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Auszug aus dem Urteil der ARK vom 19. Oktober 2001 i.S. N. K. M., Pakistan

Art. 44 Abs. 3 AsylG, Art. 14a Abs. 4 ANAG: Schwerwiegende persönliche Notlage; Kombination mit Elementen der Unzumutbarkeit.

  1. Situation der Ahmadis in Pakistan: Aktualisierte Lagebeurteilung und Bestätigung der Rechtsprechung (Erw. 4 und Erw. 7c und d).

  2. Vorläufige Aufnahme aufgrund einer Kombination von Elementen der Unzumutbarkeit mit solchen einer schwerwiegenden persönlichen Notlage (Bestätigung von EMARK 2001 Nr. 10, S. 74) (Erw. 7e und f).

Art. 44 al. 3 LAsi, art. 14a al. 4 LSEE : cas de détresse personnelle grave ; combinaison avec des éléments d'inexigibilité de l'exécution du renvoi.

  1. Situation des Ahmadis au Pakistan : actualisation de l'analyse de situation du pays et confirmation de la jurisprudence (consid. 4, 7c et d).

  2. Admission provisoire accordée sur la base d'une combinaison d'éléments d'inexigibilité et d'éléments apparentés au cas de détresse personnelle grave (confirmation de la jurisprudence parue sous JICRA 2001 n° 10, p. 74) (consid. 7e et f).

Art. 44 cpv. 3 LAsi, art. 14a cpv. 4 LDDS: caso di rigore personale grave; combinazione con motivi d'inesigibilità dell'esecuzione dell'allontanamento.

  1. Situazione degli "Ahmadi" in Pakistan: aggiornamento dell'analisi della situazione nel Paese e conferma della giurisprudenza (consid. 4, 7c-d).

  2. Ammissione provvisoria accordata in virtù di una combinazione di motivi d'inesigibilità con motivi di un caso di rigore personale grave (conferma della giurisprudenza di cui a GICRA 2001 n. 10, pag. 74) (consid. 7e-f).


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Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die Beschwerdeführer - eine Familie mit drei Kindern - reisten am 19. Dezember 1993 auf dem Luftweg aus Pakistan in die Schweiz ein, wo sie am darauffolgenden Tag ein Asylgesuch einreichten. Zur Begründung machten sie geltend, der Ahmadiyya-Religionsgemeinschaft anzugehören und aus diesem Grund in ihrer Heimat verfolgt worden zu sein.

Am 29. April 1994 wurde ein viertes Kind geboren.

Mit Verfügung vom 10. Januar 1995 wies das BFF das Asylgesuch der Beschwerdeführer ab und ordnete ihre Wegweisung aus der Schweiz an. Die Vorinstanz begründete ihren Entscheid im Wesentlichen mit der Unglaubhaftigkeit der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdeführer, verneinte deren Flüchtlingseigenschaft und bezeichnete den Vollzug der Wegweisung als möglich, zulässig und zumutbar und verfügte zudem die Einziehung der als Fälschung qualifizierten Beweismittel.

Mit Beschwerde vom 9. Februar 1995 fochten die Beschwerdeführer die Verfügung des BFF bei der ARK an.

In ihrer Vernehmlassung vom 16. März 1995 schloss die Vorinstanz auf Abweisung der Beschwerde.

Nach Einholung einer amtsinternen Übersetzung der im Beschwerdeverfahren eingereichten Dokumente führte die ARK am 29. April 1997 eine Botschaftsabklärung durch. Deren Ergebnis wurde den Beschwerdeführern am 4. August 1997 zur Stellungnahme unterbreitet.

Am 30. Januar 1998 beziehungsweise 20. Dezember 1999 wurden zwei weitere Kinder geboren.

Die Vorinstanz reichte am 8. September 2000 ihre Stellungnahme hinsichtlich Vorliegens einer schwerwiegenden persönlichen Notlage gemäss Art. 44 Abs. 3 AsylG ein. Sowohl die Fremdenpolizei wie auch das BFF beantragten den Vollzug der Wegweisung.

Auf Ersuchen der Vertreterin der Beschwerdeführer reichte Amnesty International am 19. Dezember 2000 eine Stellungnahme betreffend Gefährdung der Beschwerdeführer in Pakistan wegen deren Zugehörigkeit zur Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft zu den Akten.


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Am 4. September 2001 ist der am 29. Oktober 1990 geborene Sohn T. an den Folgen eines Unfalls verstorben.

Die ARK heisst die Beschwerde teilweise gut und weist das BFF an, die Beschwerdeführer wegen Bestehens einer schwerwiegenden persönlichen Notlage vorläufig aufzunehmen.

Aus den Erwägungen:

4.a) Die Beschwerdeführer sind unbestrittenermassen Angehörige der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft. Sie machen in ihrer Beschwerde vorab geltend, alle Mitglieder dieser Gemeinde seien in Pakistan allein schon wegen ihres Glaubens staatlicher Verfolgung ausgesetzt, mithin sei von einer Kollektivverfolgung der pakistanischen Ahmadis auszugehen.

b) Die ARK hat im Jahre 1996 eine grundsätzliche Beurteilung der allgemeinen Situation der Ahmadi in Pakistan vorgenommen (vgl. EMARK 1996 Nr. 21; EMARK 1996 Nr. 22). Den publizierten Entscheiden ist zu entnehmen, dass die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft der Ahmadi zum Teil schwerwiegenden Anfeindungen und Übergriffen seitens Andersgläubiger ausgesetzt sind, da sie von den orthodoxen Muslimen, welche ihnen die Leugnung von fundamentalen Glaubenssätzen vorwerfen, als Abtrünnige angesehen werden. Sie sind in der freien, öffentlichen Ausübung ihres Glaubens eingeschränkt und werden von den Andersgläubigen schikaniert. Auch massive Übergriffe auf Ahmadi waren und sind in Einzelfällen zu beobachten, wie dies auch aus der von Amnesty International eingereichten Stellungnahme vom 19. Dezember 2000 hervorgeht. Der pakistanische Staat hat durch seine Gesetzgebung mit zur unbefriedigenden Situation der Ahmadi beigetragen; die einzelnen Mitglieder der Glaubensgemeinschaft werden jedoch von den Behörden nicht systematisch verfolgt.

c) Die oben zusammenfassend skizzierte Lagebeurteilung erscheint auch unter Berücksichtigung des in Pakistan zwischenzeitlich erfolgten Militärputsches weiterhin als zutreffend; es liegen keine objektiven Hinweise vor, welche auf eine insgesamt massgebliche Veränderung der allgemeinen Lage, in der sich die Ahmadi befinden, hindeuten würden. Insbesondere ist davon auszugehen, dass die Ausübung des Glaubens für Ahmadi im privaten Bereich weniger problematisch ist. Dem offenbar zu verzeichnenden Rückgang der Anzeigen auf der Grundlage der Blasphemie-Strafnormen scheinen vermehrte Übergriffe seitens radikaler Sunniten gegenüber zu stehen. Nach wie vor sind von staatlichen Verfolgungsmassnahmen lediglich ein zahlenmässig kleiner Teil der Angehörigen der grossen Ahmadigemeinde betroffen, insbesondere solche, die sich in der Öf-


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fentlichkeit für ihren Glauben einsetzten. Die Frage, ob Übergriffe Dritter indirekt der Staat zu verantworten habe, kann an dieser Stelle offen bleiben, da die allgemeinen Diskriminierungen und Nachstellungen nicht geeignet sind, eine genügend intensive Verfolgung aller Mitglieder der Glaubensgemeinschaft zu begründen. Die ARK geht daher in ihrer konstanten Rechtsprechung weiterhin nicht vom Vorliegen einer Kollektivverfolgung der Ahmadi in dem Sinne aus, dass jedes Mitglied der Ahmadiyya-Gemeinschaft Anlass habe, individuell eine Verfolgung befürchten zu müssen. Eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung erscheint als nicht angezeigt. Insgesamt ist damit an der Praxis festzuhalten, wonach von der allgemeinen Lage der Ahmadi nicht generell auf eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungssituation des Einzelnen geschlossen werden kann. Zu prüfen ist somit im Folgenden, ob die Beschwerdeführer selbst individueller staatlicher Verfolgung ausgesetzt waren, beziehungsweise ob sie eine solche begründeterweise befürchten müssen.

[...]

7. [...]

c) Wie den vorstehenden Erwägungen entnommen werden kann, ist es den Beschwerdeführern nicht gelungen, eine gemäss Art. 3 AsylG relevante Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen; mithin erfüllen die Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht. Nach dem Gesagten ist eine Rückkehr in ihren Heimatstaat unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig. Die Normen des flüchtlingsrechtlichen Non-refoulements (Art. 5 AsylG, Art. 25 Abs. 2 BV, Art. 33 FK) schützen nur Personen, welche die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG beziehungsweise Art. 1 A FK erfüllen. Auf abgewiesene Asylbewerber mit fehlender Flüchtlingseigenschaft findet dieses Rückschiebungsverbot keine Anwendung.

Sodann ergeben sich trotz der schwierigen Situation der Ahmadi in Pakistan weder aus den Aussagen der Beschwerdeführer noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass ihnen für den Fall einer Ausschaffung nach Pakistan dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung drohen würde. Gemäss Praxis der Strassburger Organe sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohe [...]. Die allgemeine Menschenrechtslage in Pakistan lässt eine Rückschaffung nicht als unzulässig erscheinen. Allein mit der Zugehörigkeit zur Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft und den damit verbundenen Benachteiligungen oder mit dem Hin-


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weis auf das allenfalls bevorstehende Strafverfahren ist ein Gefährdungsrisiko im Sinne von Art. 3 EMRK nicht dargetan.

d. aa) Gemäss Art. 14a Abs. 4 ANAG kann der Vollzug der Wegweisung insbesondere dann nicht zumutbar sein, wenn er für den Ausländer eine konkrete Gefährdung darstellt. Art. 14a Abs. 4 ANAG ist als "Kann"-Bestimmung formuliert, um deutlich zu machen, dass die Schweiz hier nicht in Erfüllung einer völkerrechtlichen Verpflichtung, sondern aus humanitären Gründen handelt (Botschaft zum AVB, BBl 1990 II 668). Konkret gefährdet sind unter anderem Gewaltflüchtlinge, d. h. Personen, welche ohne individuell verfolgt zu sein, den Folgen von Bürgerkrieg, Unruhen, Unterdrückung oder verbreiteter schwerer Menschenrechtsverletzungen zu entfliehen suchen oder Personen, die aufgrund persönlicher Umstände (Krankheit, Alter etc.) nicht in ihr Heimatland zurückkehren können, ohne konkret einer Gefährdung ausgesetzt zu werden. Zur Beurteilung einer konkreten Gefährdung im Sinne der gesetzgeberischen Absicht sind humanitäre Überlegungen massgebend.

bb) Angehörige der Ahmadiyya sehen sich in Pakistan in ihrem religiösen Leben in einschneidender Weise eingeschränkt: Indem die Ahmadi sich als Muslime verstehen, gerade dies jedoch von der pakistanischen Rechtsordnung bestritten wird, stellt bereits ihre Glaubensüberzeugung an sich in den Augen orthodoxer Muslime eine Anmassung und Verhöhnung des "wahren" muslimischen Glaubens dar. Sämtliche Formen, mit denen die Ahmadi ihren - dem eigenen Selbstverständnis zufolge - muslimischen Glauben ausdrücken und ausüben, können daher bewirken, dass orthodoxe Muslime sich in ihrem religiösen Empfinden beleidigt und ihren wahren Glauben beeinträchtigt sehen, und vermögen Reaktionen der Betroffenen (und grundsätzlich auch strafrechtliche Verfolgung) auszulösen. Den Ahmadi wird mithin ein religiöses Leben gemäss ihren eigenen Vorstellungen untersagt; wollen sie sich nicht der pakistanischen Rechtsordnung gemäss strafbar machen, sehen sie sich gezwungen, auf bestimmte Äusserungen ihres Glaubensbekenntnisses, inklusive alltägliche Gruss- und Wunschformeln, zu verzichten und ihre religiöse Identität insoweit in der Öffentlichkeit zu verleugnen.

cc) Die ARK trägt der geschilderten besonderen Situation der Ahmadi in Pakistan dadurch Rechnung, dass bereits die Zugehörigkeit zu dieser Glaubensgemeinschaft praxisgemäss als "starkes Indiz" für die Annahme der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs qualifiziert wird, wobei die Beurteilung der Zumutbarkeit des Vollzugs im Einzelfall nach den Regeln der Individualprüfung vorzunehmen ist. Pragmatisch ausgedrückt bedeutet diese Praxis, dass die "Grenze" zur Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs schon allein aufgrund der Tatsache der Zugehörigkeit zur Ahmadiyya beinahe erreicht wird. Die nahe-


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liegende Frage, was es denn zum Überschreiten der erwähnten Grenzlinie im konkreten Einzelfall "braucht", ist folgendermassen zu beantworten: Die Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs ist anzunehmen, wenn sich aus der persönlichen Situation des betreffenden Asylbewerbers ein "zusätzliches" - das heisst über die schwierige Alltagslage der Ahmadi hinausgehendes - individuelles Gefährdungsindiz ergibt. Zusätzliche Indizien im erwähnten Sinne können sich beispielsweise aus einer besonderen Stellung innerhalb der Glaubensgemeinschaft der Ahmadi ergeben. Die leitenden religiösen Funktionäre können beispielsweise einer besonderen Gefährdungssituation ausgesetzt sein, da sie sich regelmässig in einer erkennbaren und dadurch potentiell gefährdenden Weise exponieren müssen. Als zusätzliches Gefährdungskriterium dürfte auch eine herausragende Stellung von Ahmadi innerhalb der pakistanischen Gesamtgemeinschaft zu werten sein, wie etwa eine auffällige politische Funktion. Schliesslich berechtigen unter Umständen auch bereits erlittene Nachteile - quasi im Sinne eines "Tatbeweises" - zur Annahme einer überdurchschnittlichen Gefährdungssituation: Zu denken ist hierbei an über das alltägliche Mass hinausgehende Nachstellungen durch Private (vgl. EMARK 1996 Nr. 21; EMARK 1996 Nr. 22).

dd) Ob aus den glaubhaft dargelegten Vorkommnissen aus dem Jahre 1987 auf Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges im Sinn der zitierten Rechtsprechung zu schliessen und allein schon deshalb die vorläufige Aufnahme anzuordnen ist, kann indessen mit Blick auf die nachfolgenden Erwägungen offen gelassen werden.

e) Eine vorläufige Aufnahme kann auch in Fällen einer schwerwiegenden persönlichen Notlage angeordnet werden, sofern vier Jahre nach Einreichung des Asylgesuches noch kein rechtskräftiger Entscheid ergangen ist (Art. 44 Abs. 3 AsylG i.V.m. Art. 14a Abs. 4bis ANAG). Dabei sind insbesondere die Integration in der Schweiz, die familiären Verhältnisse und die schulische Situation der Kinder zu berücksichtigen (Art. 44 Abs. 4 AsylG).

Eine Kombination von individuellen Unzumutbarkeitsaspekten im Sinne von Art. 14a Abs. 4 ANAG mit den unter dem Geltungsbereich von Art. 44 Abs. 3 und 4 AsylG erkannten Umständen ist nach Lehre und Praxis zulässig. Dies ergibt sich aus der Absicht des Gesetzgebers, die oft als künstlich empfundene und sachgerechten Endergebnissen im Wege stehende strikte Trennung solcher Faktoren aufzuheben (vgl. hierzu ausführlich das Grundsatzurteil der ARK vom 1. Mai 2001, EMARK 2001 Nr. 10, S. 74, m.w.H.).

aa) Dem Antrag der zuständigen kantonalen Behörde folgend hat das BFF in Anwendung der dannzumal gültigen Fassung des Art. 33 AsylV 1 das Vorliegen einer schwerwiegenden persönlichen Notlage verneint, da sich die Beschwerde-


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führer in der Schweiz keine dauerhafte wirtschaftliche Existenz geschaffen haben.

bb) Wie namentlich aus der Botschaft des Bundesrats deutlich hervorgeht, sollte mit der Aufnahme von Art. 44 Abs. 3 AsylG die bisherige bundesgerichtliche Praxis zur Frage des Vorliegens eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalls im Sinne von Art. 13 Bst. f BVO übernommen und fortgeführt werden (vgl. hierzu und zum Folgenden das erwähnte Grundsatzurteil der ARK, EMARK 2001 Nr. 10).

Das Bundesgericht hat in seiner Praxis zur Frage des Vorliegens eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalls im Sinne von Art. 13 Bst. f BVO wiederholt die Notwendigkeit der Einzelfallprüfung unterstrichen. Der Praxis lassen sich zu den verschiedenen hierbei zu berücksichtigenden Faktoren - wie etwa die Aufenthaltsdauer in der Schweiz, die berufliche, soziale und kulturelle Integration, die weiterhin zum Heimatland bestehenden Beziehungen, Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand, Verhalten und Leumund, die Situation und schulische Integration der Kinder - keine schematischen Kriterien oder Mindestanforderungen entnehmen. Vielmehr ging das Bundesgericht ausdrücklich davon aus, das Befolgen schematischer Kriterien würde dem Einzelfallcharakter der Härtefallregelung nicht Rechnung tragen (unveröffentlichter Entscheid vom 15. Juli 1991, zitiert in ASYL 1992/2+3, S. 51; BGE 119 Ib 33). Wiederholt betonte das Bundesgericht, es seien in einer gesamthaften Betrachtung alle konkreten Umstände des Einzelfalles im Hinblick darauf zu würdigen, ob eine Rückkehr des Betroffenen in sein Heimatland seine Existenz in gesteigertem Masse in Frage stellen und mithin eine besondere Härte darstellen würde.

Von Relevanz ist das bisher Gesagte namentlich für die Auslegung der vom Bundesrat am 3. Juli 2001 geänderten Verordnungsbestimmung von Art. 33 AsylV 1, in welcher verschiedene Kriterien angeführt werden, wann eine schwerwiegende persönliche Notlage vorliege (Abs. 1 und 2 der Bestimmung) oder aber zu verneinen sei (Abs. 4 und 5 der Bestimmung).

cc) Die Beschwerdeführer leben seit knapp acht Jahren in der Schweiz. Seit letzten Dezember 2000 hat der Beschwerdeführer eine feste Anstellung gefunden. Der Umstand, dass die Beschwerdeführer sich bislang keine selbständige wirtschaftliche Existenz in der Schweiz geschaffen haben, ist aufgrund der Akten offensichtlich nicht auf mangelnden Arbeitswillen ihrerseits zurückzuführen. Vielmehr hat sich der Beschwerdeführer wiederholt vergeblich bemüht, eine Anstellung zu finden, was er entsprechend dokumentiert hat. Die beiden älteren Kinder der Beschwerdeführer sind eingeschult. Der 1994 in der Schweiz geborene Knabe A. hat massive psychische Störungen und wurde im August 2000 in 


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die heilpädagogische Schule A. integriert. Insbesondere für ihn erscheint eine adäquate Weiterführung der schulischen beziehungsweise heilpädagogischen Bildung im Heimatstaat mehr als fraglich. Sämtliche Kinder wie auch die Beschwerdeführer selber sprechen (schweizer-)deutsch und haben sich offensichtlich in der Gemeinde sehr gut integriert, was aus der Vielzahl eingereichter Unterstützungsschreiben zu schliessen ist. Den Kontakt mit dem Heimatstaat haben sie gänzlich abgebrochen, umso mehr als ihre nächsten Verwandten zwischenzeitlich alle auch aus Pakistan ausgereist sind und in verschiedenen Staaten Aufnahme gefunden haben. Über die Beschwerdeführer ist nichts Nachteiliges bekannt. Der tragische Unfalltod des ältesten Sohnes T., welcher hier beerdigt wurde, hat sodann unzweifelhaft eine besondere, traurige Verbundenheit der Familie mit der Schweiz zur Folge.

Im Sinne einer Gesamtwürdigung aller aktenkundiger Umstände (sowie unter gebührender Berücksichtigung der besonderen Situation der religiösen Minderheit der Ahmadis in Pakistan, die schon für sich allein starkes Indiz für die Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges ist (vgl. vorne Erw. 7d.cc), ist festzuhalten, dass eine Rückkehr der Beschwerdeführer nach Pakistan für diese eine besondere persönliche Härte darstellen würde. Der Vollzug der Wegweisung der Beschwerdeführer hätte damit für diese eine schwerwiegende persönliche Notlage im Sinne von Art. 44 Abs. 3 AsylG zur Folge und erscheint aus diesem Grund als unzumutbar.

f) Insgesamt ist nach dem Gesagten die durch die Vorinstanz verfügte Wegweisung zu bestätigen. Die angefochtene Verfügung erscheint indessen als unangemessen, soweit damit - respektive im Rahmen des später durchgeführten Vernehmlassungsverfahrens - das Vorliegen einer schwerwiegenden persönlichen Notlage verneint worden ist. Nachdem sich aus den Akten keine Hinweise auf Ausschlussgründe im Sinne von Art. 14a Abs. 6 ANAG ergeben, ist das BFF demnach anzuweisen, die Beschwerdeführer vorläufig aufzunehmen.

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