Unterscheidung zwischen originärer oder derivativer Flüchtlingseigenschaft (beziehungsweise zwischen materieller und formeller Flüchtlingseigenschaft) handelt es sich nicht um eine vom Gesetz vorgenommene Differenzierung, sondern um eine in der Praxis aufgegriffene dogmatische Unterscheidung (vgl. ausführlich EMARK 1997 Nr. 1), der aber im Asylgesetz nicht unterschiedliche Begriffe oder ein anderer Rechtsstatus entsprechen. Namentlich hat sich auch die Aberkennung der (derivativen) Flüchtlingseigenschaft an die im Asylgesetz vorgesehenen Grundlagen zu halten, mit denen auf die massgeblichen Bestimmungen der FK verweisen wird (wobei Art. 1C Ziffern 1 - 6 FK, wie bereits in Erw. 6a) erwähnt, namentlich eine Aberkennung wegen im Gastland begangener Straftaten nicht vorsieht). Die in der Praxis in anderweitigem Zusammenhang (nämlich betreffend der Frage, ob die Flüchtlingseigenschaft erneut von einem Flüchtling abgeleitet werden könne, der seinerseits die Flüchtlingseigenschaft bereits von einer anderen Person abgeleitet hat; vgl. EMARK 1997 Nr. 1) vorgenommene dogmatische Unterscheidung zwischen originärer und derivativer Flüchtlingseigenschaft vermag dabei offenkundig einen neuen, im Gesetz nicht vorgesehenen Aberkennungsgrund nicht zu schaffen. Auf den massgeblichen Art. 63 AsylG vermag sich die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers nicht zu stützen.

d) Betreffend die Problematik der Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft ergibt sich nach dem Gesagten zusammenfassend, dass die Frage der originären Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers im bisherigen Verfahren vom BFF nicht hinlänglich untersucht oder gewürdigt worden ist, dass diese Frage indessen vorliegend von der ARK letztlich offengelassen werden kann.

Selbst wenn der Beschwerdeführer nämlich die Flüchtlingseigenschaft nur in einem derivativen Sinne erfüllen würde, würde es an einer gesetzlichen Grundlage fehlen, auf die sich eine Aberkennung aus Gründen der im Gastland begangenen Delinquenz abstützen liesse.


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9. a) Die angefochtene Verfügung ist demnach, soweit den Widerruf des Asyls betreffend, mithin in Ziffer 2 des Verfügungsdispositivs, zu bestätigen; insoweit ist die Beschwerde abzuweisen.

Demgegenüber ist die Beschwerde, soweit die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft betreffend, gutzuheissen, und die angefochtene Verfügung ist in diesem Punkt - mithin in Ziffer 1 des Verfügungsdispositivs - aufzuheben. Der Beschwerdeführer besitzt weiterhin die Flüchtlingseigenschaft.

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